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Studium Informationswissenschaft

Virtuelles Handbuch Informationswissenschaft

7. Der Gegenstand der Informationswissenschaft

Management-Informationssysteme

Universität des Saarlandes
Fachbereich 5.6 Informationswissenschaft
Übung zur Vorlesung Informationswissenschaftliche Methoden (UIM2)
Dozentin: Frau Dr. Harms
SS 1995

Werner Schweibenz

Hausarbeit als Proseminararbeit
  1. Einführung
  2. Die Entscheidungsfindung
  3. Zum Begriff und zur Entwicklung von MIS
  4. Möglichkeiten und Grenzen der Entscheidungsunterstützung
  5. Regeln zur MIS-Auswahl
  6. MIS und Künstliche Intelligenz
  7. Zusammenfassung
  8. Literaturverzeichnis
Überblick über Stand und Entwicklung seit den 70er Jahren

1. Einführung

Unsere Gesellschaft entwickelt sich von der Dienstleistungsgesellschaft zur Informationsgesellschaft. Diese Entwicklung ist zum einen dadurch gekennzeichnet, daß immer mehr Menschen im Arbeitsprozeß mit dem Beschaffen und Verwalten von Informationen befaßt sind und zum anderen, daß Informationen immer umfassender und schneller verfügbar werden.

„Wir leben in einer informationsbasierten Gesellschaft, in der inzwischen mehr als 50% der gesamten Arbeitskräfte für Beschaffung, Verarbeitung und Verteilung von Informationen tätig sind.“ (Herget 1995, S. 26).

Diese Entwicklung wirkt sich natürlich auch auf Unternehmen aus. Das Informationsmanagement in diesen Organisationen steht vor einer grundlegenden Neuorientierung. Information ist zu einem überlebensnotwendiges Betriebskapital geworden, gleichzeitig drohen die Verantwortlichen in der Informationsflut zu ertrinken:

„Fortschritte in den Bereichen Telekommunikation, Medien, Computer- und Softwaretechnik, einhergehend mit zunehmender Integration, ermöglichen es heute prinzipiell, in Sekundenschnelle auf Informationen zurückzugreifen, deren Beschaffung früher Tage oder Wochen dauerte, soweit die Informationen überhaupt zugänglich waren. Der schnelle Zugriff auf eine Vielzahl von Informationen ist aber auch mit eine Ursache für die sich immer rasanter ändernde und komplexer werdende Umwelt. Gleichzeitig wirkt sich das turbulente Umfeld auf die Prozesse der Aufgabenerledigung in Verwaltungen und Unternehmen mit der Folge eines gestiegenen Informationsbedarfs aus.“ (Herget 1995, S. 26)

Die schnelle Verfügbarkeit von Informationen ist für das Unternehmen lebenswichtig geworden. Information ist ein Produktionsfaktor geworden, der über die Wettbewerbsfähigkeit entscheidet:

„Unternehmensweite Informationsverarbeitung ist für das Unternehmen zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden. Sowohl die grundsätzliche Gestaltung unternehmensweiter Informationssysteme als auch der innere Bau einzelner Komponenten dieser Informationssysteme sind von strategischer Bedeutung.“ (Bullinger/Fähnrich 1992, S. 62)

Dieser Bedarf an Informationen äußert sich naturgemäß besonders dort, wo Entscheidungen getroffen werden müssen, nämlich im Management. Dort wird eine besondere Form der Entscheidungsunterstützung gebraucht, ein Informationssystem, das Grundlage für Entscheidungen sein kann:

„Nur wer die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort hat, kann auch Entscheidungen im Sinn eines Marktvorteils treffen. Die Information ist zum Produktionsfaktor geworden. Und hieraus gegründet sich der Ruf nach einem System, das Entscheidungsgrundlagen bietet und zwar einfach, schnell und aktuell – dem Executive-Information-System.“ (Kaske 1992 S. 46)

Die Vision von William H. Gates „Information At Your Fingertips“ gilt also auch für Manager.

In dieser Hausarbeit werde ich einen Überblick geben über die Entwickung und den Stand von Management-Informationssystemen (MIS).

2. Die Entscheidungsfindung

2.1 Entscheidungsprozeß und Entscheidungsorganisation

Entscheidung definiere ich in Anlehnung an Steinmüller als eine Auswahl aus mehreren möglichen Alternativen. Diese wird getroffen aufgrund von Informationen. Das heißt, daß Entscheidung das Ergebnis von Informationsverarbeitung ist. Steinmüller (1993, S. 246) betrachtet den Entscheidungsprozeß aus der Sicht der angewandten Informatik. Für ihn ist der Entscheidungsprozeß ein Bündel speziell strukturierter Informationsprozesse. Dabei geht er von der vereinfachten Annahme aus, daß Entscheidungen dann auftreten, wenn nicht klar ist, wie es weitergehen soll, und daß es nur rationale Entscheidungen gibt.

Von einem ähnlichen Standpunkt geht Behme aus (1992, S. 179). Der Entscheidungsprozeß ist für ihn ein Prozeß der Willensbildung. Mit Hilfe von Informationen wird versucht, ein Problem möglichst gut zu strukturieren, indem es in Teilphasen zerlegt wird, und es durch die Anwendung von Entscheidungsregeln und Hinzuziehen von Informationen handhabbar zu machen. Dieser Prozeß kann von einem Management-Informationssystem unterstützt werden:

„Nur wenn jede der Teilphasen genügend strukturiert werden kann, spricht man von strukturierten Entscheidungen. Lassen sich einige Phasen nicht strukturieren, liegen semi- oder halbstrukturierte Entscheidungssituationen vor. Gerade diese Klasse ist das typische Einsatzfeld für Entscheidungsunterstützungssysteme, denn man versucht, die Leistungsfähigkeit des Computers bei der Lösung von wohl-strukturierten Problemen mit der Urteilsfähigkeit des Menschen bei der Behandlung schlecht strukturierter Probleme zu kombinieren.“ (Behme 1992, S. 179f)

Das System ergänzt also die Fähigkeiten des Entscheiders. Es unterstützt ihn in auf dem Gebiet der strukturierten Probleme, in dem es schneller und effizienter arbeitet als der Mensch. Die eigentliche Entscheidung verbleibt aber beim Manager. Denn das Entscheiden gehört zu den am meisten entwickelten kognitiven Fähigkeiten des Menschen:

„to emphasize the point that decision making is one of the essential tasks that mankind must deal with on every level and at all times, and that human abilities in this task are among our most impressive cognitive strengths, and in fact are comparable in importance to every other aspect of human intelligence.“ (Radermacher 1994, S. 257)

Trotz dieser menschlichen kognitiven Fähigkeiten können die Massen von Informationen nicht mehr ohne technische Unterstützung verarbeitet werden. Vor allem Manager, deren Entscheidungen für das Unternehmen von besonderer Bedeutung sind, brauchen die Unterstützung eines Systems, das sie umfassend mit Informationen versorgt, ein ManagementInformationsystem, kurz MIS.

2.2 Aufgabe des Managements und des Management-Informationssystems bei der Entscheidungsfindung

Vossbein (Vossbein 1990, S. 118) hat herausgefunden, daß die Top-Führungskraft in ihren Aufgaben einen hohen Anteil nicht strukturierbarer Führungsaufgaben hat. Zu diesen nicht oder schlecht strukturierbaren Führungsaufgaben gehören:

  • strategische Aufgaben
  • Planungsaufgaben
  • Entscheidungsaufgaben
  • Kontrollaufgaben
  • Personalführung sowie
  • Kommunikationsaufgaben.

Diese Aufgaben können in verschiedener Intensität von Computern unterstützt werden. Die Unterstützung ist, wie im Abschnitt 2.1 ausgeführt, in Bereichen mit hoher Strukturierung hoch und in Bereichen mit niederer Strukturierung gering (Schema aus Vossbein 1990, S. 119):

Computerunterstützung von Führungsaufgaben

 
Computerunterstützung                    Werkzeuge 
                      hoch mittel gering 
 
 
Strategische Aufgaben                X    Expertensysteme 
Planungsaufgaben        X     X           Spreadsheets 
Entscheidungsaufgaben         X           Abfragesysteme 
Kontrollaufgaben        X                 Verfolgungssysteme 
Kommunikationsaufgaben        X           Vernetzung 
Personalführungsaufgaben      X           Abfrage- und 
                                          Kontrollsyteme 
 

Der Vorteil des Computers liegt in schneller und aktueller Information über relevente Tatbestände und der Unterstützung durch Simulation von Alternativen (Vossbein 1990, S. 120). Dadurch soll die Effektivität des Managers gesteigert werden. Eine Rationalisierung des Arbeitsablaufs ist nicht beabsichtigt, da dies wegen der schlechten Strukturierung der Aufgaben kaum möglich ist. Zu dem selben Schluß kommt auch Behme:

„Primäres Ziel beim Einsatz dieser Systeme ist nicht die Verbesserung der Effizienz, sondern die Erhöhung der Effektivität. Eine erhöhte Effizienz drückt sich in der Rationalisierung (Steigerung der Performance, hohe Auslastung der Maschinen etc.) fest vorgegebener Abläufe aus. Effektivität beinhaltet dagegen des Infragestellen festgelegter Abläufe auf Relevanz und Nutzen.“ (Behme 1992, S. 180)

Ein Entscheidungsunterstützungssystem für Manager macht den Manager nicht überflüssig, sondern erleichtert ihm die Aufgabenerfüllung. Es übernimmt strukturierte, planbare Aufgaben und entlastet so den Manager, der sich mit unstrukturierten, nicht für das MIS geeigneten Aufgaben auseinandersetzt.

Was man sich unter Management-Informationssystemen vorstellen kann und wie ihre Entwicklung verlief, folgt im Abschnitt 3.

3. Zum Begriff und zur Entwicklung von Management-Informationssystem

3.1 Management-Informationssystem als Begriff

Der Begriff Management-Informationssystem ist nicht eindeutig und wird in der Literatur oft mit anderen Begriffen umschrieben. „MIS, EIS, CIS – Babylon ist mitten unter uns“ titelt Kaske ihren Artikel (Kaske, 1992) und weist damit auf die begriffliche Vielfalt hin. Alle Begriffe stehen im Grunde für dasselbe. Es sind die Bezeichnungen für computerunterstützte Informations- und Entscheidungssysteme für das Management:

„Der Entwicklung von Entscheidungsunterstützungssystemen liegt die Idee zugrunde, reale Problemlösungsprozesse im Rahmen einer effektiven Managementarbeit zu unterstützen.“ (Behme 1992, S. 197)

Neben dem Begriff Management-Informationssystem finden sich die Bezeichnungen Computer Information System (CIS), Entscheidungsunterstützungssystem (EUS), Decision Support System (DSS), Management Support System (MSS), Executive Support Systems (ESS) Führungsinformationssystem (FIS) und Executive Information System (EIS).

Im Gebrauch der Begriffe läßt sich eine gewisse Strukurierung feststellen. Mit CIS, EUS und DSS werden Systeme bezeichnet, die nur eine begrenzte Entscheidungsunterstützung bieten und Insellösungen bilden, d.h. nicht unternehmensweit auf Daten zugreifen können:

„DSS sind demnach entscheidungsunterstützende Systeme, die auf begrenzte Aufgaben(klassen) bzw. Entscheidungen (Entscheidungsklassen) zugeschnitten sind und per se zwangsläufig Insellösungen bilden.“ (Heilmann 1987, S. 11f)

Diese Insellösungen werden lokal eingesetzt, meist auf hierarchisch niederer Ebene. Erst auf hierarchisch höherer Ebene werden sie verbunden, so daß der Manager Zugriff auf alle Daten hat und bei allen Aufgaben unterstützt wird:

„In einem übergreifenden Ansatz werden als Executive-Support-System (ESS) arbeitsplatzbezogende Kombinationen von DSS, die mehrere (alle) Aufgabenund Entscheidungsklassen eines Managers unterstützen, bezeichnet. Die nächsthöhere Ebene bilden Management-Support-Systeme (MSS), die alle Einsatzmöglichkeiten von Informations- und Kommunikatonstechnologie für Manager umfassen […] Managment-Support-Systeme schließen also alle tieferliegenden Bausteine der Computerunterstützung für das Management […] mit ein“. (Heilmann 1987, S. 12)

Diese hierarchische Einteilung ist, abgesehen von der begrifflichen Bezeichnung für die einzelnen Ebenen, in der Literatur verbreitet. Ihr schließt sich auch Behme an (Behme 1992, S. 180), wobei er die mittlere Stufe, die ESS ausläßt und nur zwischen DSS und ESS unterscheidet. Für ihn ist der Einsatz eines EUS auf einen engen Rahmen beschränkt und der Ablauf kann auch noch manuelle Teilschritte enthalten. Erst mehrere kombinierte DSS, die er mit EUS bezeichnet, bilden ein MSS.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß in der Literatur ein MIS aus mindestens zwei Ebenen besteht, einer niederen hierarchischen Ebenen mit DSS und einer höheren hierarchischen Ebene mit MSS. Dies entspricht den organisatorischen Ebenen der Zuarbeiter und der Entscheider.

3.2 Überblick über die Entwicklung von den 70er Jahren bis heute

In den 70er Jahren wurde der Versuch unternommen, Management-Informationssysteme als total integrierte Systeme für das gesamte Unternehmen einzuführen und sämtliche Führungsebenen des Unternehmens mit Informationen versorgen.

„Dieser Versuch war sowohl wegen des Fehlens leistungsfähiger Datenbanksysteme als auch wegen des instabilen Charakters der Organisationsstrukturen zum Scheitern verurteilt. Seitdem ist der Begriff MIS negativ besetzt.“ (Behme 1992, S. 179)

Dies hatte einen Namenswechsel zur Folge. Statt MIS sprach man fortan von Entscheidungsunterstützungssystemen bzw. Decision Support Systemen. In dieser Arbeit, wird jedoch weiterhin, wie im allgemeinen Sprachgebrauch üblich, von MIS gesprochen. Die Versuche mit computerunterstützten Entscheidungssystemen in den 80er Jahren verliefen ebenfalls enttäuschend:

„[…] vielen IT-Verantwortlichen ist das Kürzel MIS (Management-Information-System) nach wie vor ein Dorn im Auge. Zu groß waren die Enttäuschungen in den 80er Jahren, denn weder Mainframegestützte Anwendungen noch die auf relationalen Datenbanken basierenden Client/Server-Architekturen waren dazu in der Lage, die in sie diesbezüglich gesetzten Erwartungen zu erfüllen.“ (Schmelz 1995, S. 72)

In den 90er Jahren sind MIS wieder im Kommen. Die Gründe dafür sind nach Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) Fortschritte in Hardund Software und ein neues Führungsverständnis. Auf der Hard- und Software-Seite ist die Bedienung benutzerfreundlicher geworden durch graphische Benutzeroberflächen und einheitliche Benutzerführung. Das neues Führungsverständnis sieht in der Informationstechnik ein Werkzeug zur Unterstützung strategischer Konzepte und flexiblerer Reaktion (Koll/Engstler, 1994, S. 41f).

Entsprechend der neuen Gegebenheiten haben Koll/Engstler eine FIS-Pyramide (FIS = Führungs-Informations-System) entworfen, die zeigt, wie die Gestaltung eines MIS aussehen sollte (Seite 6). Wichtig ist die Einziehung der Produktionsbereiche (hier betriebliche Funktionsbereiche genannt) und der Abrechnungssysteme, um die grundlegenden betriebswirtschaftichen Daten verfügbar zu haben. Diese können auf mittlerer Managementebene kontrolliert und gesteuert werden (Berichts- ,Steuerungs- und Kontrollsysteme). Entsprechend der Berichte können die mittel- und langfristige Unternehmensplanung ausgerichtet werden bzw. die Produktionsdaten können in die Unternehmensplanung eingepaßt werden. Entscheident ist die Durchgängigkeit der Hierarchien für Informationen. Wo genau in diesem MIS das FIS anfängt ist wohl eine Grundsatzfrage ohne entscheidenen Bedeutung für die Praxis.

4. Möglichkeiten und Grenzen der Entscheidungsunterstützung

Wie bereits im Abschnitt 3 ausgeführt, stehen MSS, EIS und ESS auf einer höheren Hierarchiestufe als DSS und können alle Arten von Entscheidungsprozessen unterstützen. Zu diesem Zweck ist es notwendig, daß sie auf die unteren Ebenen der Unternehmenshierarchie zugreifen und sich die notwendigen Informationen verschaffen können. Connell sieht hierin den praktischen Nutzen, da Informationen im MIS schnell verfügbar und weiterverarbeitbar sind, auch wenn mehrere hierarchische Ebenen dazwischen liegen (O’Connell 1988, S. 478). Die Verbindung der hierarchischen Ebenen ist also ein Kernproblem des MIS. Folglich sehen Krallmann/Rieger (1987, S. 35) in den möglichen Formen der DSS-Integration den entscheidenden Punkt. Die Zusammenführung der dezentralen DSS zu MSS ist abhängig von der Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens: es muß also in horizontaler und vertikaler Hinsicht eine Integration stattfinden. Die horizontale Integration führt DSS auf jeweils der gleichen hierarchischen Unternehmensebene zusammen und verkettet sie. Die vertikale Integration verknüpft über verschiedene Hierarchiestufen von Unternehmen hinweg DSS zu Steuerungs- und Kontrollzwecken. Gleichzeit stellen sie fest:

„Die lineare Verkettung von unterschiedlichen oder gleichartigen DSS in horizontaler und vertikaler Richtung auf der Basis eigenständiger Modelle oder Modellinstanzen ist nur solange ausreichend, wie der Informationsfluß nur in einer Richtung verläuft.“ (Krallmann/Rieger 1987 S. 35)

Solange also Informationen nur von unten nach oben fließen, ist der Kommunikatonsweg nicht problematisch. Dagegen ist ein wechselseitiger Austausch von Informationen über die Hierarchieebenen schwierig. Ein einseitiger Informationsfluß im MIS kann jedoch nicht im Interesse des Unternehmens sein, da die neuen Führungsmodelle vom informierten Mitarbeiter ausgehen. Andererseits ist fraglich, ob der Zugang zu Informationen für alle denkbar und wünschbar ist:

„Die Einführung eines EIS führt dazu, daß Informationen transparenter werden. Dabei ist nicht mehr für jeden einzelnen so ohne weiteres ersichtlich, wer in Zukunft Informationen von ihm sieht. Oder er weiß es und möchte es nicht. […] Wenn EIS für alle Ebenen, die Entscheidungen vorbeteiten oder treffen, ist es dann für alle Ebenen das gleiche EIS?“ (Kaske, 1992, S. 47)

Eine Organisation in der jeder Zugang zu den Informationen hat, die er braucht, ist also auch ein Problem des Herrschaftswissens. Wissen darf nicht mehr genutzt werden, um sich einen Vorsprung vor seinen Mitarbeitern zu verschaffen und unersetzbar zu sein. Manager und Mitarbeiter sollen gleichberechtigt auf relevante Informtionen zugreifen können.

Ein Nebenprodukt der Informationsgesellschaft ist die Informationsflut. Durch die Einführung von Informations- und Kommunikationstechnik hat die Anzahl der zur Verfügung stehenden Informationen gewaltig zugenommen. Oft ist aber nur ein Teil der eingehenden Nachrichten wirklich Information für die Manager. Ein Großteil ist schon bekannt oder nicht relevant, also keine Information. Ein MIS wird oft als Rettung vor dieser Informationsüberflutung angesehen. Es soll die beim Manager eingehenden Informationen filtern und ordnen. Dabei birgt es jedoch auch Gefahren:

„Wir wehren uns dagegen (gegen die Informationsflut Anmerkung des Verfassers), indem wir immer stärker filtern. Doch was gibt uns die Gewähr, daß wir die wirklich wichtigen Dinge nicht übersehen? Auch ein EIS kann keine Garantie dafür geben, ab es kann einen strukturierten und gezielten Filterprozeß einleiten. Die Information wird so aufbereitet, daß sich der Nutzer ahhand bestimmter Signale auf das konzentrieren kann, was sein Eingreifen erfordert. Die Flut ist kanalisert und kann in genießbaren Portionen abgeholt werden. Die Information wird entscheidungsrelevant aufbereitet, somit kann der Nutzer sich mit der Interpretation beschäftigen, Schlüsse daraus ziehen und Maßnahmen ergreifen.“ (Kaske 1992, S. 48)

Es besteht auch die Gefahr, daß sich Manager in ihrer virtuellen Informationswelt, die sie sich aufgrund der gebotenen Informationen aufbauen, verstricken. Sie verwenden das, was ihnen das System zur Verfügung stellt, ohne es zu reflektieren oder durch Informationen von außen zu ergänzen und zu überpfüfen. Dies führt zu Computergläubigkeit und Verlust von eigenem Nachdenken und Kreativität:

„Die Gefahr einer Computergläubigkeit ist schon seit langem bekannt und diskutiert worden. Durch die Insturmente der Bürokommunikation besteht die Möglichkeit, daß dieser Trend noch verstärkt wird: Die Führungskraft greift auf ‚eigene‘ Datenbanken, Informationsfelder und Modelle zurück und versucht nicht mehr, persönliche Kreativität in Lösungen zu investieren und außerhalb des vorgegebenen Systems (systembegrenzte Suche) Informationen und Lösungen zu suchen.“ (Vossbein 1990, S. 120)

Bullinger/Fähnrich (1992 S. 64) weisen ausdrücklich daraufhin, daß MIS trotz technischer Fortschritte aus sich selbst heraus keinen Nutzen stiften. Erst die sinnvolle Einbindung in den Geschäftsprozeß und die Anpassung institutionaliserter Führungstrukturen sowie stärkere Einbindung der Mitarbieter in den Entscheidungsprozeß lassen den Einsatz von MIS sinnvoll erscheinen. Natürlich ist auch auf den technischen Aspekt, der Integration der einzelnen Rechnerebenen, besonderes Augenmerk zu legen. Deshalb ist die Auswahl eines MIS mit besonderer Sorgfalt durchzuführen.

5. Regeln zur MIS-Auswahl

Friedrich/Koll weisen darauf hin, daß sehr verschiedene Arten von Computerunterstützung unter der Bezeichnung MIS firmieren:

„Das Spektrum der unter dem Schlagwort ‚MIS‘ firmierenden Anwendungslösungen, Systeme und Entwicklungswerkzeuge liegt zwischen den Polen eines Standard-Berichtsgenerators und eines Planungs- und Simulationswerkzeuges.“ (Friedrich/Koll 1993, S. 40)

Bei der MIS-Auswahl sind folgende Bewertungskriterien zu berücksichtigen:

  • Architekturmodell: ist die Datenverwaltung file- oder datenbankorientiert? Dies hat Auswirkungen auf die Zugriffsgeschwindigkeit und Indexierung.
  • Schnittstellen: sind Schnittstellen zu vor- und nachgelagerten Systemen vorhanden? Ist Datenaufnahme (up-load) in das MIS und Datenübergabe (down-load) aus dem MIS möglich? Dies ist entscheidend für die Weitergabe und Weiterverarbeitung der Daten.
  • Bedienerfreundlichkeit: ist das Erkennen und Formulieren von Problemen einheitlich und übersichtlich, eine Erweiterung der programmierten Rahmenlösung möglich? Dies erlaubt individuelle Anpassungen auf die aktuelle Problemfragestellung.

Für Friedrich/Koll lautet die Kernfrage einer jeden MIS-Implementiertung:

„Wie ist es um die gesicherte Durchgängigkeit der sich in der MIS-Kette befindlichen Informationsträger und -verarbeitungssysteme gestellt? Angefangen bei den entsprechenden transaktionsorientierten Vorsystemen zur primären Dateneingabe, den eventuell einzusetzenden Hostrechnern, den Netzservern sowie den Arbeitsplatzrechnern und Workstations.“ (Friedrich/Koll 1993,S.40)

Dies ist vorrangig ein technisches Problem, da die verschiedenen Komponenten eines MIS auf verschiedenen technischen Lösungen aufbauen. Die folgende Grafik von Friedrich/Koll zeigt die technische Umgebung des MIS mit den verschiedenen Komponenten, die zusammengeführt werden müssen. Die technischen Komponenten reichen von PC-Systemen über Client-Serverzu Großrechner-(HOST)-Architekturen, die jeweils verschiedene Betriebssysteme und Benutzeroberflächen haben.

Wie diese Graphik zeigt, besteht ein MIS aus verschiedenen Komponenten mit verschiedenen Rechnerarchitekturen und Betriebssystemen. Nur wenn die Durchgängigkeit und Weiterverarbeitbarkeit von Informationen innerhalb des Gesamtkomplexes Unternehmen gesichert ist, ist das MIS praxistauglich. Dazu gehört die Integration der einzelnen technischen Ebenen von der Datenerfassung bis zur Auswertung im MIS. Nur dann können die Daten durch die Datenverarbeitungslandschaft des Unternehmens transportiert werden und stehen den Entscheidern bei Bedarf zur Verfügung.

6. Management-Informationssysteme und Künstliche Intelligenz

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt stehen MIS noch unterhalb der Schwelle zum Expertensystem. Schneider (1986, S. 219) definiert ein Expertensystem als ein Computersystem, das auf einem speziellen Wissensgebiet die Kompetenz eines menschlichen Experten hat und als Problemlösungssystem eingesetzt wird. Es muß Anfragen präzisieren und umgestalten können und verständliche Antworten generieren. Außerdem steigert es in diesem Prozeß sein eigenes Wissen bzw. erwirbt Wissen. Die gegenwärtigen MIS sind noch keine Expertensysteme. Sie können bei der Entscheidungsfindung helfen, aber noch keine Lösungswege aufzeigen, wie es von Expertensystemen erwartet wird. Radermacher bringt es auf den Punkt, wenn er sagt:

„Up to now, support has mainly concentrated on a low cognitive level. For example, support often takes the simple form of manipulation of data, with storage and retrieval, consistency checking, small calculations, updating processes, and so forth. Much less support has been given to the tough issues in decision making, namely, the use of the right kind of framing, (n.p.) dealing with tradeoffs in preferences, uncertain data, different kinds of feedback, aspects of game theory and so forth. Similarly, the problem of finding hidden information in huge data sets has not yet been solved.“ (Radermacher 1994, S. 258)

Der gegenwärtige Stand der Technik läßt also noch keine Unterstützung auf hohem kognitiven Niveau zu. Dies wird erst druch den Einsatz von Systemen mit künstlicher Intelligenz möglich sein. Auf diese wird auch die Hoffnung für die Weiterentwicklung zu einem Expertensystem gesetzt, denn bis jetzt ist ein MIS nicht mehr als

“ a set of tools that support (1) the storage, manipulation and access of data, (2) the process of fitting this data into formal models, and (3) a set of methods and algorithms used to ’solve‘ models in order to reach some decisons. These three types of support are provided by DSS components and respectively correspond to Simons’s decision-making phases of intelligence, design, and choice. (Anmerkung des Autors: Simon, H.: The New Science of Management Decison. New York 1960.)“ (Angehrn/Jelassi 1994, S. 269)

Bisher hat ein MIS also nur zuarbeitende Funktion. Es übernimmt bestimmte Aufgaben wie Datenverwaltung, Datenanpassung an Modelle und Rechenmethoden zur Problemlösung. Es entlastet den Manager, kann aber noch keine Entscheidungshilfen im Sinne eines Expertensystems geben. Erst durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird man aus dem zuarbeitenden MIS ein Expertensystem machen können

7. Zusammenfassung

Die MIS-Entwicklung begann in den 70er Jahren, scheiterte jedoch an den unzulänglichen Hard- und Software-Voraussetzungen. Durch die verbesserten technischen Voraussetzungen erleben MIS in den 90er Jahren eine Renaissance.

Gegenwärtig können MIS Manager unterstützen, indem sie ihnen gefilterte, konzentrierte und aufbereitete Informationen innerhalb von kürzester Zeit zur Verfügung stellen. Diese Unterstützung bezieht sich jedoch ausschließlich auf gut strukturierte Daten und Prozesse, die in feste logische Formen gebracht werden können. Schlecht strukturierte Aufgaben können zur Zeit noch nicht von MIS unterstützt werden.

In der Literatur werden die verschiedensten Bezeichnungen für MIS verwendet: Computer Information System (CIS), Entscheidungsunterstützungssystem (EUS), Decision Support System (DSS) auf hierarchisch niederen Ebenen und Management Support System (MSS), Executive Support Systems (ESS) Führungsinformationssystem (FIS) und Executive Information System (EIS) auf hierarchisch höherer Ebene. Die einzelnen Begriffe werden jedoch oft für das gesamte MIS verwendet. Verbreitet ist aber die Auffassung, daß MIS immer aus mehreren Komponenten bestehen, wobei die Unterscheidung der einzelnen Komponenten begrifflich nicht immer sauber ist.

MIS bestehen mindestens aus zwei Ebenen: auf hierarchisch niederer Ebene bestehen sie aus DSS, die lokale Lösungen sind. Diese DSS werden verbunden zu MSS, die auf hierarchisch höherer Ebene angesiedelt sind. Dadurch ist ein durchgehender Informationsfluß von den unteren Hierarchieebenen zur höchsten Hierarchieebene, der Entscheidungsebene, gegeben. Die Integration der einzelnen Ebenen ist der entscheidende Punkt, nur wenn sie funktioniert, funktioniert auch der Informationssfluß. Damit ist das MIS abhängig von den technischen Gegebenheiten (Rechner-Architektur: Großrechner, Client-Server-Architekturen, PC-Netze) und von der Organisationsstruktur im Unternehmen.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können MIS nur Unterstützung auf einem relativ niederen kognitiven Level leisten. Sie übernehmen gewissermaßen Zuarbeiterfunktion. Die Fähigkeit, zu eigenen Entscheidungen fehlt ihnen jedoch. Um die MIS zu Expertensystemen weiterentwickeln zu können, hofft man auf Ergebnisse aus der Künstlichen-Intelligenz-Forschung.

8. Literaturverzeichnis

  • Angehrn, Albert A./Jelassi, Tawfik: DSS research and practice in perspective. In: Decision Support Systems 12(1994), S. 267-275.
  • Behme, Wolfgang: ZP-Stichwort: Entscheidungsunterstützungssysteme. In: Zeitschrift für lanung 2/1992, S. 179 – 184.
  • Bullinger, Hans-Jörg/Fähnrich, Klaus-Peter: Informationsarchtekturen im Unternehmen als strategische Herausforderung für das Management. In: Office Management 11/1992, S. 62 – 64.
  • O’Connell, Sandra E.: Human Communication in the High Tech Office. In: Goldhaber, Gerald M./Barnett, George A.(Hrsg):Handbook of Organizational Communication. Norwood, New Jersey 1988, S. 473-482
  • Friedrich, Rainer/Koll, Peter: MIS: Regeln zur Auswahl. In: Online 1/1993, S. 40 – 41.
  • Grote, Gundula: Auswirkungen elektronischer Kommunikation auf Führungsprozesse. In: Zeitschrift für Arbits- und Organisationspsychologie (1994) 38/2, S. 71 – 75.
  • Heilmann, Heidi: Computerunterstützung für das Management – Entwicklung und Überblick. In: HMD138/1987, S. 3 – 17.
  • Herget, Josef: Das betriebliche Informationsmanagement vor einer Neuorientierung – Perspektiven und Konsequenzen. In: NfD 46 (1995), S. 25 – 32.
  • Kaske, Silvia: MIS, EIS, CIS – Babylon ist mitten unter uns. In: Office Management 11/1992, S. 46 – 48.
  • Koll, Peter/Engstler,Martin: Führungsinformationssysteme. In: Online 6/1994, S. 41 – 42.
  • Krallmann, Hermann/Rieger, Bodo: Vom Decision Support System (DDS) zum Exekutive Support System (ESS). In: HMD 138/1987, S. 28 – 38.
  • Radermacher, Franz-Josef: Decision support systems – Scope and potential. In: Decision Support Systems 12(1994), S. 257 – 265.
  • Schmelz, Jürgen: BusinessObjects: Schaufenster zum Data Warehouse. In: IT Management 03/04 1995, S. 72 – 74.
  • Schneider, Hans Joachim: Lexikon der Informatik und Datenverarbeitung. München 1986
  • Steinmüller, Wilhelm: Informationstechnologie und Gesellschaft: Einführung in die Angewandte Informatik. Darmstadt, 1993
  • Vossbein, Reinhard: Management der Bürokommunikation: strategische und konzeptionelle Gestaltung von Bürokommunikationssystemen. Braunschweig/Wiesbaden 1990.
 

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