Presse
Offener Brief
Prof. Dr. Harald H. Zimmermann
An die
Präsidentin der Universität des Saarlandes
Frau Prof. Dr. Margret Wintermantel
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
es ist guter Brauch, dass sich aus dem Dienst scheidende Hochschullehrer nicht bei der Frage der Auswahl eines Nachfolgers / einer Nachfolgerin einmischen. So wollte und werde ich es auch selbst halten. Mein bevorstehendes Ausscheiden aus dem Dienst zum 30. September 2006 ist jedoch Anlass dafür geworden, die Existenz des Studienfachs Informationswissenschaft in Frage zu stellen. Dass ich mein Schreiben an Sie zugleich an die Öffentlichkeit richte, begründe ich damit, dass das Thema inzwischen von den Medien längst aufgegriffen wurde und ich ein großes Interesse der Medien festgestellt habe, zumal der Bereich inhaltlich-thematisch auch die Medien selbst betrifft.
Da abzusehen war, dass die Universität im Rahmen des sog. Bologna-Prozesses ihre Diplom- und Magisterstudiengänge auf das Bachelor- und Master-Modell umstellen wird (inzwischen ist die entsprechende Entscheidung gefallen: alle entsprechenden Studiengänge der Universität sind spätestens zum Wintersemester 2007/08 umzustellen), wurde seitens der Fachrichtung Informationswissenschaft unter Mitwirkung der Studierenden nach dem Scheitern des fakultätsinternen Kooperationsmodells (vgl. Anlage: Hintergrund) eine Alternative gesucht, die einen anderen bereits bestehenden Schwerpunkt des Studienfachs die Angewandte Sprachwissenschaft in den Vordergrund stellte: Zusammen mit der Fachrichtung Angewandte Sprachwissenschaft sowie Übersetzen und Dolmetschen wurde u. a. ein gemeinsamer Bachelor-Studiengang Multilinguale Information und Medien in Europa geplant und den hierbei betroffenen beiden Philosophischen Fakultäten II (Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften) und III (Empirische Humanwissenschaften) zur Beratung und Annahme vorgelegt. Während sich die Philosophische Fakultät II einstimmig für die Aufnahme dieses Studiengangs entschied, verweigerte die Fakultät Empirische Humanwissenschaften die Zustimmung mit dem Hinweis, dass damit Kapazitäten der Fakultät gebunden würden, die ein innerhalb der Fakultät zu verwirklichendes Konzept nicht mehr zuließen, das Kapazitäten der Fachrichtung Informationswissenschaft einbeziehen sollte.
Inzwischen ist für mich unschwer zu erkennen, dass es der Fakultät nicht mehr um die Einrichtung eines Studiengangs geht, bei dem schwerpunktmäßig informationswissenschaftliche Kompetenzen (wie sie bewährter Gegenstand des Magister-Studiums sind) vermittelt werden, sondern in erster Linie um die Nutzung demnächst frei werdender personeller Kapazitäten zur Stärkung erziehungswissenschaftlicher Ausbildungsschwerpunkte, auch in der Lehrerbildung. Nach meiner Erkenntnis sehen die Überlegungen der Fakultät etwa wie folgt aus: Abwicklung des Magister-Studiengangs durch übergangsweise in der Fachrichtung noch vorhandene Kapazitäten (eine Stelle BAT Ib, noch verfügbar bis 2012, und eine APL-Professur). Damit wären ab Herbst 2006 sowohl die bestehende C4-Professur (die nach einer schon entsprechend vorgenommenen Überprüfung als W2- oder W3-Professur neu gewidmet würde) als auch eine Stelle 0,5 BAT IIa für diese neue an erziehungswissenschaftlichen Schwerpunkten bzw. der Lehrerbildung orientierte Ausrichtung frei.
Um eine rasche Umorientierung zu ermöglichen, will der Fakultätsrat diese durch die Einführung einer sog. planerischen Nullquote zum Wintersemester 2006/07 flankieren. Danach wäre die Aufnahme eines Magister-Studiums mit dem Studienfach Informationswissenschaft nicht mehr möglich. Mit einem solchen Tagesordnungspunkt wird sich der Fakultätsrat am 8. Februar im zweiten Anlauf befassen, nachdem diese Beschlussfassung aufgrund erheblicher Proteste der Studierenden in einer Sitzung im Dezember verschoben worden war.
Ganz so unschuldig an diesen Überlegungen ist auch die Universitätsspitze nicht: ich erinnere mich noch an eine Bemerkung Ihrerseits zu Anfang der Planungen, als sie damals äußerten, dass mit meinem Ausscheiden in 2006 die Universität naturgemäß Zugriff auf diese Stelle habe. Angesichts des von Senat und Universitätsrat verabschiedeten Universitätsentwicklungsplans, in dem die Fachrichtung mit den informationswissenschaftlichen Schwerpunkten als positiv eingestuft wurde, habe ich dies damals als formalen Hinweis angesehen und als Ansporn, neue kooperative Lösungen zügig zu erarbeiten.
Die Notwendigkeit, den erziehungswissenschaftlichen Schwerpunkt insbesondere in der Lehrerbildung zu stärken, wird auch von mir anerkannt. Dafür jedoch die informationswissenschaftliche Ausbildung an dieser Universität letztendlich zu opfern, lehne ich entschieden ab. Wenn die Fächer, die an der Lehrerbildung beteiligt sind, nur jedes im eigenen Interesse einen kaum spürbaren Anteil für die Erziehungswissenschaft bereitstellten, wäre dieses Problem z. B. auch anderweitig zu lösen.
Bislang ist die Informationswissenschaft als sog. Bindestrich-Informatik (auch: Angewandte Informatik) dem universitären Schwerpunkt Informatik mit zugerechnet worden. Die Fachschaft der Studierenden hat in einer Resolution erst kürzlich eine Kooperation mit der Sprachwissenschaft und Computerlinguistik vorgeschlagen. Hierbei können nicht nur die informationswissenschaftlichen Kern-Module (vgl. die Übersicht in der Anlage) problemlos eingebunden werden, es eröffnen sich insbesondere in einem gemeinsamen Bachelor-Studiengang berufliche Perspektiven nach der obligaten (nur) dreijährigen Bachelor-Ausbildung, die nach allem, was bislang und jüngst an Plänen seitens der Erziehungswissenschaft vorgelegt wurde, mir bei Weitem nicht gewährleistet erscheint.
Sie haben, sehr geehrte Präsidentin, erst kürzlich gegenüber der Fachschaft Informationswissenschaft und soweit ich weiß auch gegenüber den Medien erklärt, dass die Universität die informationswissenschaftlichen Kern-Inhalte erhalten wolle. Dies ist aber nicht mehr möglich, wenn große Teile der Kapazität für die Lehrerbildung und / oder einen bildungs- bzw. erziehungswissenschaftlich geprägten Bachelor verwertet werden.
Ich bin es weniger der Universität, als der Wirtschaft und Gesellschaft sowie meinen informationswissenschaftlich tätigen Kolleginnen und Kolleginnen in Deutschland und weltweit schuldig, mich dafür einzusetzen, dass dieser Schwerpunkt erhalten bleibt, der sowohl was die Wissenschaft als auch die Praxis anbelangt alle Voraussetzungen erfüllt, einen konstruktiven Beitrag zur Bewältigung der nachweislich exponentiell wachsenden Wissens- und Publikationsflut zu leisten.
Ich bitte Sie, sehr geehrte Präsidentin, sehr dringlich, Ihre bisherige Zurückhaltung aufzugeben und tatkräftig daran mitzuwirken, dass nicht aus falsch verstandener Spar-Notwendigkeit falsche hochschulpolitische Weichenstellungen erfolgen. Die Informationswissenschaft kann einen Beitrag zum Exzellenz-Bereich dieser Universität leisten.
Bitte wirken Sie zunächst umgehend darauf hin, dass der Beschluss des Fakultätsrats, einen planerischen Numerus clausus einzuführen, verhindert wird. Ein solcher Beschluss schadete m. E. sehr dem Image der Universität. Die einzige erkennbare Logik, die hierin zu sehen ist, gilt im Grunde für alle Fächer, die zum Wintersemester 2007/08 auf Bachelor- und Master-Lösungen umstellen müssen: Alle Fächer müssen später parallel einige Jahre Kapazitäten für auslaufende sowie für neu beginnende Studiengänge bereitstellen. Die Nähe der bisher geplanten Module eines informationswissenschaftlich mit geprägten Bachelor- oder Master-Studiengangs zu den bestehenden Studienschwerpunkten im Magisterstudiengang bietet zudem wie dies übrigens in den Fächern, die den Wechsel schon vollzogen haben, etwa in der Informatik, klar zu erkennen ist die Möglichkeit, dass Studierende des auslaufenden Studiengangs an Veranstaltungen des neuen Studiengangs teilnehmen und dadurch ergänzende Veranstaltungen entfallen.
Die Einführung der planerischen Null-Quote für Studienanfänger im Magister-Studienfach Informationswissenschaft kann ich unter diesen Umständen daher nur als Zeichen dafür verstehen, dass die informationswissenschaftlichen Schwerpunktthemen in Zukunft nicht mehr vorgesehen sind. In der Wirtschaft hat man für ein solches Vorgehen einen gerade wieder aktuellen Begriff: Es handelt sich nach meinem Dafürhalten um den Versuch einer feindlichen Übernahme.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Prof. Dr. Harald H. Zimmermann
____Anlage: Hintergrund
Ergänzende Materialien zum offenen Brief
Kontakt:
Prof. Dr. Harald H. Zimmermann
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Fachrichtung Informationswissenschaft
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