Identität und Geschichte der Informationswissenschaft
Benutzungsforschung und Nutzungsanalyse
3. Methoden der Benutzerforschung – Eine Einführung in die empirische Sozialforschung
Projekte: Identität und Geschichte der Informationswissenschaft
Benutzungsforschung und Nutzungsanalyse
3.1 Der Ablauf der Benutzerforschung
3.2 Anwendungsfälle für die Praxis
3.1 Der Ablauf der Benutzerforschung
In diesem Kapitel wird dargestellt, welche Methoden bei einer Benutzungsanalyse verwendet werden, um die Benutzbarkeit eines Informationssystems zu erfassen und ggf. zu modifizieren.
Am Beginn des eigentlichen Forschungsprozesses liegt die Hypothesengenerierung. Unter einer Hypothese versteht man Vermutungen über den Zusammenhang von Sachverhalten.
„Die Hypothesen werden aus bereits bekannten Vorarbeiten, Untersuchungen und Theorien entwickelt. Sie enthalten daraus deduzierte Annahmen über die jeweiligen zu untersuchenden Strukturen und Beziehungen, Verhaltensweisen und Einstellungen.“ )
Will man nun die Hypothesen in erhebbare Informationen umsetzen, erfordert dies die „Operationalisierung der Begriffe“ . Die Operationalisierung erfolgt mittels Indikatoren (oder Variablen).
„Variablen sind Merkmale von Elementen (d.h. der Untersuchungseinheiten…); diese Merkmale haben verschiedene Ausprägungen, die für den Zweck der Auswertung durch Kodes repräsentiert werden.“ (s. Kluck 1997, S. 799) „Unter Kodierung versteht man die Zuweisung von Aussagen und/oder Werten zu den untersuchten Merkmalen“
Man unterscheidet verschiedene Variablen:
- unabhängige Variablen
- abhängige Variablen
- intervenierende Variablen
- Kontrollvariablen
Unter einer unabhängigen Variable versteht man diejenigen Merkmale, „die Bedingungen bzw. Voraussetzungen für bestimmte Strukturen, bestimmtes Verhalten oder bestimmte Einstellungen darstellen.“
Eine abhängige Variable umfasst ein sich in der Folge veränderndes oder ergebendes Merkmal.
Als intervenierende Variable bezeichnet man eine dritte Variable, die auf eine abhängige Variable einwirkt oder interveniert, die in Beziehung zu einer unabhängigen Variable steht.
Von Kontrollvariablen spricht man, wenn man eine Variable einführt, die testet, „ob ein anderes – logisch dem untersuchten Zusammenhang vorhergehendes – Merkmal den vermuteten Zusammenhang zwischen der abhängigen und unabhängigen Variable beeinflusst.“
„Mehrere Variablen oder Indikatoren können zu einem sogenannten Index zusammengefaßt werden, der praktisch eine neue, zusammengesetzte Variable darstellt.“
Danach erfolgt die Datenerhebung. Hierbei unterscheidet man drei verschiedene Arten der Datenerhebung, die Inhaltsanalyse, die Beobachtung und die Befragung.
Tabelle 1: Methoden der Datenerhebung
modifiziert aus: Kluck 1997, S. 805
Die Inhaltsanalyse beschäftigt sich mit den Produkten menschlicher Tätigkeit, wie z.B. Bauwerke, Bilder, Kleidung etc. Aus diesen „Bedeutungsträgern“ werden durch systematische und objektivierte Identifizierung ihrer Elemente Schlüsse gezogen, die „über das einzelne analysierte Element hinaus verallgemeinerbar sind.“
Die Beobachtung wie die Befragung beschäftigen sich im Unterschied zur Inhaltsanalyse, die sich mit den Produkten menschlicher Tätigkeit befasst, mit aktuellem menschlichen Verhalten. Dieses soll in seinem Ablauf und in seiner Bedeutung erfasst werden. Es lassen sich fünf Dimensionen der Beobachtung unterscheiden:
- mit verdecktem oder offenem Beobachter
- mit teilnehmendem oder nicht teilnehmendem Beobachter
- als systematische oder unsystematische Beobachtung
- in natürlicher oder künstlicher Beobachtungssituation
- als Selbstbeobachtung oder Fremdbeobachtung.
Die Befragung, die sich ebenfalls mit dem aktuellen menschlichen Verhalten befasst, stellt noch immer das dominierende Verfahren der Datenerhebung in der Sozialforschung dar. Sie lässt sich nach zwei Dimensionen unterscheiden:
- nicht standardisierte, teilstandardisierte und vollstandardisierte Befragung
- mündliche oder schriftliche Befragung
Die Befragung stellt ein indirektes Verfahren zur Ermittlung von Aussagen über Sachverhalte bzw. über die Eigenschaften von Sachverhalten dar. Nicht soziale Prozesse werden beobachtet, sondern es wird ein spezifischer Ausschnitt erzeugt. Durch eine Befragung werden also Daten speziell für die entsprechende Untersuchung künstlich produziert. Dies bedeutet auch, dass hinsichtlich der Validität und Repräsentativität von Befragungen hoch ausgebildete Komponenten der Individualebene wie Motivation, Kognition oder Empathie erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse haben können.
3.2 Anwendungsfälle für die Praxis
Kluck beschreibt vier Beispiele für Anwendungsfälle von Datenerhebungen für die Informationspraxis.
(vgl. Kluck 1997, S. 816-819)
Benutzerforschung
„Benutzerforschung sollte den Lebensweg von Informationsprodukten beziehungsweise Informationsdiensten begleiten. Sie kann erste Anregungen geben, sie liefert Entscheidungshilfen im Planungsstadium und kontrolliert dann, ob, wo und wie sich der geplante Erfolg tatsächlich eingestellt hat.“ (s. Jungjohann 1980, S. 154) Konkret kann z.B. die Frage beantwortet werden, ob das Produkt die Bedürfnisse der Zielgruppe trifft.
Marktforschung
Hierbei werden Informationen über den Markt gesammelt. Als Beispiel nennt Kluck eine Telefonumfrage bei den wichtigsten Nutzern einer Informationsvermittlungsstelle. Konkret wird dort eine Erhebung der Bandbreite der Anwendung von Rechercherergebnissen erstellt, die im Auftrag von Kunden durch die Informationsvermittlungsstelle gemacht wurde. Als Untersuchungsziel sollte zum einen Imagepflege betrieben werden, zum anderen wollte man erfahren, für welche Verwendungszwecke die Kunden die Ergebnisse nutzen und welche Kritik oder Anregungen von deren Seite kommen.
Informationsbedarfsanalyse
Hier nennt Kluck das Beispiel der Untersuchung des Informationsbedarfs und des Informationsverhaltens von Juristen. Dieser wurde mittels Fragebogen ermittelt, dessen Erstellung Gruppendiskussionen mit Vertretern der Zielgruppe zur Erstellung von Hypothesen und Fragestellungen vorausgingen.
Kommunikationsanalyse
Hier werden die Informationsquellen und Informationswege festgestellt. „Ein Beispiel für eine Untersuchung zum Zwecke des Information Resources Management in Form einer Kommunikationsanalyse ist ein Expertengespräch über die Gewinnung und Verwendung von Adreßdaten und -dateien in verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens.“