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Presse

2003 08 19 SZ

Saarbrücker Zeitung 19.08.2003

Die Guten kommen ins Töpfchen

Die Zulassungsstelle in Dortmund spielt mal wieder Schicksal für Deutschlands Studenten

Bisher war es meist die ZVS, die den Zugang zum Traumfach reglementiert hat. Doch immer mehr Unis ziehen angesichts der Bewerberflut die Notbremse und richten interne Zulassungsbeschränkungen ein.

Saarbrücken. Am 15. Juli war Einsendeschluss, nun bangen in Deutschland wieder Tausende von Studienanfängern, was die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) für sie bereit hält. Klappt es mit Medizin? Wenn ja, wo denn? Kein Wunder, dass auch Eltern hier nicht unbeteiligt bleiben, denn für sie geht es um viel Geld. Bleibt die Tochter in der Nähe, oder muss man sich in Greifswald oder in Bayreuth um eine Wohnung kümmern und tiefer in die Tasche greifen?

Doch die ZVS, die im Frühjahr 30 Jahre alt wurde, ist längst keine heilige Kuh mehr. Schon seit geraumer Zeit wird Kritik an ihr laut, auch aus dem Saarland. Kultusminister Schreier hält das Konzept der ZVS nicht mehr für zeitgemäß, wie er gegenüber unserer Zeitung sagte. Überhaupt sehen konservative Bildungspolitiker in ihr ein planwirtschaftliches Ungetüm aus vergangenen Tagen. Die Studienplatzbewerber selbst sind oft wenig begeistert über die Hürde, die die ZVS bedeutet. Sieben Fächer sind bundesweit zulassungsbeschränkt und erfordern eine Bewerbung in Dortmund: Betriebswirtschaft, Biologie, Medizin, Tier- und Zahnmedizin, Pharmazie und Psychologie. Der Schluss, alle anderen Studiengänge könnten frei belegt werden, ist aber falsch. Hochschulen können beim Land auch örtliche Zulassungsbeschränkungen beantragen – und machen von dieser Möglichkeit inzwischen verstärkt Gebrauch. Dazu gehört an der Saar-Uni beispielsweise die Bioinformatik, die nur zwischen 70 und 80 Bewerber aufnimmt.

Oder das beliebte Fach Informationswissenschaft an der Saar-Uni, das sich ohne eine interne Zulassungsbeschränkung kaum noch vor Studenten retten könnte. In Niedersachsen liegt der Anteil der örtlich zulassungsbeschränkten Studiengänge sogar bei knapp 50 Prozent, so die Koordinationsstelle für die Studienberatung in Hannover.

Die Hauptstadt lockt alle an

Die drei Universitäten Berlins kommen gar auf bis zu 93 Prozent. Auch sie zogen die Notbremse angesichts der Bewerberflut, die in die Hauptstadt strömt. Oftmals eben nicht wegen des Fachs, sondern wegen der Attraktivität Berlins. Doch mit der ZVS hat diese örtliche Beschränkung nichts zu tun. Denn bevor ein Fach in die Obhut der ZVS gegeben wird, muss eine Dreiviertel-Mehrheit der Länder im Verwaltungsausschuss zustimmen.

Derzeit bläst der Wind aus der umgekehrten Richtung. So wurde der ZVS die Zuständigkeit für Jura abgenommen, obwohl nun weit mehr als die Hälfte der Hochschulen zu örtlichen Zulassungsbeschränkungen greifen müssen. An der Saar-Uni ging es im vergangenen Jahr ganz knapp aus: Es gab genauso viele Plätze wie Bewerber. Was nur örtlich geregelt wird, bleibt jedoch meist unter der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle. Bewerber tun sich schwer, Informationen zusammenzutragen. Angaben über Zulassungsbeschränkungen gibt es zwar in der Kurs-Datenbank der Arbeitsämter und im Internet unter http:// www.hochschulkompass.de. Wie das Auswahlverfahren genau aussieht, bleibt oftmals aber im Dunkeln. „Die Regelungen in den meisten Ländern sind von der ZVS abgeleitet“, sagt die Sprecherin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Bonn, Susanne Schilden. Zu Hilfe genommen wird auch hier ein komplexer Verteilungsschlüssel mit Quoten für Notenbeste, Warteliste, Ausländer, Zweitstudenten, beruflich Vorgebildete und Härtefälle. Auswahlgespräche werden zum Beispiel an der Uni Jena nicht geführt.

„Das sieht das Landesrecht noch nicht vor“, sagt Sprecher Michael Hinz. Baden-Württemberg ist weiter: Seit Anfang 2003 können die Hochschulen sich bei örtlichen Zulassungsbeschränkungen 90 Prozent der Bewerber nach eigenen Kriterien aussuchen. „Dabei kommt ihnen ein großer Gestaltungsspielraum zu“, sagt Andrea Melcher vom Wissenschaftsministerium in Stuttgart. „Die Abiturnote soll nicht den alleinigen Ausschlag geben.“ Dieser Meinung ist man auch im Fach Bioinformatik an der Saar-Uni, wo man zuvor auch mit den Bewerbern spricht. Intensiv wird die neue Freiheit von der Universität Heidelberg genutzt. Im vergangenen Jahr ließ man dort sogar 16 Psychologen eines privaten Instituts aus München an der Juristenauswahl teilnehmen, ein Aufwand, der aus finanziellen Gründen wieder aufgegeben wurde. Deswegen hat der Rektor die Forderung erhoben, Bewerber an den Kosten für das Verfahren zu beteiligen. „Wir denken an 50 Euro“, so Sprecher Michael Schwarz. „Rein rechnerisch müssten es 127 Euro sein.“ Eine gezieltere Auswahl gilt bei der Landesregierung in Stuttgart als Gewähr gegen unmotivierte Studenten und hohe Abbrecherquoten.

Aus dem gleichen Grund ist auch die Studienplatzvergabe durch die ZVS in den bundesweit beschränkten Fächern vielen Reformern ein Dorn im Auge. Zwei Modelle, wie mehr Auswahl möglich werden soll, sind derzeit in Deutschland noch in der Diskussion.

Mehrarbeit für die Unis

Beim ersten Modell, das von den meisten Ländern bevorzugt wird, können sich die Hochschulen bis zu 50 Prozent der Bewerber selbst aussuchen. Die ZVS vergibt dann die restlichen Studienplätze nach Notendurchschnitt und Warteliste. Beim zweiten Modell gebührt den so genannten Abiturbesten der erste Zugriff. Eines steht jetzt schon fest: Für Bewerber bringt die Dezentralisierung erhebliche Mehrarbeit mit sich. ,,Ich weiß nicht, wie das ohne allzu großen Verwaltungaufwand geregelt werden soll“, so Uni-Präsidentin Margret Wintermantel.

Als Psychologin misstraut sie ohnehin den empfohlenen Auswahlgesprächen: ,,Die sind selten objektiv. Da spielt jeder seine Rolle und man sucht nach Ähnlichkeiten. Ob die ausgewählten Kandidaten dann wirklich die geeigneten sind, ist die Frage.“ MAA/TOBIAS WIETHOFF

 

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