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Identität und Geschichte der Informationswissenschaft
Informationswissenschaftliche Themen
Die Geschichte des Schreibens/der Schrift
Robin Hemberger
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
Schon seit jeher sind schriftliche Zeichen das wichtigste Mittel zur Verständigung unter den Menschen. Um Geschehnisse und Ereignisse der Weltgeschichte zu dokumentieren und für die Nachwelt zu sichern, ist die Schrift das maßgebliche Instrument. Die Schrift ist für Verkehr, Handel und Industrie ebenso unentbehrlich wie auch für die geistigen und gestaltenden Berufe. Einige Autoren bezeichnen die Schrift gar als die „genialste Erfindung“ der Menschen, die nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken ist. Eine wichtige Rolle spielt sie auch in der Wahrung von Rechten und Gesetzen. Man stelle sich nur einmal vor, Gesetze würden nur mündlich weitergegeben, und es gäbe sie nicht in schriftlicher Form. Die Entwicklung der Schrift ist ein Prozess, der über viele Jahrtausende stattfand und sehr facettenreich ist. Der Ursprung war die Bildsprache, deren erste Formen etwa um 50.000 vor Christus an Felswänden verewigt wurden. Die Entwicklung reicht bis in unsere heutige Zeit, wo die von Computer-Elektronik geprägte Schrift absolutes Gebrauchsgut eines jeden Einzelnen ist. In diesem Zeitraum von etwa 60.000 Jahren erreichte die Schrift derart viele Entwicklungsstufen, so dass es unmöglich ist, in diesem Rahmen auf alle einzugehen, sondern nur die wichtigsten und bekanntesten Schriftarten und Zeitalter behandelt werden können. Beginnend mit der Höhlenmalerei folgt anschließend ein Abschnitt über die zwei wichtigsten Schriftformen im altorientalischen Bereich, die Keilschrift und die ägyptische Schrift. Danach wird die Verbreitung der Buchstabenschrift, die Entstehung des griechischen Alphabets sowie die Entstehung und Verbreitung des lateinischen Alphabets bis in die Gegenwart näher erläutert. Abschließend kommt noch ein kurzer Abschnitt zur Erfindung des Buchdrucks, was auch einen wesentlichen Aspekt in der Geschichte der Schrift darstellt.
1.1. Definition
Schrift:
ein System von Zeichen, die Begriffe oder Laute zum Zweck der Informationsvermittlung oder -aufbewahrung sichtbar machen. Vorstufen der Schrift finden sich in Felsmalereien und -ritzungen schon in der Altsteinzeit. Bilder erfüllen jedoch erst dann den Charakter einer Schrift, wenn sie sich nicht nur auf das einmalig Abgebildete beziehen, sondern in systematischer Wiederholung immer die gleichen Begriffe in einer Bilderkette, die einer Wortkette entspricht, wiedergeben. Alle Schriften sind aus solchen Bilderschriften hervorgegangen.
2. Von der Höhlenmalerei bis zur griechischen Schrift
2.1. Höhlenmalerei
Erste „Kritzeleien“ an Felswänden stammen aus der Zeit um etwa 50.000 vor Christus. Es gab sowohl Fundorte in Europa, als auch in Afrika und auf anderen Kontinenten. In Europa wurden die meisten Höhlenmalereien in Frankreich (150 Fundorte) entdeckt, es folgten Spanien (128 Fundorte) und Italien (21 Fundorte). Bei den Funden handelt es sich in der Regel um magisch-symbolische Zeichnungen in Höhlen, bei denen meist Beziehungen zwischen Menschen und Tieren im Vordergrund stehen. Ergänzt werden diese Bildnisse durch unbestimmte Zeichen und Linien, die zwar noch nicht gedeutet sind, aber darauf schließen lassen, dass schon damals bewusst abstrahierte Kurzzeichen als Aussagemittel gedient haben. Speziell waren oftmals Pferde und Wisente (Büffel) abgebildet. Als Kommunikationsmittel sind diese Zeichnungen jedoch nicht eindeutig genug. Bestimmte Vorgänge werden zwar anschaulich geschildert, aber die genaue Bedeutung bleibt noch ungeklärt. Diese Zeugnisse vom Leben vorgeschichtlicher, nomadisierender Jäger werden auch als Petroglyphen bezeichnet. Oftmals liest man auch den Ausdruck „Kunst einer Jagdkultur“. Vergleichbare Vorstufen unserer heutigen Schrift sind unter anderem Wegmarkierungen, Botenstäbe zur Legitimation, die Knotenschnüre der Inka, bäuerliche Kerbhölzer, vielleicht sogar die mit buchstabenähnlichen Zeichen bemalten Kieselsteine der Jüngeren Steinzeit.
2.2. Die beiden Schrift-Urschöpfungen im altorientalischen Bereich
2.2.1. Die ägyptische Schrift
Das Auftreten der ägyptischen Schrift beginnt etwa im Jahre 3000 vor Christus. Um diese Zeit fand dort eine Reichseinigung statt. Vorher gab es 2 getrennte Staaten im Delta und im oberägyptischen Niltal. Im Zuge dieser Reichseinigung trat die heute noch allseits bekannte Schrift erstmals auf. Bekannt ist sie durch ihre Bildgestalt, die Hieroglyphen waren sehr lange nicht entzifferbar. Unterschiedliche Begriffe, die zufällig die gleichen Konsonanten enthielten, wurden durch rebusartige Lautzeichen und konsonantische Phonogramme wiedergegeben. Im Laufe der Zeit verlor die Schrift jedoch immer mehr an Bildgestalt und näherte sich der Buchstabenform an. Der Ausdruck Hieroglyphen kommt interessanterweise aus dem Griechischen, er bedeutet „Heilige Ritzzeichen“ (hieroglyphika grammata). Eine große Entwicklung innerhalb der ägyptischen Schrift gab es nicht, am Ende der ägyptischen Religion zu Beginn unserer Zeitrechnung war die Schrift noch von der gleichen Form geprägt wie beim ersten Auftreten etwa 3000 vor Christus. Ähnliche Schriftsysteme kommen auch bei den Sumerern und bei den Maya und Azteken vor. Zunächst sind die bildhaften Ideogramme auf den Gegenstand, später auf das Wort bezogen, so dass eine genaue Unterscheidung möglich wird. Eine Abwandlung der ägyptischen Schrift, die heute bekannt ist, ist die so genannte Priesterschrift (Hieratische Schrift). Sie ist eine flüchtige Schrift, die oftmals durch Ligaturen verbunden ist und an heutige stenographische Einheiten erinnert. Ihren Namen verdankt sie der Tatsache, dass sie hauptsächlich von Priestern benutzt wurde.
2.2.2. Die Keilschrift
Sie hat ihr erstes Auftreten im südlichen Mesopotamien („Zwischenstromland“), zwischen Euphrat und Tigris, einem Gebiet, das in etwa dem heutigen Irak entspricht. Die vermutlichen Erfinder dieser so genannten ersten Schrift der Welt sind vermutlich die Sumerer. Die ersten Formen der Keilschrift wurden jedoch auch noch ohne den als Werkzeug benutzten Keil hergestellt, sondern noch wie die Hieroglyphen in Bildgestalt. Die Überlieferungen der Keilschrift findet man auf Tafeln aus Lehm und Ton, die ältesten Zeugnisse der Keilschrift stammen aus der Zeit der Wende zwischen dem 3. und dem 4. Jahrtausend vor Christus. Sie entwickelte sich zwischen 2000 und 3000 Jahren bis etwa ins Jahre 500 vor Christus. Als Griffel diente entweder ein Stück Holz oder ein Schilfrohr. Es wurde an einer Seite dreieckig geschnitzt, um die charakteristischen keilförmigen Elemente in die Ton- oder Lehmtafel zu ritzen. Der Vorteil an dem Griffel war der, dass er zwei verschiedene Enden besaß. Hiervon wurde das runde Ende für die Darstellung von Zahlen benutzt, das dreieckige, keilförmige Ende diente zur Darstellung der schriftlichen Zeichen, wobei jede Silbe einem bestimmten Zeichen zugeordnet war. Es gab über 600 Zeichen, die es zu beherrschen galt, was jedoch immer noch eine starke Minderung im vergleich zu den vorhergehenden Hieroglyphen war. Das konnten natürlich nicht viele, daher waren die Schreiber oftmals fast mächtiger als ihre Herren, denen sie dienten. Später wurde die Keilschrift auf die armenische, medische und persische Sprache angewendet; in Deutschland wurde zwar ein Stein gefunden (abgebildet in Grimm´s Runenwerke), der Keilformen zeigt, diese sind jedoch so wirr eingehauen, dass ein Vergleich mit der mesopotamischen Keilschrift nahezu unmöglich ist.
2.3. Entwicklung hin zur Buchstabenschrift
Diese Entwicklung begann Ende des 2. Jahrtausends vor Christus. Mit Hilfe von Bildbegriffsschriften wie beispielsweise den Hieroglyphen wurde die Entwicklung der Buchstabenschrift vorangetrieben, und das, obwohl sie alle nach Worten und Silben und nur zu einem geringen Teil nach Einzelbuchstaben gegliedert waren. Die erste überlieferte reine Buchstabenschrift ist den Völkern des süd- und nordsemitischen Sprachraums zu verdanken. Die über Jahrtausende gebrauchten Bildschriften wurden also durch ein viel einfacher zu verwendendes Buchstabensystem ersetzt, es entstand das Phönikische Alphabet, welches aus 22 Konsonanten bestand, jedoch noch keine Vokale beinhaltete. Der älteste, überlieferte verständliche Text in semitischer Buchstabenschrift ist eine Inschrift auf dem Sarkophag des Königs Ahirom von Byblos (etwa 1000 vor Christus). Noch heute wird die Keilschrift von vielen Experten als „Mutter des Modernen Schreibens“ bezeichnet, diese Bezeichnung kommt daher, dass es eben die erste Form der Schrift war, die nicht mehr in Bild- oder Keilgestalt vorlag.
2.4. Entstehung des griechischen Alphabets
Die Entstehung des griechischen Alphabets schreiben sich die Griechen meist selbst zu. Es ranken sich Legenden um mythische Personen wie Epicharmos, Linos, Musaios, Orpheus oder Prometheus, denen oftmals eine regelrechte „Erfindung“ des Alphabets „zugeschrieben“ wird. Es ist jedoch erwiesen, dass es sich beim griechischen Alphabet größtenteils um Entlehnungen aus der semitischen Buchstabenschrift handelt. Das zeigt sich an Namen und Reihenfolgen der griechischen Buchstaben, sie erweisen deutlich die semitische Herkunft. Die ältesten Überlieferungen der griechischen Schrift befinden sich auf der Dipylon-Kanne von Athen (etwa 8. Jahrhundert vor Christus) und dem Totenstein aus Thera (etwa 7. Jahrhundert vor Christus). Der große Vorteil gegenüber den Vorgängern der griechischen Schrift im semitischen Raum ist jedoch die Tatsache, dass sie neben den 22 Konsonanten auch Vokale beinhaltet. Im Vergleich zu moderneren Schriften fehlen jedoch immer noch Interpunktion, sowie Groß- und Kleinschreibung und Worttrennung. Dem gefundenen Schema der griechischen Schrift schloss sich jede nachfolgende Schrift an. Eine innere Vervollkommnung dieser Form der Schrift war jedoch kaum noch möglich, Weiterbildungen betrafen nur noch die graphische Form. Zwischenzeitlich entstand eine Reihe von anderen Schriften in den unterschiedlichsten Regionen, es erfolgte eine Weitergabe an die west- und osteuropäischen Völker; die man in diesem Rahmen jedoch nicht alle abhandeln kann. Etwa im 4. Jahrhundert vor Christus (in manchen Quellen ist auch vom 9. Jahrhundert die Rede) erfuhr das griechische Alphabet seine Vollendung, und erstaunlicherweise ist es in dieser Form bis in die Gegenwart überliefert und erfuhr keinerlei Veränderungen.
3. Entstehung und Verbreitung des lateinischen Alphabets bis in die Gegenwart
Ähnlich wie am Beispiel des griechischen Alphabets gibt es auch beim lateinischen Alphabet Mythen, die von einer „Erfindung“ erzählen. In der einen Version gilt Merkur als der Erfinder, bei einer anderen Variante wird es als Schöpfung von Euander, dem Sohn des Merkur-Hermes und der Muse Carmenta beschrieben. Jedoch ist auch hier deutlich erwiesen, dass es sich um eine Entlehnung aus dem griechischen Alphabet handelt. Die Beweise wurden anhand von einzelnen Buchstaben erbracht, die sowohl im griechischen, als auch im darauf folgenden etruskischen Alphabet sowie später im lateinischen Alphabet vorhanden waren. Die älteste lateinische Inschrift ist aus dem 7.Jahrhundert vor Christus überliefert. Als einziges Alphabet neben dem griechischen bewies es die Konstanz bis in die heutige Zeit, auch wenn es zwischenzeitlich auch immer mal wieder vereinzelten Änderungen unterworfen war. Die ersten rechtsläufigen Denkmäler lateinischer Schrift ist unter anderem die Inschrift auf dem Sarkophag des Cornelius Lucius Scipio Barbatus aus dem Jahre 298 vor Christus. Während der Epoche in der das lateinische Alphabet seine Verbreitung fand, kam es auch zu einem ersten Ansatz von Monumental- oder Kapitalschrift (capitalis= Majuskel oder Großbuchstabe). Die klassische Form erreichte die lateinische Schrift im Jahre 200 vor Christus, verschiedene Völker entwickelten im Zuge der Kalligraphie (Lehre des Schönschreibens) Veränderungen der lateinischen Schrift, zum Beispiel die so genannte Uncialschrift, später entstanden auch Minuskel. Unter anderem entstand auch die „Karolingischen Minuskel“, eine Vereinheitlichung aus regionalen Minuskelschriften, die während der Zeit von Karl dem Großen entstand. Es handelte sich dabei um eine ästhetische Ausformung. Die Kalligraphie erfuhr besonders im Irischen und im Merowingischen während des 8. Jahrhunderts einen großen Aufschwung. In der Gegenwart beherrscht die lateinische Schrift heute das romanische Gebiet mit allen germanischen Sprachen, aber auch das slawischen Gebiet mit seinen Sprachen. Überall entwickelte die lateinische Sprache gewisse Besonderheiten in verschiedenen Zeichen, der Kern des lateinischen Alphabets blieb jedoch überall derselbe. Lediglich zwei europäische Völker behielten ihr Alphabet bei, es sind dies die zahlenmäßig starken Russen sowie die äußerst nationalbewussten und traditionellen Griechen. Was die restliche Welt betrifft, ist man weit davon entfernt, eine einheitliche Schrift zu besitzen, aber sollte dies eines Tages der Fall sein, so käme wohl nur das lateinische Alphabet in Frage. An dieser Stelle ein sehr treffendes Zitat von Professor David Diringer, einem der größten Forscher der Sprachentwicklung, der an der Universität in Cambridge lehrte. Er schrieb in seinem Buch „Writing and the Alphabet“ (frei übersetzt): „Das Alpha-Bet-System ist das wirksamste und nutzbringendste System aller Schreibsystem. Es ist in seiner Einfachheit unerreichbar und man sollte dieses System als eine der originellsten und authentischsten Ideen anerkennen, eine Idee, die in der Geschichte der Menschheit einmalig ist. Der Erfinder des Systems war ganz sicher ein ungewöhnlich phänomenaler Gelehrter. Kein Wunder, dass die jüdischen Weisen es als Gottes Gabe sahen.“
4. Erfindung des Buchdrucks
Der Buchdruck ist eine Erfindung, die zwar nicht direkt mit der Schrift zu tun hat, aber dennoch keine unwesentliche Rolle in der Geschichte spielt. Der Erfinder des Buchdrucks war Johannes Gutenberg, der diese Entdeckung um 1440 in Mainz machte. Durch die Erfindung der beweglichen Lettern kam es zu einer Verdrängung der Schreibschrift. Mit dieser Erfindung endete die große Schriftkultur, in den einzelnen Kulturnationen behielten die Schriften jedoch charakteristische Eigenschaften bei. So herrschten in Deutschland kräftige, strenge, eckige Lettern vor, während in Frankreich eher zierliche und elegante Lettern vorherrschten und in Italien und Spanien vornehmlich weiche und rundliche Lettern geprägt wurden. Durch den Buchdruck wurde die Ära bis zum 20. Jahrhundert geprägt, heute steht die Schrift in Konkurrenz zu den modernen Medien wie Funk, Fernsehen oder Internet.
5.Quellen
- Faulmann, Karl (1880; Reprint von 1989): Illustrirte Geschichte der Schrift, Greno Verlag: Nördlingen
- Földes – Papp, Karoly (1975): Vom Felsbild zum Alphabet, Gondrom Verlag: Bayreuth
- Friedrich, Johannes (1966): Geschichte der Schrift, Carl Winter Universitätsverlag: Heidelberg
- Tschichold, Jan (1961): Geschichte der Schrift in Bildern, Dr. Ernst Hauswedell & Co: Hamburg