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Studium Informationswissenschaft

Virtuelles Handbuch Informationswissenschaft

10. Information und Dokumentation

Heinz-Dirk Luckhardt

Information und Dokumentation (IuD) sind traditionell die beiden zentralen Begriffe der Informationswissenschaft. „Information“ ist das Ziel, „Dokumentation“ ist der Weg. Ein Mensch kommt also am schnellsten und leichtesten an Informationen, wenn das Gebiet, über das er sich „informieren“ will, gut dokumentiert ist. Zunächst soll hier ein kurzer Abriss von Entwicklung, Bedeutung und Inhalt des Begriffspaars „Information und Dokumentation“ gegeben werden.

Der Begriff „Dokumentation“ wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dem Belgier Paul Otlet geprägt. Windel (1980) gibt seine Definition wie folgt wieder: Dokumentation „ist also die Sammlung, Ordnung und Nutzbarmachung von Dokumenten aller Art“. Windel nennt dies eine „statische Auffassung dessen, was Dokumentation sei“ (Windel 1980, 14) und schlägt vor – um die Wichtigkeit der „Information“ zu betonen, nur noch von „Information und Dokumentation“ zu reden. Heute wird oft auch von „wissenschaftlich-technischer Information“ (WTI) gesprochen (vgl. Studie „Zukunft der wissenschaftlichen und technischen Information in Deutschland“ im Auftrage des BMBF, http://www.bmbf.de/pub/zukunft_der_wti_in_deutschland.pdf, 1,1 mB, September 2002) .

Eine aktuelle Definition von Information und Dokumentation finden wir bei Seeger (1997). Seeger setzt IUD mit dem Begriff der „Informationsarbeit“ gleich und versteht darunter Tätigkeiten in drei Bereichen: Input, Darstellung / Aufbereitung und Output. Input umfasst Sichtung, Auswahl, Beschaffung, formale und inhaltliche Erschließung und Speicherung von Wissensquellen (Daten). Der zweite Bereich ist zum einen die Darstellung (Repräsentation, nicht zu verwechseln mit „Präsentation“) der Daten etwa in Datenbanken, Online-Diensten, Hypertext-Systemen, Internet-Diensten, CD-ROM-Produkten, zum anderen die Aufbereitung durch Zusammenfassung, Verdichtung, Veredelung und Umsetzung der Wissensquellen in andere Darstellungsformen und -medien. Diese Tätigkeiten können nach Seeger als das „Hinzufügen von ‚informationellem Mehrwert‘ zu dem ‚Rohstoff‘ Information“ verstanden werden. Der Output schließlich ist die „Nutzung, Verteilung, aktive Vermittlung und Vermarktung der durch die Bearbeitungsprozesse entstandenen neuen Informationsprodukte, Dienste und Leistungen, die auch ‚Informationsleistungen‘ oder ‚Informations-Dienstleistungen‘ genannt werden. Dieses sind die Produkte und Dienste, die den noch in den Anfängen befindlichen, aber dennoch vielschichtig strukturierten Informationsmarkt ausmachen“. (Seeger 1997. 12)

Der Gesamtzusammenhang ist in der folgenden Graphik grob dargestellt:

iud1

Die Bereiche Information und Dokumentation haben einen gemeinsamen Kern, die Datenbasis (oder Wissensbasis), die den Zugang zu dem erschlossenen Wissen ermöglichen soll. Diese Datenbasis wird gefüllt, indem man die „Dokumente“ des in Frage stehenden Fachgebiets erschließt und diese Erschließungsdaten in die Datenbasis überführt. Aus dieser „Datenbasis“ (das ist also einfach die Gesamtmenge der Erschließungsdaten) wird zunächst eine Datenbank (eine für den Zugriff optimierte interne Repräsentation) produziert, die erst die technische Voraussetzung für einen bequemen und schnellen Zugriff auf die Daten darstellt. Dieser Zusammenhang wurde in der Graphik aus Gründen der Übersichtlichkeit weggelassen.

Der Informationssuchende recherchiert in der Datenbasis (oder er lässt recherchieren), wo er die Verweise auf die ihn interessierenden Dokumente erhält. Im Falle einer Volltextdatenbank erhält er die gesuchten Dokumente direkt, da sie in der Datenbasis enthalten sind.

Dies ist vielleicht eine unzulässige Vereinfachung eines sehr komplexen Problems, in der Wirklichkeit gibt es eine Vielzahl von Konstellationen, in denen sich dieses Grundprinzip darstellt. Und wenn in der Graphik lapidar von „recherchieren“ oder „erschließen“ die Rede ist, verbergen sich dahinter natürlich die verschiedensten Methoden, Verfahren und Systeme. Eine besondere Ausprägung des dargestellten Prinzips findet sich im Bibliothekswesen:

iud2

Dieses Beispiel weicht in mehreren Punkten vom üblichen IuD-Prozess ab, illustriert aber die Wege zur Information und die beteiligten Instanzen deswegen recht gut, weil fast jeder zumindest eine ungefähre Vorstellung vom Bibliotheksbetrieb hat. Die Unterschiede liegen

  1. in der Datenbasis. Bibliothekskataloge enthalten nur Daten über gedruckte Werke, die in der Bibliothek selbst vorhanden sind. Ansonsten versuchen Dokumentationssysteme, den gesamten Bereich, für den sie zuständig sind, abzudecken, und nicht nur einen an einem bestimmten Ort verfügbaren Bestand an Dokumenten.
  2. in der Erschließung: es findet in der Regel nur eine formale (Autor, Titel, Publikationsjahr …, Einordnung in eine Klasse) und keine weitergehende inhaltliche Erschließung (inhaltliche Beschreibung durch Deskriptoren) statt.
  3. in der Art der Dokumente: in der Regel dokumentieren Bibliotheken nur Printmedien, in zunehmendem Maße allerdings auch CD-ROMs, seltener Bilder und Filme.
  4. in der Komplexität der Recherche: Suchverfahren in Bibliotheken sind normalerweise nicht so kompliziert, dass man Informationsvermittler benötigt, ganz im Gegensatz zur Recherche in Online-Datenbanken.

Zum Vergleich mit dem vorstehenden Beispiel im Folgenden ein für den Bereich IuD eher typisches, das den Bereich Pressedokumentation (-archiv) skizziert:

iud3

Zur Vertiefung des Verständnisses der einzelnen IuD-Komponenten seien hier einige Verweise auf weiterführende Artikel im vorliegenden Handbuch gegeben:

Exkurs: Elektronisches Publizieren

Exkurs: Information Retrieval

Exkurs: Indexierung

Exkurs: Informationssysteme

Exkurs: Nutzungs- und Bedarfsanalyse

Exkurs: Informationsmanagement (Terminologie, Literaturverweise)

Exkurs: Informationslinguistik

Exkurs: Hypertext

Exkurs: Maschinelle Übersetzung von Fachinformation

Exkurs: Thesauri und Klassifikationen und die Verarbeitung natürlicher Sprache

Exkurs: Fachinformationsprogramme der Bundesregierung

Zum Abschluss eine Literaturliste zu grundlegenden Fragen und konkreten Problemlösungen des IuD-Bereichs:

Grundlagen und Grundbegriffe:
  • Bekavac, Bernard (2004): Informations- und Kommunikationstechnologien. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. B18, 323-338
  • Bredemeier, Willi; Patrick Müller (2004): Informationswirtschaft. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. D11, 579-590
  • Buder, M.; W. Rehfeld; Th. Seeger, D. Strauch (Hrsg., 1997): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. München et al.: K.G. Saur
  • Burkart, M. (2004): Thesaurus. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. B2, 141-154
  • DIN 1463. Erstellung und Weiterentwicklung von Thesauri. Teile 1 und 2. Berlin 12/88
  • DIN 2331. Begriffssysteme und ihre Darstellung. Berlin 1980
  • DIN 31623. Indexierung zur inhaltlichen Erschließung von Dokumenten. Berlin 1988
  • Fugmann, Robert (1999): Inhaltserschließung durch Indexieren. Prinzipien und Praxis. Reihe Informationswissenschaft der DGD Band 3. Frankfurt/Main: DGD
  • Gaus, W. (2003): Dokumentations- und Ordnungslehre. 4. Auflage, Berlin et al.: Springer.
  • Grudowski, S. (1996): Begriffsverständnis „Informationsmanagement“ aus Sicht von Information und Dokumentation. In: NfD 47 (6-96), 351-360
  • Grudowski, S. et al. (1993): Grundlagen der Informationssysteme und -methoden. Potsdam
  • Hacker, R. (2000): Bibliothekarisches Grundwissen. München et al.: K.G. Saur.
  • Hammwöhner, R. (2004): Hypertext. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. C5, 419-428
  • Henzler, R. (1992): Information und Dokumentation. Berlin et al. Darin: Kap. 2. Informationsquellen, 5. Information Management, 9. Informationsvermittlung/Literaturversorgung
  • Herget, Josef (2004): Informationsmanagement. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. B11, 245-255
  • Herget, J.; R. Kuhlen (Hrsg., 1990): Pragmatische Aspekte beim Entwurf und Betrieb von Informationssystemen. Schriften zur Informationswissenschaft Bd. 1. Konstanz: Universitätsverlag
  • Knorz, G. (2004): Informationsaufbereitung II: Indexieren. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. B5, 179-188
  • Kuhlen, R. (2004a). Informationsaufbereitung III: Referieren. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. B6, 189-206
  • Kuhlen, Rainer; Thomas Seeger; Dietmar Strauch (Hrsg., 2004): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. 5. Auflage. München: K. G. Saur
  • Kunz, W.; H Rittel (1972): Die Informationswissenschaften. München
  • Laisiepen, K.H.; E. Lutterbeck; K.-H. Meyer-Uhlenried (Hrsg., 1980): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. München
  • Managing Information (1997). Document Delivery Special. Managing Information 3/1997
  • Manecke, H.-J. (2004): Klassifikation. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. B1, 127-140
  • Menne-Haritz, Angelika (2004): Archive. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. D1, 497-504
  • Ockenfeld, Marlies (2004): Nationale und internationale Institutionen. In: Kuhlen/Seeger/Strauch , Kap. A4, 55-60
  • Ockenfeld, Marlies (2004a): Gedruckte Informations- und Suchdienste. In: Kuhlen/Seeger/Strauch , Kap. C1, 379-388
  • Oßwald, Achim (2004): Dokumentlieferung. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. D10, 571-578
  • Rahmstorf, G. (1997): Der eigene Kern der Dokumentation im Wandel der Technik. In: NfD 48 (4-97), 195-203
  • Riehm, U.; K. Böhle; B. Wingert (2004): Elektronisches Publizieren. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. D7, 549-560
  • Schramm, Reinhard (2004): Patentinformation. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. D17, 643-656
  • Seeger, Thomas (2004): Entwicklung der Fachinformation und -kommunikation in Deutschland. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. A2, 21-36
  • Seeger, Thomas (2004b): (Fach-)Informationspolitik in Deutschland. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. A6, 73-90
  • Soergel, D. (1985): Organizing Information. Orlando et al.
  • van Steenis, H. (1992): Informationssysteme. Wie man sie plant, entwickelt und nutzt. München/Wien: 1992
  • Weyher, Christina (2000): Electronic Publishing in der wissenschaftlichen Kommunikation. Materialien zur Information und Dokumentation Band 12. Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg
  • Wiesenmüller, Heidrun (2004): Informationsaufbereitung I: Formale Erfassung. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. B4, 167-178
  • Windel, G. (1980): Was ist Information und Dokumentation? In: Laisiepen, Lutterbeck, Meyer-Uhlenried (Hrsg., 1980), 1-77
  • Zimmermann, Harald H. (2004): Maschinelle und computergestützte Übersetzung. In: Kuhlen/Seeger/Strauch, Kap. C11, 475-480
Spezielle Artikel zum Thema:
  • BMBF (2002): Studie „Zukunft der wissenschaftlichen und technischen Information in Deutschland“ im Auftrage des BMBF, http://www.bmbf.de/pub/zukunft_der_wti_in_deutschland.pdf, 1,1 mB, September 2002)
  • Endres, A. (1997): MeDoc – Die verteilte elektronische Informatik-Bibliothek. In: M. Ockenfeld, R. Schmidt (Hrsg., 1997): 19. Online-Tagung der DGD. Frankfurt/Main, 43-52
  • Georgy, U. (1998): Marketingmaßnahmen einer Informationsvermittlungsstelle für elektronische Informationsdienstleistungen. In: NfD 49 (7/98), 421-424
  • Grudowski, S.; M. Jünke (1998): Planung der betrieblichen Dokumentation. Praxisbeispiel: EXPO 2000. In: NfD 49 (5/98), 261-267
  • Häußermann, H.-U. (1998): Document Delivery – Wie kommt der Text zum Benutzer? In: : M. Ockenfeld, R. Schmidt (Hrsg., 1998): 20. Online-Tagung der DGD. Frankfurt: DGD, 315-328
  • Heinisch, Christian (2001): Zur Usability von anbieterunabhängigen Metasuchoberflächen für die Fachinformationsrecherche im Invisible Web. In: ABI-Technik 21, 4/2001, 312-317
  • Hinz, S. (1999): Mediendokumentarische Praxis in einer veränderten Medienwelt. In: NfD 50 (2/99), 87-92
  • Jauß, Veit-E.; Horst Basting (2000): Dokumentare in der Redaktion. Info-7 1/2000, 17-24
  • Kark, Gudrun (1999): ISSN und die Revision des ISSN-Regelwerks. Dialog mit Bibliotheken 1999/3, 28-32
  • Klaus, H.G. (1998): Wirkungen der Fachinformationspolitik aus heutiger Sicht – Versagen, Veränderung oder Vorbild. In: NfD 49 (4/98), 211-219
  • Moritz, W. (1998): Archive im Umbruch. In: NfD 49 (4/98), 199-203
  • Neu, M. (1993): Analyse und Bewertung des IUD-Programms und der Fachinformationsprogramme der Bundesrepublik Deutschland 1974-1994. Magisterarbeit. Saarbrücken: Universität des Saarlandes: Fachrichtung Informationswissenschaft
  • Nohr, H. (1997): Internationale Normenklassifikation (ICS). In: NfD 48 (2-97), 87-90
  • Reichmann, Gerhard (2001): Benutzerstruktur, Benutzerverhalten und Benutzerzufriedenheit. Nachrichten für Dokumentation 52 (2001) 393-400
  • Rusch-Feja, D. (1997): Mehr Qualität im Internet – Entwicklung und Implementierung von Metadaten. In: M. Ockenfeld, R. Schmidt (Hrsg., 1997): 19. Online-Tagung der DGD. Frankfurt/Main, 113-130
  • Sachau, Monika; Ralph Schmidt (2001): Die Hamburg-Connection. Qualifizierung, Arbeitsmarkt und Berufsstart diplomierter Medien-Informationsmanager. Info-7 1/2001, 40-46
  • Subito – Dokumente aus Bibliotheken. http://www.subito-doc.de/
  • Weisel, L. (1998): Erfahrungen und Perspektiven der elektronischen Informationsberatung. In: M. Ockenfeld, R. Schmidt (Hrsg., 1998): 20. Online-Tagung der DGD. Frankfurt: DGD, 91-104

NfD = Nachrichten für Dokumentation, jetzt umbenannt in: Information – Wissenschaft und Praxis
DGD = Deutsche Gesellschaft für Dokumentation, jetzt umbenannt in:
DGI = Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis

 

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