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BuFaTa 1996

Thesen Heinz Marloth

Heinz Marloth

Thesen über die Beziehungen zwischen Informationspolitik, Informationswissenschaft und Informationspraxis

(Saarbrücker Thesen)

Vortrag vor der Bundesfachschaftstagung Information und Dokumentation auf dem Jahrestreffen am 7. Juni 1996 in Saarbrücken

Frankfurt am Main 1996
Privatdruck
© Heinz Marloth 1996
Seehofstraße 15
D-60594 Frankfurt am Main
069 – 61 23 94
E-mail: marloth@t-online.de

Mit freundlicher Genehmigung des Autors im Internet veröffentlicht von Till Kinstler (till@phil.uni-sb.de) für die Fachschaft Informationswissenschaft Saarbrücken.


Heinz Marloth

Thesen über die Beziehungen zwischen Informationspolitik, Informationswissenschaft und Informationspraxis

(Saarbrücker Thesen)

Vortrag vor der Bundesfachschaftstagung Information und Dokumentation auf dem Jahrestreffen am 7. Juni 1996 in Saarbrücken

Frankfurt am Main 1996
Privatdruck
© Heinz Marloth 1996
Seehofstraße 15
D-60594 Frankfurt am Main
069 – 61 23 94
E-mail: marloth@t-online.de

1. Einleitung

2. Diagnostischer Teil: Thesen 1 – 10

Umbruchsituation – Flexible Reaktionen des BMBF – New Look durch StudentInnen – – Hochschulkrise – Mängel in der ABD-Ausbildung – Schlechtes Image der BID-Berufe.

3. Programmatischer Teil: Thesen 11 – 43

Vernetzung – Beobachtung der nationalen und internationalen Entwicklung – Kritische Begleitung des BID-Alltags – "Neuigkeiten" – Ideen-Börse- Sponsoring – Leistungsanreize.

4. Anmerkungen

5. Literatur

6. Anhang

6.1 Zeittafel zur internationalen Entwicklung des Informationswesens nach 1945.

6.2 Inhaltsverzeichnis von "Deutsche Archiv-, Bibliotheks- und Informationsausbildung im Jahre 2000. Notwendige Vorbereitungen auf weitreichende Änderungen".

6.3 Inhaltsverzeichnis von "Aspekte der Professionalisierung des Berufsfeldes Information. Kritik einer Darmstädter Jubiläumsschrift."

6.4 Bibliotheksinterne Kritik am deutschen Bibliothekssystem.

7. Über den Autor

1. Einleitung

Wir leben in einer Zeit, in der im Finanzbereich der Verbrauch an Rotstiften höher ist, als wir uns das wünschen. "Sparen" wird heute mit dem gleichen Eifer propagiert wie in früheren Jahren die freie Liebe. Es besteht die Gefahr, daß im Informationszeitalter die drei Säulen des Informationswesens, Informationspolitik, Informationswissenschaft und Informationspraxis "aneinander vorbei sparen", indem mangels Abstimmung Entwicklungen mit hoher Priorität verzögert oder gar abgebrochen werden. Das hätte vermeidbare negative Effekte. Die Informationspraxis wird nach wie vor erwarten, daß sie sowohl von der Informationspolitik als auch der Informationswissenschaft wirkungsvoll unterstützt wird. Die Informationswissenschaft kann Beiträge hierzu nur leisten, wenn informationswissenschaftliche Forschung und Lehre trotz Einsparungen an Universitäten und Fachhochschulen weiter verbessert werden können. Die Informationspolitik steht in Deutschland vor der schwierigen Aufgabe, das Informationswesen eines Landes zu fördern, das einesteils aus wohlerwogenen Gründen föderalistisch strukturiert ist, sich andererseits aber in einem Wandel befindet, der durch die Sammelbegriffe "Globalisierung" und "Vernetzung" charakterisiert wird, die weit über die nationalen Grenzen und die Grenzen der Europäischen Union hinausreichen. Sie hat es überdies auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene mit Gesprächspartnern zu tun, von denen die einen (in der Informationswirtschaft) progressiv sind und die anderen (zum Beispiel im höheren Dienst des Bibliothekswesens) der Scholastik näher stehen als dem Informationszeitalter.

Um die Diskussion nicht durch Definitionsstreitigkeiten zu belasten, werden im folgenden die drei Grundbegriffe des Informationswesens wie folgt definiert:

Informationspolitik ist die Regelung des Zusammenwirkens von Individuen, Gruppen, Organisationen, Kommunen und Staaten zur Erreichung zuvor festgelegter informationspolitischer Ziele.

Sie wird nach Henrichs eingeteilt in Ordnungspolitik, Strukturpolitik und Förderpolitik [ Henrichs 1983 ].

Ordnungspolitische Elemente wie in den USA durch den Freedom of Information Act und den Government in the Sunshine Act und seine Nachfolger und in Großbritannien durch den Public Libraries Act von 1850 (!) und seine Nachfolger gibt es in Deutschland nicht.

Strukturpolitik betreiben der Bund und alle Bundesländer im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten. Eines der neuesten geplanten Vorhaben ist die von der Hessischen Hochschulstrukturkommission empfohleme Zusammenlegung der Archivschule Marburg mit der Bibliotheksschule Frankfurt am Main und dem Fachbereich Information und Dokumentation der Fachhochschule Darmstadt.

Die Förderpolitik des Bundes läßt sich zurückverfolgen bis zum ehemaligen Bundesministerium für Atomkernenegie unter Prof. Dr. S. Balke. Sie kann studiert werden in einer Schrift und 2 CD-ROMs des BMBF [ BMBF 1995 ] sowie in den jeweiligen Fachinformationsprogrammen des früheren BMFT.

Informationswissenschaft befaßt sich mit der Klärung des Informationsbegriffs und des Informationsverständnisses und seiner/ihrer erkenntnistheoretischen, historischen, sozialen, ökonomischen, genetisch/biologischen und technischen Zusammenhänge. Sie befaßt sich weiterhin mit Theorie und Praxis des Informationsmanagements in allen seinen Erscheinungsformen. In ihrer modernsten Ausprägung schließt sie die Bereiche Bibliothekswesen, Archivwesen und Museologie ein und arbeitet eng mit den Nachbardisziplinen Betriebswirtschaft, Bildungswissenschaften, Design, Ingenieurwissenschaften, Informatik, Kommunikationswissenschaft, Kulturwissenschaften, Linguistik, Sozialwissenschaften, Verhaltenswissenschaften und Volkswirtschaft zusammen. Durch Forschung und Lehre sowie durch permanente Zusammenarbeit mit Informationspolitik und Informationspraxis leistet sie unverzichtbare Beiträge zum technischen und sozialen Fortschritt und zur humanen Gestaltung des Lebens. { 1 }.

Informationspraxis ist die Informationsversorgung von Staat, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien, gesellschaftlichen Organisationen und Einzelnen durch Gestaltung und Prägung ihres Informationsumfeldes unter Anwendung des Standes so-wie der Forschungs- und Entwicklungsergebnisse der Informationswissenschaft(en) und ihrer Nachbardisziplinen sowie die Erbringung von Informationsdienstleistungen aller Art. { 2 }.

Die folgenden Thesen befassen sich überwiegend mit der Ausbildung von Informationswissenschaftlern und Informationspraktikern an Hochschulen und Fachhochschulen in Deutschland. Sie sind gegliedert in einen diagnostischen und einen programmatischen Teil. Sie werden, weil sie an der Universität des Saarlandes erstmals vorgetragen werden, "Saarbrücker Thesen" genannt.

2. Diagnostischer Teil

These 1

"Die Fachinformation und das gesamte wissenschaftliche Informations- und Publikationswesen befinden sich in einem Umbruch. Einerseits vermehrt sich der Umfang des fachlichen Wissens explosionsartig und damit die Anzahl der Publikationen, andererseits bieten sich aufgrund der Fortschritte der Technik neue Chancen und Möglichkeiten, die Versorgung nicht nur von Wissenschaftlern und Studenten, sondern auch der Informationspolitik, Informationswissenschaft und Informationspraxis mit aktuellen Fachinformationen zu verbessern sowie diese besser zu erschließen" [ EEII 1995 ].

These 2

Die Bundesregierung betrachtet die Herausforderungen durch das Informationszeit-alter nicht allein als eine Angelegeneit der Informationspolitik im engeren Sinne. Sie fördert in der Phase des Übergangs von der Industriegesellschaft in die Informationsgesellschaft unter anderem die "Initiative Informationsgesellschaft Deutschland" sowie die Bildungsinitiative "Schulen ans Netz" { 3 }.

These 3

Eine erfreuliche Entwicklung haben die "Publikationen" der Hochschulen, Fachbereiche und StudentInnen genommen, Sowohl die Blätter an den einzelnen Einrichtungen (z. B. "HBI aktuell", "RECHERCHE") als auch in zunehmendem Maße WWW-Seiten und Personal Home Pages im Internet bringen immer wieder positive Überraschungen. Die Personal Home Page der Saarbrücker Studentin der Informationswissenschaft Anke Schmidt "Schneehöhen, Oldtimer und Hunde" [ Schmidt 1996 ] ist in diesem Bereich "erste Sahne". Gegenüber früheren Zeiten hat sich nicht nur der Inhalt, sondern auch das äußere Erscheinungsbild von studentischen Zeitschriften positiv verändert { 4 } Dem stehen allerdings zuweilen beim Lesen arge Enttäuschungen gegenüber, wenn ältere Herren ihre Weisheiten von sich geben. So definierte der Direktor des Instituts für Bibliothekswissenschaft an der Humboldt-Uni-versität zu Berlin neulich: "Bücher sind Kopien und damit eindeutig Redundanz einer urheberrechtlich geschützten originären Information" [ Umstätter 1995 ].

These 4

Ein trübes Kapitel ist die fehlende Beteiligung von Deutschen als AutorInnen in inter-national renommierten Spezialzeitschriften für Aus- und Fortbildung im BID-Bereich und für EDV-Anwendungen im BID-Bereich.

These 5

Ausbildung und Fortbildung sind wichtige Elemente der Infrastruktur des Informationswesens. Sie können nur dann optimal sein, wenn die vorhandenen Lücken im universitären und im Fachhochschulbereich als ernstzunehmende Herausforderung angenommen werden. Bei diesen Lücken handelt es sich nicht nur um Finanzierungslücken, sondern auch um Lücken bei der Anwendung von Forschungsergebnissen und Erfordernissen der Hochschuldidaktik.

These 6

Wenn das Geld knapp wird, müssen strategische Überlegungen einsetzen, um die zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal zu nutzen. Bei den Ansätzen zu strategischen Überlegungen im BID-Ausbildungsbereich muß auch der gegenwärtige Zustand der deutschen Hochschulen und Fachhochschulen und das gegenwärtige Image der BibliothekarInnen und InformationspraktikerInnen beachtet werden.

These 7

Das deutsche Hochschulwesen befindet sich in einer Krise. Die Urteile reichen von der Feststellung der Frau Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach: "Die zurückgebliebenste aller Provinzen jedoch, dort wo der Fortschritt gewissermaßen auf der Stelle tritt, ist die Universität" [ Limbach 1995 ] bis hin zur Äußerung des Rektors der Hochschule für Bibliotheks- und Informationswesen Stuttgart, Prof. Dr. Vodosek: "Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat erst kürzlich festgestellt, "daß die früher zugunsten der Hochschulen bestehende Leistungsvermutung heute nicht mehr oder kaum noch gilt. Entsprechend ist der Rechtfertigungsdruck gewachsen." [ Vodosek 1996 ].

These 8

Im Informationsbereich hat der Fachbereich Information und Dokumentation der Fachhochschule Darmstadt kürzlich versucht, "die Ausbildungsinnovation der 90er Jahre in einer möglichst geschlossenen Form vorzustellen" [ Seeger 1995 ]. Im Rah-men dieses Vorhabens haben namhafte Vertreter von Universitäten (Berlin, Düsseldorf, Graz, Ilmenau, Konstanz, Regensburg, Saarbrücken) und Fachhochschulen (Darmstadt, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Leipzig, Marburg, Potsdam) ihre Einrichtungen und deren Intentionen vorgestellt. Die vorgelegten Arbeiten waren Ausgangspunkt einer systematischen kritischen Untersuchung [ Marloth 1996 ]. Dabei wurden Schwachstellen gefunden. Es fehlen im deutschen BID-Ausbildungs-bereich vor allem:

  1. Angaben über die Grunddaten der Ausbildung,
  2. das Eingehen auf die Informationsbedürfnisse von Studierwilligen,
  3. das Eingehen auf das Studierverhalten des BID-Nachwuchses,
  4. das Eingehen auf Probleme der "praxisgerechten" Ausbildung,
  5. das Eingehen auf die Zusammenhänge zwischen Ausbildungssituation und "Zeitgeist",
  6. das Eingehen auf Besonderheiten der deutschen Hochschulentwicklung,
  7. das Eingehen auf Mängel bei den pädagogischen Fähigkeiten der Lehrkräfte,
  8. Hinweise auf die vorliegenden Ergebnisse der Evaluierung des Darmstädter Fachbereichs.

Außerdem gehen mehr oder weniger alle Lehrkräfte des BID-Ausbildungsbereichs eigenwillig mit der Terminologie des Bildungswesens um und erschweren dadurch die Kommunikation mit anderen pädagogischen Disziplinen.

These 9

Internationale Arbeitsgruppen haben sich mit Fragen des Status, des Image und der Reputation der in Informations- und Bibliotheksberufen Tätigen befaßt und unter anderem gefunden, daß diese unter "Ferner liefen" rangieren [ UNESCO 1989, SLA 1989, SLA 1990, FID 1992 ]. Hierfür haben sich folgende Gründe ergeben:

  • Zersplitterung der Berufs- und Institutionenverbände,
  • Überwiegende Buch-Orientierung der Bibliothekare und Desinteresse an der Kon-zipierung, Erprobung und Einführung von benutzerorientierten neuen Dienstleistungen. Es wird zu wenig zur Kenntnis genommen, daß Bibliotheken für die Benutzer da sind und nicht für die Bibliothekare,
  • Unkenntnis der Gesamtorganisation außerhalb der Buch- und Zeitschriften-Ver-lage (Non-print-Medien, Datenbanken- und Netzwerk-Betreiber, Informationsbroker u.a.),
  • Wissenslücken über Arbeitsumfelder, soziale Bezüge, mentale Strukturen, psychische Verhaltensmuster sowie schichtspezifische Interessenfelder der Benutzer von Bibliotheken und Informationseinrichtungen,
  • Mängel in der Ausbildung zu BID-Berufen. Kritisiert wird u.a., daß Interessenten für BID-Berufe vor dem Einstieg in die Ausbildung ein diffuses und/oder schiefes Bild von der späteren Berufswirklichkeit vermittelt wird,
  • Niemand, außer den Bibliothekaren selbst, weiß, was Bibliothekare wirklich machen,
  • Mangelhafte Management-Kenntnisse der Bibliothekare, im besonderen fehlendes Wissen nahezu aller über den wirtschaftlichen Wert bibliothekarischer Tätigkeiten.

These 10

Es wäre falsch, diesen Befund als unzutreffend oder gar bösartig zu bezeichnen. In Deutschland meinen nicht nur die BID-Fachleute "Wir haben nichts gegen Kritik, nur berechtigte Kritik hören wir nicht so gerne"; zumindest die Bibliothekare sind zu Eigenkritik fähig und äußern diese auch. Beispiele hierfür finden sich im Anhang.

3. Programmatischer Teil

These 11

Bei den Vorhaben zur Verbesserung der Ausbildung muß zwischen kurz, mittel- und langfristigen Vorhaben unterschieden werden. Was im einzelnen kurz- oder mittel- oder langfristig angegangen werden kann, kann nur vor Ort entschieden und nicht per ordre de mufti festgelegt werden.

These 12

Ein besonders wichtiges und dringendes Ziel ist die elektronische Vernetzung der BID-Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen untereinander sowie mit den Fachorganen des Informationswesens, mit den Fach- und Berufsverbänden des ABD-Bereichs sowie mit der Informationspraxis im weitesten Sinne. Wenn hier Hardware- und/oder Software-Lücken bestehen, so müssen sie evtl. unter finanzieller Beteiligung von Informationspolitik und Informationspraxis so rasch als möglich geschlossen werden.

These 13

Die besondere Dringlichkeit ergibt sich nicht nur aus der zunehmenden Vernetzung an sich, sondern auch daraus, daß der Umgang mit und in Netzen zu den Schlüsselqualifikationen gehört, die während der Ausbildung für Archiv-, Bibliotheks- und Informationsberufe vermittelt werden müssen.

These 14

Durch den permanenten Umgang mit Netzen wird im BID-Ausbildungs- und Forschungsbereich ermöglicht:

  1. Anschluß an bereits vor längerer Zeit begonnene Entwicklungen im Ausland,
  2. Verbesserung von Transparenz, Klarheit und Rationalität,
  3. Entwicklung von Kommunikations- und Urteilsfähigkeit,
  4. Steigerung des Informationsbewußtseins { 5 },
  5. Interdisziplinäre Diskurse,
  6. Offensive Leistungsdokumentation,
  7. Verbesserung der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit { 6 },
  8. Weitung des Gesichtsfeldes, z.B. durch Kennenlernen der Saarbrücker Schriften zur Informationswissenschaft [ Harms/Luckhardt ] und von TOMs ADDRESSES [Tom ]
  9. Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit, z.B. durch zunehmende Benutzerfreundlichkeit der Home Pages und Personal Home Pages, die Visitenkarten und Retrie-val-Instrumente zugleich sind,
  10. Verbesserung der Auslandskontakte,
  11. Werbung um Mithilfe,

These 15

Die Vernetzung mit allen Ebenen der Informationspolitik, Informationswissenschaft und Informationspraxis soll ermöglichen, daß z.B. StudentInnen und Lehrkräfte regelmäßig

  • die offiziellen Verlautbarungen sowie die "Schwarzen Bretter" der zuständigen Gremien der EU, der zuständigen deutschen Ministerien , der BID-Verbände und der Verbände der Informationswirtschaft, z.B. des VIW [ VIW ] anschauen,
  • Neuigkeiten aus anderen deutschen, europäischen und internationalen BID-Ausbildungseinrichtungen zur Kenntnis nehmen, z.B. ARIADNE [ Ariadne ]
  • die Personal Home Pages der Rektoren, Dekane, Lehrkräfte und KommilitonInnen lesen, um sich einen Eindruck von ihrem wissenschaftlichen Werdegang, ihren Publikationen und Forschungsberichten, ihren Lehrveranstaltungen und betreuten Projekten sowie ihren Hobbies zu verschaffen.

These 16

Auch die Redaktionen der BID-Fachzeitschriften sollten ARIADNE, das "print and web magazine of internet issues for librarians and information specialists" und andere wichtige Neuerscheinungen regelmäßig verfolgen

These 17

StudentInnen sollen für den BID-Bereich wichtige Projekte, wie z.B. Medoc [ Medoc ] SUBITO [ SUBITO ], ERCIM [ ERCIM ] und andere laufend verfolgen können.

These 18

StudentInnen sollen jederzeit Zugang zu den vorhandenen Praktikanten-Börsen und Registern der Diplomarbeiten und anderen wissenschaftlichen Arbeiten der eigenen und der anderen Hochschulen haben. Voraussetzung hierfür ist, daß die bisher vereinzelten regionalen Verzeichnisse (Darmstadt, Hamburg, Köln) durch Links zusam-mengefaßt werden.

These 19

StudentInnen sollen jederzeit Zugang zu den Verlautbarungen des BMBF, der Deut-schen Forschungsgemeinschaft und ihres Bibliotheksausschusses, der BID-Verbän-de, der Verbände der Informationswirtschaft und einzelner relevanter Firmen haben.

These 20

StudentInnen sollen jederzeit nachlesen können, welche Bibliotheksprojekte die Deutsche Forschungsgemeinschaft , welche Projekte der Projektträger Fachinformation des BMBF zum jeweiligen Augenblick fördert und welche Arbeitsschwerpunkte IPSI in Darmstadt hat.

These 21

StudentInnen sollen sich durch Recherchen im Internet oder anderen Netzen Informationen verschaffen, die sie zur Vorbereitung auf die Teilnahme an örtlichen Veranstaltungen und überörtlichen Kongressen und Seminaren des BID-Bereich benötigen.

These 22

StudentInnen sollen bei Bedarf jederzeit auf Material zur Vorbereitung auf eigene Auslandspraktika und eigene Studienreisen ins Ausland { 7 } zugreifen.

These 23

StudentInnen sollen jederzeit über einschlägige Mailing Lists von relevanten Dritten interessante Neuigkeiten erfahren und ihrerseits wichtige Verlautbarungen, z.B.. Meldungen über beabsichtigte Schließungen und existenzbedrohende Kürzungen verbreiten können, damit BundesgenossInnen ihnen rechtzeitig beispringen können und nicht erst von den Fakten erfahren, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.

These 24

StudentInnen sollen via Netz von den Möglichkeiten des Tele-Learning Gebrauch machen und sich dazu ermuntern lassen, eigene Projekte zur Einführung des Tele-Learning zu beginnen oder fortzuführen, z.B. durch das Projekt Computer based training (CBT) in Köln.

These 25

StudentInnen sollen den jeweils neuesten Stand der Überlegungen zur Hardware- und Software-Entwicklung für den BID-Bereich sowie die laufenden Vorhaben zum Knowledge Engineering und zum Software Engineering erfahren.

These 26

StudentInnen sollten so rasch als möglich mit der wichtigsten Basis-Literatur der Informatik vertraut gemacht werden, die bei deutschen informationswissenschaftlichen Veröffentlichungen nur in Ausnahmefällen zitiert wird, weil den Informationswissenschaften der Anschluß an den Literaturstand der Informatik bisher nicht gelungen ist { 8 }.

These 27

StudentInnen sollen die jeweils neuesten Arbeiten zur Technologiefolgen-Abschät-zung kennenlernen und die Diskussionen über ethische und ökologische Probleme des Technik-Einsatzes verfolgen.

These 28

Die bei uns übliche Trennung von Bibliotheks- und Informationswesen ist im Ausland weitgehend unbekannt. Im anglo-amerikanischen Raum spricht man von "Library and Information Sciences" und behandelt alle anstehenden Probleme gemeinsam. Dies wird durch sprachliche Gegebenheiten (Englisch) begünstigt. Diese Realität hat den englischsprachigen Bereich in eine vorteilhafte Position gebracht. Wir sollten für uns nützliche Eigenheiten der anglo-amerikanischen BID-Ausbildung adaptieren, z.B. anstreben, daß wie in Großbritannien die Vergabe einer E-mail-Adresse an StudentInnen Bestandteil des Immatrikulationsverfahrens ist. In Deutschland ist das bei Informatik-StudentInnen teilweise der Fall. Es sollte auch bei allen StudentInnen der Informationsberufe angestrebt werden.

These 29

StudentInnen sollen die nationale und internationale BID-Entwicklung laufend beobachten, sich hierüber austauschen und die Meinungsbildung aus diesen Beratungen Austauschpartnern im Ausland mitteilen. Das ist notwendig, weil deutsche BID-Ausbildungseinrichtungen im Ausland wenig bekannt sind und oft wegen nationaler Eigenheiten (Trennung von Bibliotheks- und Dokumentationswesen, hierarchische Strukturen) belächelt werden.

These 30

Ob sich in absehbarer Zeit ein gemeinsamer Dachverband aller BID-Vereine (BDB + DGD + VDA) realisieren läßt, ist angesichts des Ausgangs der bisherigen Bemühungen um eine Straffung der bibliothekarischen vereine mehr als ungewiß. Um den Zusammenhalt trotzdem zu verbessern, sollten die genannten Verbände in größeren Abständen gemeinsame Kongresse veranstalten und sich der Informationspolitik, Informationswirtschaft und interessierten Dritten stellen. Nur dann können sie auf Dauer damit rechnen, daß sie besser als bisher beachtet werden.

These 31

Interne ebenso wie externe Kommunikation wird meistens durch gemeinsame Vorhaben und Projekte beflügelt. Die Ausbildungseinrichtungen sollten deshalb alle Projekte unterstützen, die über den örtlichen Rahmen hinaus allen Einrichtungen nützlich sind und deren Ansehen in der Öffentlichkeit verbessern, z.B. eine

Datenbank der deutschen BID-Ausbildungseinrichtungen

mit den Subsystemen

  • Ressourcen für die Lehre
  • Literaturdatenbank
  • Technische Hilfen, z.B. Checklisten für Evaluierungen
  • Hilfsprogramme für Sekretariats- und Dekanatsarbeiten
  • Hilfsprogramme für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Sitzungen, Kongressen, etc.
  • Hinweise für Netzanschlüsse, z.B. an Internet, FidoNet, OLCL, etc.
  • Gestaltung von WWW-Seiten
  • Terminübersichten
  • Links zu ausländischen Einrichtungen
  • Liste der Fördervereine
  • Übersetzungshilfen

etc.

Angehende Informationswissenschaftler und -praktiker sollen den BID-Alltag kritisch begleiten

These 32

StudentInnen können Einrichtungen mit Anlaufschwierigkeiten bei deren Beseitigung helfen, z.B. den Bibliotheken bei der Überwindung ihrer früheren tiefsitzenden Aversion gegen technische Neuerungen ("Holzhausen-Syndrom") { 9 }. Auch Hilfen bei der Einrichtung von OPACs wären nützlich. Wenn Benutzerunfreundlichkeit ein Straftatbestand wäre, dann kämen einige deutsche OPAC-Anbieter für längere Zeit überhaupt nicht wieder aus dem Knast heraus. Daß sie lieber in der Gutenberg-Galaxie surfen als im OLCL { 10 }, darf man ihnen nicht übelnehmen. Richtig ist, daß Öffentliche Büchereien genau so wichtig sind wie die Mitwirkung von Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft – sie sind unverzichtbar.

These 33

StudentInnen sollen die Systembeschreibungen in der anglo-amerikanischen BID-Fachliteratur verfolgen (z.B. in den Library Software Review) und deren Fehlen in deutschen BID-Fachzeitschriften so lange beharrlich und in geeigneter Form monieren, bis Besserung eintritt.

These 34

StudentInnen sollen Besonderheiten der örtlichen und/oder regionalen Entwicklung kennenlernen und kommentieren, z.B. die "Dresdner Schnapsidee" { 11 }

These 35

StudentInnen sollen auf Fehler in Katalogen hinweisen, auf die sie bei ihren Recherchen stoßen. { 12 }

These 36

StudentInnen sollen auf besondere Ereignisse der kommenden BID-Geschichte, z.B. 1998: 20 Jahre DBI; 1998: 50 Jahre "Buch und Bibliothek"; 1999: 50 Jahre "Nachrichten für Dokumentation" in angemessener Form reagieren. Denkbar wäre eine Beteiligung an der Erstellung von Mehrjahres-Bibliographien aus Anlaß der Jubiläen.

These 37

StudentInnen sollen interessante Neuigkeiten nicht nur sporadisch, sondern permanent mit anderen austauschen, z.B. erste Meldungen über den Weltkongreß der Bibliotheken, der 2003 entweder in St. Petersburg oder in Berlin stattfinden wird; das neueste Programm des Stuttgarter Kabaretts "Dibbelbibbel"; oder die Einführung von "Medienkunde" als offizielles Schulfach im Freistaat Sachsen [ Sachsen 1996 ]. Auch Mitteilungen über neu erschienene, besonders interessante Bücher (Durch die Galaxie und dann links) gehören in die Austausch-Sparte "Neuigkeiten"

These 38

StudentInnen sollten die der Sparte FAQ (Frequently asked questions) zugrundeliegende Idee übernehmen und für den BID-Bereich ausbauen

These 39

In der Bundesrepublik werden zur Zeit jährlich ca. 3 Milliarden DM für Kultur- und Sport-Sponsoring ausgegeben. Wenn es gelingt, auch nur 1 Promille dieses Betrags von der Wirtschaft einzuwerben, so wären das jährlich 3 Millionen DM. Die Fachschaften wüßten bestimmt, was man damit anfangen kann:

  • Einrichtung von Stiftungs-Professuren,
  • Doktoranden-Stipendien,
  • Ausbau von Partnerschaften mit ausländischen Einrichtungen,
  • Finanzierung von Studienreisen,
  • Ankauf von Trainings-Software für Lehrkräfte
  • Modernisierung der eigenen Hardware, Software und Officeware.

Das Sponsoring kann auch in folgendem bestehen:

Übernahme von Sach- und Dienstleistungen (kostenlose CD-ROMs mit Programm- und Systemsoftware und deren Updates, Übernahme von Service und Support, Bereitstellung von Kapazitäten für die Evaluierung von BID-Software, u.a.)

These 40

Allerdings kann es beim Einsatz von Sponsorengeldern Hürden geben : Das Geld darf vielleicht gegenwärtig niemand annehmen, weil dem behördliche Bestimmungen entgegenstehen. Andere Bestimmungen besagen zur Zeit noch, daß Diplomarbeiten zum Teil nur mit Zustimmung der Autorin/des Autors oder des jeweiligen Prüfungs-amtes ausgeliehen werden dürfen. Diese Bestimmungen sollten abgeschafft werden. Paragraphen müssen sein, aber Paragraphendschungel müssen Informationspolitik und Informationspraxis gemeinsam bekämpfen und zu Kleinholz machen.

These 41

"Leistung muß sich lohnen" ist ein heute oft gehörtes Schlagwort. In der Praxis ist es mannigfach verwirklicht, unter anderem durch Auszeichnungen und Preise. Damit ist es im BID-Bereich nicht gut bestellt: Es gab den Erich-Pietsch-Preis der DGD und den AGAFE-Preis für Nachwuchsförderung; im Bibliothekswesen gibt es den Helmut-Sontag-Preis. Das ist nicht ausreichend. Deshalb wird vorgeschlagen:

  1. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie stiftet eine Erich-Pietsch-Medaille für hervorragende Leistungen in der internationalen Arbeit des Bibliotheks-, Informations und Dokumentationsbereichs.
  2. Die Informationswirtschaft stiftet einen jährlichen Dissertationen-Preis für abgeschlossene Dissertationen mit herausragendem Praxisbezug.
  3. Die Informationswissenschaft zeichnet jährlich die beste Diplomarbeit im deutschsprachigen Raum aus und beschafft der Preisträgerin/dem Preisträger ein Stipendium für einen Aufenthalt an einer ausländischen Einrichtung, z.B. bei ECHO, der British Library, etc.

These 42

Ideen gibt es in Hülle und Fülle. Ihre Verwirklichung ist oft nicht sofort möglich, obwohl die Dringlichkeit unbestritten ist. Informationspolitik, Informationswissenschaft und Informationspraxis sollten deshalb eine "Ideenbörse" einrichten, in der unter anderem Themen für wissenschaftliche Arbeiten und für Gremienarbeiten gesammelt werden.

Das Thema für eine Habilitationsschrift könnte z. B. lauten: Die mentalen Strukturen des höheren deutschen Bibliotheksdienstes in der Phase des Übergangs von der Industriegesellschaft in die Informationsgesellschaft. Als Dissertationsthema wäre denkbar: "Strategien zum Abbau von Berührungsängsten zwischen Archivaren, Bibliothekaren, Informationsfachleuten und Informatikern". Als Thema für eine Diplomarbeit könnte in der Börse stehen: "Synergieeffekte bei der EDV-Einführung in Bibliotheken". Da es vom Weinberg-Report eine BRD- und eine DDR-Übersetzung gibt, wäre ein Vergleich beider Fassungen gelegentlich von historischem Interesse.

Da StudentInnen später als Informationsmanager sehr stark mit Strukturproblemen konfrontiert werden, wäre auch denkbar, die Idee von Strukturuntersuchungen in die Ideenbörse einzubringen und Fragen zu behandeln, ob die 16 Bundesländer 24 Landesbibliotheken brauchen oder ob eine Fachhochschule für Bibliothekswesen sinnvoll ist, die als Unterabteilung einer Universitätsbibliothek geführt wird und keinen Rektor und keine habilitierten Lehrkräfte hat.

These 43

Die Gründung von Fördervereinen ist eine in der letzten Zeit häufig anzutreffende Realisierung von Ideen zur materiellen und moralischen Unterstützung von wichtigen Einrichtungen und Unternehmungen. Die Informationspraxis wird sich sicher Bitten um Beitritt nicht verschließen und kann dadurch in vielen unspektakulären Fällen wirksame Hilfen leisten.

4. Anmerkungen

{ 1 }

Aufgabe der Informationswissenschaft, wie aller Wissenschaft, ist neben den Aufgaben:

  1. Aufstellen einer neuen Theorie;
  2. Ermittlung neuer Grunderkenntnisse;
  3. neue Thesen als Detaillierung von Grunderkenntnissen;
  4. neue Thesen als Kombination von Grunderkenntnissen verschiedener Disziplinen;
  5. neue Thesen durch Anwenden neuer Methoden;
  6. Quantifizierung bisher qualitativ beschriebener Zusammenhänge;
  7. Interpretation begrenzter Einzelerscheinungen;
  8. Materialerschließung und -zusammenstellung nach bestimmten Aspekten und
  9. Überblicke über Themenproblematiken nach bestimmten Aspekten;

auch die Aufgabe, praktische Probleme durch Angabe konkreter Lösungswege zu lösen. Dies geschieht – konventionell – in drei Schritten:

  1. Erkennen der Problemsituation und Darstellung des Problems (Stadium der Problemerstellung);
  2. Analyse der Bedingungen und Methoden, die eine Problemlösung gestatten (Stadium der Problembarbeitung);
  3. Aufstellung von Hypothesen und ihre Überprüfung in der Praxis (Stadium der Problemlösung).

(Quelle: Marloth, H.: Denkschrift zur Lage der Deutschen Gesellschaft für Dokumentatuion (DG). Frankfurt am Main, 29.02.1984).

{ 2 }

Aufgabe der Informationspraxis ist,

  1. für Auftraggeber (Firmen, Firmen-Abteilungen, Behörden, Wissenschaftseinrichtungen, Berater) die existierenden Informationsstränge zu ermitteln, zu analysieren, kritisch zu bewerten, Vorschläge für deren Verbesserungen in apparativer, organisatorischer, ökonomischer und führungsmäßiger Beziehung zu machen, die Einführung zu planen und vorzubereiten, hierfür erforderliche Hardware und Software auszuwählen, die Einführung zu überwachen, erforderliche Schulungsmaßnahmen rechtzeitig einzuleiten, Querverbindungen zu potentiellen Ko-Informato-ren herzustellen, das Informations-Umfeld zu pflegen und die permanente Anpassung an die technische Entwicklung sicherzustellen,
  2. die Informationsbedürfnisse ihrer Benutzer bezüglich des fachlichen und/oder des zeitlichen Umfangs zu ermitteln, schnellstmöglich hierfür geeignete Quellen auszuwählen, Suchstrategien auszuarbeiten, in den ausgewählten Quellen als Einzelauftrag oder periodisch als Dauerauftrag zu recherchieren, die Rechercheergebnisse benutzergerecht aufzubereiten, dem Kunden zu präsentieren und gegebenenfalls nachzurecherchieren und/oder nachzubereiten,
  3. die Informationsstruktur(en) der Geselllschaft und einzelner gesellschaftlicher Gruppen zu beobachten, zu analysieren, und Vorschläge für ihre Optimierung durch Verbesserung von Effektivität und Effizienz zu machen.

{ 3 }

Die Bildungsinitiative "Schulen ans Netz" ist eine Gemeinschaftsveranstaltung von BMBF, Telekom, DFN-Verein und Humboldt-Universität zur Öffnung von 10 000 deutschen Schulen für die Kooperation und Kommunikation mit anderen Schulen, Universitäten, Bibliotheken und Wirtschaftsunternehmen [ SAN ].

{ 4 }

Noch vor wenigen Jahren wären Bibliotheksdirektoren sowie Rektoren, Dekane und ProfessorInnen von Ausbildungseinrichtungen reihenweise in Ohnmacht gefallen, wenn sie die Ausgabe 1 von RECHERCHE auch nur von weitem gesehen hätten.

{ 5 }

Beispiele für fehlendes Informationsbewußtsein sind die Jahresberichte mancher deutscher Bibliotheksvereins-Vorsitzender und manche Reiseberichte von TagungsteilnehmerInnen, StudentInnen und PraktikantInnen.

{ 6 }

Das sprachliche Ausdrucksvermögen vieler InformationswissenschaftlerInnen läßt sehr zu wünschen übrig. Es erweist sich in vielen Fällen als Sammelsurium von Fachchinesisch und unverdauten Brocken aus einem abgebrochenen Soziologiestudium.

{ 7 }

So sind z.B. ausgezeichnete Angaben zur Landeskunde, Geschichte, Wirtschaft, Kultur sowie zum Schulwesen und zum Sport in den USA über Oscar’s im WWW zu finden [ Oscar ].

{ 8 }

Zur "klassischen" Informatik-Literatur für InformationswissenschaftlerInnen und InformationspraktikerInnen werden alle Zeitschriften der ACM und IEEE, die deutschen Zeitschriften "Informatik-Spektrum", "Informatik – Forschung und Entwicklung" und "Wirtschaftsinformatik" sowie die Informatik-Reihen "Professional Computing Series" (Addison-Wesley), "International Series in Computer Science" (Prentice Hall); "Lecture Notes in Computer Science", "Lecture Notes in AI", "Reihe Lehrbuch Informatik" (Springer); "Informatik und Angewandte Informatik" (BI), "Informatik Leitfaden und Monographien" (Teubner) und "Studienbücher der Informatik" (Han-ser) gezählt.

{9 }

"Holzhausen-Syndrom" ist die Sammelbezeichnung für einige Eigenheiten von deutschen BibliothekarInnen. Der Name geht zurück auf eine Aussage des Berliners Hans-Dieter Holzhausen: "Der Weg zu den neuen Technologien kann von Bibliothekaren nur unter Zuhilfenahme der Elixiere des Teufels begangen werden". Später kamen andere weltfremde Meinungen hinzu, z.B. "Bibliotheks-EDV-Systeme sind komplizierte Systeme", "Bibliothekare sind die geborenen Navigatoren auf den Daten-Autobahnen" und "Nur Bibliothekare können Bibliothekaren richtig erklären, was EDV ist und wie man sie in Bibliotheken nutzen kann".

{ 10 }

Das "Ohio College Library Center" (OLCL) ist 1967 in den USA gegründet worden. Es entwickelte sich zum weltweit größten bibliographischen Dienstleistungszentrum. Unter Beibehaltung des Acronyms OLCL heißt es jetzt "Online Computer Library Center".

{ 11 }

"Dresdner Schnapsidee" wird das Vorhaben genannt, den geplanten Neubau der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Dresden ohne Lesesäle (!!) zu errichten.

{ 12 }

Der OPAC in Oldenburg ( katalog.bis.uni-oldenburg.de/cgibin/suche?kt=AAF_-MARLOTHH&la=1 ) enthält einen Eintrag, daß der Autor Heinz Marloth ein Buch "Einführung in die Informationswissenschaft" verfaßt hat, das 1987 bei Dekker in New York erschienen ist. Der Autor bestreitet, ein solches Buch geschrieben zu haben. Es handelt sich vermutlich um ein Versehen bei der Eingabe in den Katalog.

5. Literatur

[ Ariadne ] URL: http://ukoln.bath.ac.uk/ariadne/

[ BMBF 1995 ] bmb+f: 40 Jahre Bildungs- und Forschungspolitik 1955-1995. 46 S. Bonn: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie 1995. Hierzu gibt es auch 2 CD-ROMs des BMBF.

[ EEII 1995 ] Brüggemann-Klein, A.; G. Cyranek; A. Endres; A. Barth und A. de Kemp: Entwicklung und Erprobung offener volltext-basierter Informationsdienste für die Informatik. Beschreibung eines gemeinsamen Vorhabens der Gesellschaft für Informatik (GI). des Fachinformationszentrums (FIZ) Karlsruhe und des Springer-Verlags. URL: http://medoc.informatik.tu-muenchen.de/

[ EEVL ] = URL: http://www.hw.ac.uk/

[ERCIM ]: Marloth, H.: Digitale Bibliotheken: Europäische Initiative. In: BIBLIOTHEKS-DIENST 8/1995, S.1310-1312.

[ FID 1992 ] International Federation for Information and Documentation: State of the modern information professional. The Hague: FID 1992. FID Occasional paper 4.

[ Fuhr 1992 ] Fuhr, N.: Probabilistic models in information retrieval. In: The Computer Journal, 35(3):243-255.

[ Harms/Luckhardt ] URL: http://www.phil.uni-sb.de/FR/Infowiss/papers/iwscript/

[ Henrichs 1983 ] Henrichs, N.: Informationspolitik. Stichworte zu einer Podiumsdiskussion. In: Kuhlen, R. (Hrsg.): Koordination von Informationen. IX. Verwaltungsseminar Konstanz, 05.-07.05.1983. Berlin u.a.: Springer 1984. Informatik-Fachberichte 81. ISBN 3-540-12929-4.

[ IFLA 1992 ] The Status, Reputation and Image of the Library and Information Profession. Proceedings of the IFLA Pre-Session Seminar, Delhi, 24-28 August 1992. Under the Auspices of the IFLA Round Table for the Management of Library Asso-ciations. Edited by Russell Bowden and Donald Wijasuriya. München/New Providence/London/Paris: Saur 1994. 228 Seiten. ISBN 3-598-21795-1. ISSN 0344-6891. IFLA Publications: 68.

[ Laser 1996 ] E-mail 100526.3166@COMPUSERV.COM

[ Limbach 1995 ] Limbach, J. in: DIE ZEIT Nr. 9 vom 24.02.95, S.41.

[ Lycos 1996 ] URL: http://lycos.cs.cmu.edu/

[ Medoc ] URL: http://medoc.informatik.tu-münchen.de/

[ Oskar ] URL: http://www.oskars.de

[ Sachsen 1996 ] Frankfurter Rundschau Nr. 68 vom 20.03.96.

[ SAN ] URL: http://www.san-ev.de/ und http://www.schule.de/init.html

[ Schmidt 1996 ] URL: http://stud.uni-sb.de/%7Eankscm

[ Seeger 1995 ] Seeger, Th. (Hrsg.): Aspekte der Professionalisierung des Berufsfeldes Information. Beiträge zu Ausbildung und Beruf in der Informationslandschaft anläßlich des 10jährigen Bestehens des Fachbereichs Information und Dokumentation der Fachhochschule Darmstadt. 421 S. Konstanz: UVK Universitätsverlag Konstanz GmbH 1995. ISSN 0938-8710, ISBN 3-87940-550-6. Schriften zur Informationswissenschaft Band 21.

[ SLA 1989 ] Spalding, F.: Image of the librarian/information profession: s Special Libraries Association Presidential Task Force. In: IFLA Journal 15(4)1989.

[ SLA 1990 ] Special Libraries Association: Inter association task force report on image. Washington: SLA 1990.

SUBITO = URL: http://www.subito1.de/

[ Tom ] URL: http://www.uni-sb.de/z-einrich/ub/tom/home.html

[ Umstätter 1995 ] Umstätter, W.: Die Rolle der Dokumentation bei der Entstehung der Digitalen Bibliothek und ihre Konsquenzen für die Bibliothekswissenschaft. In: NACHRICHTEN FÜR DOKUMENTATION 46(1995)1, S.39.

[ UNESCO 1989 ] UNESCO (Publ.): Guidelines for the management of professional associations in the field of archives, library and information work. Paris: UNESCO 1989. PGI-89/WB/11.

[ VIW ] E-mail: 101672.1601@compuserve.com

[ Vodosek 1996 ] Vodosek, P.: Tue Gutes und sprich darüber – Fingerübungen einer Fachhochschule in der Öffentlichkeitsarbeit. Vortrag am 29.05.96 auf dem 86. Deutschen Bibliothekartag in Erlangen.

Anhang

Zeittafel

zur internationalen Entwicklung des Informationswesens nach 1945

1948

+ Am 9./10. Dezember erfolgt in Absprache mit dem Deutschen Normenausschuß, dem Verband der Bibliotheken von Nordrhein-Westfalen, der Arbeitsgemeinschaft der Technisch-Wissenschaftlichen Bibliotheken und dem Verband Deutscher Archivare die zweite Gründung der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD) auf dem Hotelschiff "Bismarck" in Köln. Das Hotelschiff schwankte leicht in der Strömung. Spitze Zungen behaupten noch annähernd fünfzig Jahre später, die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation habe seit diesen Tagen schwankenden Boden nie wieder verlassen.

In Großbritannien findet die berühmte "Royal Society Information Conference" statt. Auf ihr werden die ersten Autoren-Abstracts vorgestellt, J. D. Bernal trägt vor, wie Wissenschaftler sich Informationen beschaffen, und es wird ein neuer Typ von Wissenschaftler vorgestellt: der Wissenschaftler, der sich mit Bibliotheks- und Informationstechniken befaßt.

1950

Erstes Erscheinen der "Nachrichten für Dokumentation in Technik und Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung". Die Zeitschrift ist die Nachfolgerin der Zeitschrift "Dokumentation und Arbeitstechnik", die vor dem Zweiten Weltkrieg erschienen war.

John Mc Carthy, der Begründer der Programmiersprache LISP, schafft den Begriff "Artificial Intelligence".

Alan M. Turing stellt in seinem Aufsatz Computing Machinery and Intelli-gence die provokative Frage "Können Maschinen denken?"

1. Generation von Computern: Röhrenrechner mit Magnetbändern und Lochkartenein- und -ausgabe

1952

Die 3. Auflage des vom Deutschen Normenausschuß herausgegebenen "Ver-zeichnis von Schrifttum-Auskunftsstellen der Technik und verwandter Gebiete" er-scheint.

In London findet das "Symposium on Applications of Communication Theory" statt.

1954

Gründung des "Rheinisch-Westfälischen Instituts für Instrumentelle Mathema-tik" (IIM), der Vorläufereinrichtung der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD).

In Berlin erscheint die Dissertation von Hans-Werner Schober "Dokumentati-on von Zeitschriften. Eine Studie zur gegenwärtigen Lage in Deutschland".

Die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD) setzt ein Kuratorium für Nachwuchsbildung ein.

Die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD) wird Mitglied im Deutschen Verband technisch-wissenschaftlicher Vereine und erhält dadurch Zugang zum Gemeinschaftsausschuß der Technik (GdT). Im GdT wirken neben den technisch-wissenschaftlichen Vereinen die Verbände der Wirtschaft und der Arbeit-geber, die berufsständischen Ingenieurorganisationen, die Arbeitnehmerorganisatio-nen und die mit Fragen der Technik befaßten Bundesministerien mit.

Vom 22.-26. März findet der erste Fachlehrgang über Dokumentation in der Technischen Hochschule Darmstadt statt.

Harry D. Husky, Informatik-Professor an der University of California in Berke-ley, entwickelt den G15, den ersten PC. Er war mit einem Magnettrommelspeicher ausgerüstet, enthielt 250 Röhren und kostete 50 000 $.

Deutsche Firmen dürfen mit dem Bau von Computern beginnen.

1955

In London findet das "Third London Symposium on Information Theory" statt.

In den USA wird in den Bell Laboratories unter der Leitung von J. Felker der erste mit Transistoren bestückte Computer TRADIC fertiggestellt.

1957

Erste Lehrveranstaltung über Information und Dokumentation an der Freien Universität Berlin.

In Dorking, England, findet die "International Study Conference on Classification for Information Retrieval" statt

In Cleveland/Ohio findet das "Symposium on Systems for Information Retrieval" statt..

Am 4. Oktober fliegt der "Sputnik", der erste künstliche Erdsatellit, um die Erde. Die von ihm ausgesendeten Signale beunruhigen die USA, weil man um die militärische Sicherheit des Landes fürchtet. Die Regierung vergibt den Auftrag, den Code dieser Signale ohne Rücksicht auf die Kosten so schnell als möglich zu entschlüsseln. Das gelingt innerhalb von sechs Monaten mit einem Aufwand von 20 Millionen Dollar. Wenig später ergibt sich, daß die Russen den Code vor dem Start publiziert hatten, daß eine englische Übersetzung in mindestens 6 Bibliotheken der USA vorlag und man sich die 20 Millionen Dollar hätte sparen können, wenn das Informationswesen besser ausgebaut gewesen wäre.

Die Firma Philco Corp. führt in Philadelphia mit dem Transac-S-100 den ersten volltransistorisierten Rechner der Welt vor.

1958

Die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD) wird mit Wirkung ab 1. Januar assoziiertes Mitglied der Fédération Internationale de Documentation (FID).

Die 4. Auflage des "Verzeichnis von Schrifttum-Auskunftsstellen" erscheint.

In Großbritannien wird das Institute of Information Scientists (IIS) gegründet.

In den USA veröffentlicht das President’s Science Advisory Committee (PSAC): Improving the Availabilty of Scientific and Technical Information in the United States.

Die National Academy of Sciences (NAS), die National Science Foundation (NSF), der National Research Council (NRC) und das American Documentation Institute veranstalten vom 16.-21.11.1958 in Washington, D.C., die "International Con-ference on Scientific Information" (ICSI).

J. Kilby erfindet die erste integrierte Schaltung.

Die Computersprache ALGOL (Algebraic Oriented Language) wird entwickelt

1959

In Frankfurt am Main findet auf Initiative von Erich Pietsch der Kongreß "Automatic Documentation in Action" statt.

Gründung des Arbeitsausschusses "Dokumentation" im Gemeinschaftsausschuß der Technik (GdT).

COBOL (Common Business-Oriented Language) wird zur Computerprogram-mierung für die Geschäftswelt entwickelt.

In Cleveland findet die "International Conference for Standards on a Common Language for Machine Searching and Translation" statt.

Vorstellung des ersten, mit Transistoren bestückten und tragbaren Fotokopierers.

Die Firma Xerox Corp. beginnt den Bau von serienreifen Kopiermaschinen für Normalpapier.

1960

Im November beschließt der Senat der Max-Planck-Gesellschaft zur Förde-rung der Wissenschaften (MPG) die Errichtung eines Instituts für Dokumentations-wesen und seine Betreuung durch die Max-Planck-Gesellschaft bis zu einer späteren Klärung der Trägerschaft.

In London findet das "Fourth London Symposium on Information Theory" statt.

In den USA erscheint die Veröffentlichung des Subcommittee on Government Reorganization and Internal Organizations, Chairman: Hubert H. Humphrey: Documentation, Indexing and Retrieval of Scientific Information. Senate Doc. 113.

Einführung der IBM1400-Serie.

Die erste integrierte Schaltung (IC) wird entwickelt.

1961

Mit Hilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wird in Darmstadt das Deutsche Rechenzentrums (DRZ) gegründet. Es stellt seine Computer-Dienst-leistungen allen Hochschulen und hochschulfreien Forschungseinrichtungen zur Verfügung. 1965 sind bereits 1 656 Computer unterschiedlicher Größenklassen bun-desweit im Einsatz, 1968 sind es doppelt so viele. Zu 90% handelt es sich dabei um amerikanische Produkte. Ihr Installationswert beträgt über 1 Milliarde DM.

Im Oktober nimmt das Institut für Dokumentationswesen (IDW) unter Leitung des bisherigen Direktors der Westdeutschen Bibliothek, Dr. Martin Cremer, seine Tätigkeit in Frankfurt am Main auf.

Erscheinen des Berichts des U.S. Senate Committee on Government Opera-tions, Subcommittee on Reorganization and Internal Organization, Chairman: Hubert H. Humphrey: Coordination of information on Current Scientific Research and Development Supported by the United States Government: Administrative and scientific problems and opportunities of central registration of research projects in scientific and engineering. Report No. 263, 87th Congress, 1st Session.

In den USA wird das Institute for Scientific Information (ISI) gegründet und der Science Citation Index etabliert.

1962

Der Präsident des Bundesrechnungshofs veröffentlicht im Februar eine Denkschrift über "Die wissenschaftliche Dokumentation in der Bundesrepublik Deutschland". Sie wird zum Leitbild vielfältiger Aktivitäten von Wissenschaft und Wirtschaft zur Verbesserung von Information und Dokumentation.

Die Fördermittel des Instituts für Dokumentationswesen (IDW) betragen 90 000 DM.

Die 5. Auflage des "Verzeichnis von Schrifttum-Auskunftsstellen" erscheint.

Beginn des Aufbaus der Bibliothek der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD) in Frankfurt am Mai .

In den USA erscheint der Bericht des Office of Science and Technology (OST). President’s Science Advisory Ad Hoc Task Group on Federal Agency STI Review. Task Force Chaired by James R. Crawford, Jr.: Scientific and Technological Communications in the Government. (AD-299545). "The Crawford Report".

In Home Springs, Virginia, findet der "Second International Congress on Information Systems Science" statt.

Der erste Nachrichtensatellit "Telstar" wird auf die Umlaufbahn gebracht. Über ihn werden die ersten TV-Programme zwischen Amerika und Europa live ausgetauscht.

Einführung der weltweiten automatischen Wahl im Fernsprechnetz.

1963/1964

In den USA entstehen am Carnegie-Institute of Technology und an der Stanford University in Kalifornien die ersten Computer Science Departments.

1963

Der Sender Freies Berlin überträgt das erste stereophonische Rundfunkkonzert in Deutschland.

In den USA erscheint der Bericht des President’s Science Advisory Committee. Panel Chaired by Alvin Weinberg: Science, Government and Information – The Responsibilities of the Technical Community and the Government in the Transfer of Information. "The Weinberg Report"

In den USA erscheint der Berichts des U.S. Congress, House of Representatives, Comittee on Education and Labor: Hearings before the Ad Hoc Subcommittee on a National Research Data Processing and Information Retrieval Center of the Committee on Education and Labor. House of Representatives, 88th Congress, 1st Session on H.R. 1946. "The Pucinski Report"

1964/1965

In Zusammenarbeit zwischen der Zentralstelle für maschinelle Dokumentation (ZMD) und der Deutschen Bibliothek werden die maschinelle Herstellung der Deutschen Bibligraphie organisiert und die dazu erforderlichen Computerprogramme entwickelt.

1964

Einrichtung eines Referats für Information und Dokumentation im Bundesmini-sterium für wissenschaftliche Forschung (BMwF) in Bonn.

Als Beiheft zu den "Nachrichten für Dokumentation" erscheint eine deutsche Übersetzung des "Weinberg-Berichts". Sie wird bei maßgeblichen Stellen der öffentlichen Hand, der Verwaltung und der Wirtschaft breit gestreut und vermittelt – leider – den Eindruck, der Weinberg-Bericht sei die wichtigste informationspolitische Aktivität der USA. Die vor und nach ihm veröffentlichten Berichte und die umfangreiche Gesetzgebung der Vereinigten Staaten im Informationsbereich wurden in der Bundesrepublik kaum zur Kenntnis genommen und konnten deshalb auch nicht beschleunigend auf die Aktivitäten der Verbände und Ministerien wirken.

16. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD) in Bad Dürkheim. Generalthema: Dokumentation und Benutzer. Während der Tagung erklärt Regierungsdirektor Dr. Heinz Lechmann die "Dokumentation und Information zum Anliegen der Bundesrepublik Deutschland".

Gründung der Zentralstelle für maschinelle Dokumentation (ZMD) in Frankfurt am Main, zunächst im organisatorischen Rahmen des Instituts für Dokumentations-wesen (IDW).

Veröffentlichung der "Empfehlungen des Wissenschaftsrats zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen. Teil 2: Wissenschaftliche Bibliotheken.

Erstmalige Realisierung der Verbindung von Sofortausleihe und Freihandmagazin in der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main durch Clemens Köttelwesch.

In Elsinore, Dänemark, findet die "Second International Study Conference on Classification Research" statt.

Verabschiedung des Library Services and Construction Act of 1964 in den USA.

In Washington, D.C., findet die von der National Science Foundation organisierte "Study Conference on Evaluation of Document Searching Systems and Procedures" statt

Erscheinen der Studie des U.S. Congress, House of Representatives, Select Committee on Government Research. Chairman: Carl Elliot: Documentation and Dissemination of R&D Results. Study IV.

Mit der IBM 360 und dem UNIVAC 1108 kommt die dritte Computer-Gene-ration auf den Markt.

1965-1971

3. Generation von Computern: Einführung von Chips.

1965

Die Organization for Economic Cooperation and Development (OECD), die mächtigste Wirtschaftsorganisation der westlichen Welt mit Sitz in Paris, richtet ihre Information Policy Group (IPG) ein.

In Großbritannien wird das Office for Scientific and Technical Information (OSTI) gegründet.

In den USA erscheint der Bericht des Committee on Scientific and Technical Information (COSATI), Special Task Force, William Knox and Systems Development Corporation: Recommendations for a National Document Handling System for Scien-ce and Technology. "The Knox Report", "The SDC Report".

In den USA findet die "Conference of Library of Congress Staff and Academic Librarians" statt. Eines ihrer Ergebnisse ist die Entwicklung des "Machine Readable Cataloging" (MARC).

In Airlie House, Virginia, findet das vom American Documentation Institute or-ganisierte "Symposium on Education for Information Science" statt.

An der Syracuse University findet das von der National Science Foundation organisierte "Symposium on the Foundation of Access to Knowledge" statt.

In der Bundesrepublik sind 1 656 Computer unterschiedlicher Größenklassen im Einsatz.

Der erste Nachrichtensatellit "Early Bird" wird auf seine Umlaufbahn gebracht.

Einführung der IBM360-Serie.

Einführung des TR4 von Telefunken.

1966

Seit Januar wird die Deutsche Bibliographie mechanisiert hergestellt.

Vom 11.-14. Februar finden in der Evangelischen Akademie Loccum Gespräche über "Probleme der Dokumentation" statt.

Beginn der Möglichkeit, in der Bundesrepublik Deutschland Informatik zu stu-dieren.

Am 1. September Gründung einer Abteilung "Information und Dokumentation" am Institut für Bibliothekswissenschaft der Humboldt-Universität und Umbenennung des Instituts in "Institut für Bibliothekswissenschaft und wissenschaftliche Informa-tion".

1967-1971

Erstes DV-Förderungsprogramm der Bundesregierung in der Bundesrepublik Deutschland. Förderungssume: 162 Millionen DM.

1967

Regierungsdirektor Dr. Lechmann vom Bundesministerium für wissenschaf-liche Forschung (BMwF) in Bonn stellt seine "Leitsätze für eine nationale Dokumen-tations- und Informationspolitik im Bereich der Wissenschaft und Technik" vor.

Einführung des Farbfernsehens in der Bundesrepublik.

Gründung des Komitees "Betriebsdokumentation" der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD). Vorsitzender: Heinz Marloth.

In London findet die von der Fédération Internationale de Documentation (FID) organisierte "International Conference on Education for Scientific Information Work" statt.

Das "Ohio College Library Center" (OLCL) wird gegründet. Es entwickelt sich zum weltweit größten bibliographischen Dienstleistungszentrum. Unter Beibehaltung des Acronyms heißt es später "Online Computer Library Center". 1967

1968

Am 23. April wird die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) gegründet. Sie hat ihren Sitz in Schloß Birlinghoven in Sankt Augustin bei Bonn, einem Jahrhundertwende-Bau im Stil eines englischen Landsitzes.

Vom 7.-10. Oktober findet die Working Conference on Software Engineering in Garmisch statt. Durch sie wird der Begriff "Software Engineering" in die Informatik eingeführt.

Josef Koblitz publiziert in der DDR seine Arbeit "Zum Wesen und Entwicklungsstand der Informations- und Dokumentationswissenschaft".

H. Borko veröffentlicht in den "Nachrichten für Dokumentation" einen Beitrag "Informationswissenschaft: Was ist das?"

Das "American Documentation Institute" (ADI) ändert seinen Namen in "American Society for Information Science" (ASIS).

1969

Die Fördermittel des Instituts für Dokumentationswesen (IDW) betragen 1,4 Millionen DM.

Die Urfassung der Arbeit von Kunz und Rittel "Die Informationswissen-schaften. Ihre Ansätze, Probleme, Methoden und ihr Ausbau in der Bundesrepublik Deutschland" wird maschinengeschrieben verteilt und in der Fachöffentlichkeit diskutiert.

Am 26. September wird das postgraduale Studium der Informations- und Dokumentationswissenschaft am Institut für Bibliothekswissenschaft und wissen-schaftliche Information der Humboldt-Universität begründet.

In Großbritannien wird der Dainton Report veröffentlicht. Er schuf die Grundlagen für die Gründung der British Library.

In Tokyo findet die "First Japan-United States Conference on Libraries and Information Science in Higher Education" statt.

Beginn der alle zwei Jahre stattfindenden "International Joint Conferences on Artificial Intelligence (IJCAI).

Im Oktober/November findet in Kampala/Uganda unter maßgeblicher Beteiligung von Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD) ein von der Friedrich-Naumann-Stiftung finanzierter und betreuter Kurs zur Weiterbildung ostafrikanischer Dokumentare statt.

1970 – 1979

In der Bundesrepublik Deutschland werden am Lehrinstitut für Dokumentation (LID) 171 wissenschaftliche Dokumentare, 229 diplomierte Dokumentare und 96 Dokumentations-Assistenten ausgebildet.

1970

Am 7. Januar wird in Frankfurt am Main durch das Deutsche FID-Komitee das Deutsche Komitee für Dokumentation (DKD) gegründet.

Vom 2.-5. März. findet in Jouy-en-Josas das "Residential Seminar on Governmental Responsibilities in Information for Industry" der OECD statt.

Am 6. August findet in Frankfurt am Main die konstituierende Sitzung des Deutschen Komitees für Dokumentation (DKD) statt. Zum Sekretär des DKD wird Heinz Marloth gewählt.

Berufung einer Programm-Kommission zur Erarbeitung eines Bundesförde-rungsprogramms Information und Dokumentation.

Einrichtung der US-Außenstelle des Instituts für Dokumentationswesen (IDW) in Washington durch Frau Dr. Helen von Bila. Nach Abschluß der grundlegenden Arbeiten wird Dr. Wolfgang Ettel Leiter der US-Außenstelle.

International geht die Zeit der großen Rechenzentren zu Ende. Die dritte Computergeneration besteht vollständig aus integrierten Schaltungen und Mikro-prozessoren. Monolith-Bausteine, Dünnschichtspeicher, Bytestruktur und Sprach-kompatibilität sind die Kennzeichen dieser Generation. Zwei Millionen Byte Speicherkapazität ist Standard, die Verarbeitungsgeschwindigkeit beträgt fünf Millionen Instruktionen pro Sekunde. Gegenüber der zweiten Computergeneration hat sich die Speicherkapazität versechzigfacht, das Tempo hat um das 25fache zugenommen. Die Rechner sind jetzt kleiner, billiger und leistungsfähiger geworden.

In London findet die von Aslib organisierte "Conference on International Developments in Scientific Information Services" statt.

In Großbritannien wird unter der Bezeichnung "Viewdata" die Idee verwirkl

icht, das Telefon, den Bildschirm und Datenbanken miteinander zu verbinden.

In den USA wird die "National Commission on Libraries and Information Science" (NCLIS) gegründet.

In den USA werden die ersten Mikroprozessoren entwickelt.

1971-1975

Zweites DV-Förderungsprogramm der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland.

1971 bis heute

4. Generation von Computern: Miniaturisierung der Hardware und große Fortschritte bei der Software

1971

Prof. Dr. Alwin Diemer von der Universität Düsseldorf veröffentlicht in den "Nachrichten für Dokumentation" seine Arbeit "Informationswissenschaft. Zur Be-gründung einer eigenständigen Wissenschaft und zur Grundlegung eines autono-men Bereichs "Informationswissenschaften".

Im Mai und November erscheinen Band I und II von "Das Informationsbankensystem. Vorschläge für die Planung und den Aufbau eines allgemeinen arbeitsteiligen Informationsbankensystems für die Bundesrepublik Deutschland. Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe beim Bundesminister des Innern an die Bundesregierung."

Gründung des "Lindenfelser Kreises", einer Arbeitsgemeinschaft der Vertreter zentraler Dokumentationseinrichtungen der Bundesrepublik. Der Kreis tagt nichtöffentlich und fast geheimbündlerisch zumeist in Hotels mit Schwimmbad und Tischtennisplatten. Seine informelle Wirksamkeit war enorm. Formell hat er folgende Papiere verabschiedet:

  1. Aufgaben zentraler Fachinformationseinrichtungen, 29.03.74.
  2. Eingabeseitige Arbeiten für ein maschinelles Informationssystem, 01.07.74.
  3. Profildienste und retrospektive Recherchen, 01.07.74.

Die UNESCO veranstaltet die "Intergovernmental Conference for the Estab-lishment of a World Science Information System (UNISIST).

In Rom findet die von der Fédération Internationale de Documentation (FID) organisierte "International Conference on Training for Information Work" statt.

In Denver findet das von der American Library Association und der American Society for Information Science organisierte "Symposium on Directions in Education for Information Science statt.

Auf der Berliner Funkausstellung stellt Telefunken/Decca die erste Bildplatte vor.

Inbetriebnahme der ersten Zeitungsseiten-Fernkopierer mit Laser-Technik.

1972

Die Fördermittel des Instituts für Dokumentationswesen (IDW) betragen 5 Millionen DM.

Im April erscheint Band III von "Das Informationsbankensystem". Die von Ingetraut Dahlberg zusammengestellte Auswahlbibliographie internationaler Fach-literatur 1960-1971 enthält auf 364 Seiten 5 800 sachlich angeordnete Titel, zum größten Teil mit Annotationen aus dem Gesamtbereich der Informationswissen-schaften, deren Gegenstand Informationssysteme sind und in denen Belange des Archiv-, Bibliotheks-, Dokumentations- und Informationswesens, besonders hinsichtlich ihrer maschinellen Methoden zusammengefaßt sind. Das mit einem umfangreichen Sach- und Autorenregister ausgestattete vorbildliche Werk hat bedauerlicherweise keine Nachfolge gefunden. Die deutschen Informationswissenschaftler begnügten sich fortan damit, gelegentlich die Spreu vom Weizen zu sondern und anschließend die Spreu zu publizieren und sich im übrigen ausgiebig anerkennend auf die eigene Schulter zu klopfen.

Nicht ganz zufällig äußert Lydia Vilentschuk aus Israel in etwa zur gleichen Zeit: "Die Arbeit wird in der Dokumentation hauptsächlich von Frauen gemacht. Die Männer gehen nur auf Dienstreisen."

In Großbritannien wird der British Library Act erlassen.

1973

In der Zeit vom 15. Mai bis 15. Juni und 15. September bis 15. Dezember werden den Heften der Zeitschrift UMSCHAU Fragebogen beigelegt, mit der die Vermittlung einer kostenlosen Literaturrecherche erbeten werden kann. 1 242 Leser machen von diesem Angebot Gebrauch. Die Anfragen stammen aus Max-Planck-Instituten, Hochschulen und Fachhochschulen, hochschulfreien Forschungseinrichtungen, von Studenten, Lehrern, aus Industriebetrieben, von Patentanwälten, von Verbänden und öffentlichen Einrichtungen, von Privatpersonen aus allen Ländern der Bundesrepublik sowie aus 22 ausländischen Staaten. Die Rechercheaufträge werden vom Institut für Dokumentationswesen (IDW) an insgesamt 117 IuD-Stellen vergeben. Die kürzeste Recherchedauer beträgt einen Tag, die längste 288 Tage. Diese 288 Tage werden benötigt, um in Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und Italien die zwei vorhandenen Literaturstellen über den zweigleisigen Ausbau der ehemals eingleisigen Bahnstrecke Genua-Ventimiglia ausfindig zu machen und zu kopieren. Als statistischer Durchschnittswert für die Recherchedauer werden 37 Tage ermittelt. Nachgewiesen wurden von null bis mehr als 500 Literaturstellen. Die vom IDW übernommenen Kosten beliefen sich auf 4 bis maximal ca. 360 DM pro Recherche.

Obwohl die Rechercheergebnisse von den Anfragern überwiegend positiv beurteilt werden, fällt die schriftliche Auswertung der UMSCHAU-Aktion vom März 1975 ohne jegliche im Wissenschaftsbetrieb übliche Diskussion und unter fast mafiös zu nennenden Begleitumständen der Zensur zum Opfer.

Die Bundesregierung setzt die "Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems" (KtK) mit der Aufgabe ein, Bedingungen, Verfahren und Entwicklungstrends im Bereich der elektronischen Kommunikation, vor allem im Zusammenhang mit dem Kabelfunk zu untersuchen und kommunikationspolitisch einzuschätzen. Trotz der damit ausgelösten Bestrebungen gerät die Bundesrepublik kommunikationstechnologisch international immer mehr ins Hintertreffen.

Das Deutsche Rechenzentrum (DRZ) in Darmstadt wird in die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) integriert. In der GMD befaßt sich unter anderem das Institut für Informationssystemforschung unter der Leitung von Dr. Adam Petri mit der Netzwerktheorie. Die "Petri-Netze" werden weltweit bekannt: sie machen es möglich, komplexe verteilte, d.h. nicht auf einen Ort konzentrierte Systeme, Prozesse und Zusammenhänge so darzustellen, daß sie vom Computer erfaßbar und auswertbar werden.

Die Organization for Economic Cooperation and Development (OECD) veröffentlicht den "Anderla Report", eine Studie über den voraussichtlichen Informationsbedarf und die Informationsressourcen im Jahre 1985.

In Großbritannien nimmt die British Library den Dienstbetrieb auf.

In England wird "Viewdata" erstmals demonstriert.

Die Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland sind weitgehend mit eigenen Computern ausgestattet.

1974-1977

Die Projektfördermittel des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT), die vom Institut für Dokumentationswesen (IDW) zusätzlich zu den eigenen Mitteln in Höhe von jährlich jeweils 5 Millionen DM betreut werden, steigen von 6 Millionen auf 22 Millionen DM.

1974

Gründung des ABD-Kreises, in dem die Zusammenarbeit der Fachverbände für Archivwesen, Bibliotheskswesen und Dokumentation in der Bundesrepublik verbessert werden soll.

Am 17. Dezember beschließt das Bundeskabinett das "Programms der Bundesregierung zur Förderung der Information und Dokumentation (IuD-Programm) 1974-1977". Zu diesem Zeitpunkt ist das erste Jahr der Laufzeit des Programms bereits vorüber. Insidern ist der vervielfältigte Text des Programms bekannt; aber die Veröffentlichung des gedruckten Textes erfolgt mit mehreren Monaten Verspätung erst im Juli 1975. Gleichwohl liegt eine von der japanischen Regierung veranlaßte Übersetzung bereits im Februar 1975 vor und beweist, daß Regierungsstellen auch zügig arbeiten können, wenn sie mit den richtigen Leuten besetzt sind.

Die Deutsche Bundespost betreibt die ersten Kabelfernseh-Versuchs-anlagen in Hamburg und Nürnberg.

Erste Versuche zur Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung werden in der Baudokumentation unternommen.

In Großbritannien wird das Office for Scientific and Technical Information (OSTI) in das British Library Research and Development Department (BLRDD) umgewandelt.

Die ersten programmierbaren Taschenrechner kommen auf den Markt.

1975-1977

In Großbritannien tagt die "Working Party on the Future of Professional Qualifications" der Library Association.

1975

Beginn des Dritten Datenverarbeitungsprogramms der Bundesregierung.

Die Gesellschaft für Informatik (GI) verabschiedet die "Empfehlungen für ein Informatikstudium an Fachhochschulen".

Die Planungsarbeiten für die 16 Fachinformationssysteme des IuD-Pro-gramms beginnen.

Im Berliner Heinrich-Hertz-Institut beginnt das Laborprojekt "Zweiweg-Kabelfernsehen".

In London findet das "First International Forum on Information Science" statt.

1976

In Konstanz findet das Konstanzer Literaturgespräch 1976 mit dem Schwerpunktthema "Wissenschaftliche Information heute und morgen" statt.

Die Gesellschaft für Informatik (GI) veröffentlicht im Zentralblatt für Didaktik der Mathematik ihr Papier "Zielsetzungen und Inhalte des Informatikunterrichts" und eröffnet damit eine Reihe von pädagogischen Empfehlungen, die innerhalb weniger Jahre dazu führen, daß der Umgang mit Computern für weite Kreise der Bevölkerung entmystifiziert wird.

In den USA am 13. September Verabschiedung des "Government in the Sun-shine Act" (PL 94-409).

1977

Einrichtung der Außenstelle Tokyo des Instituts für Dokumentationswesen (IDW). Dr. Ulrich Wattenberg wird Leiter der Außenstelle.

Gründung der ersten Fachinformationszentren (FIZ) in der Bundesrepublik.

Thomas Seeger faßt die Auffassungen einer ganzen Reihe von Kritikern des Lehrinstituts für Dokumentation (LID) in Folge 9 der "Beiträge zur Informations- und Dokumentationswissenschaft" zusammen:

"Die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Ausbildungssituation des LID ist in vielfacher Weise zum Ausdruck gekommen. Insbesonders sind Detailpunkte der Ausbildung kritisiert worden, die sich auf

  • den Inhalt der Lehrveranstaltungen,
  • die Organisation des Lehrgangs,
  • die Darbietung des Lehrstoffs,
  • die vielen Überschneidungen und fehlenden Abstimmungen unter den Dozenten,
  • die fehlende Konzeption der Ausbildung,
  • die Prüfungsmodalitäten,
  • die Auswahl der Lehrgangsteilnehmer

beschränken."

Am 6. Juni Gründung der Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID). Das abgekürzte Gründungsdatum 6.6.77 erinnert etwas an das Gründungsdatum der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der Vorläuferin der Max-Planck-Gesellschaft, die am 11.11.11 gegründet worden ist.

In Berlin und Frankfurt am Main werden erste Versuchsstrecken für Glasfaserleitungen angelegt.

In Albany, N.Y., findet die "Conference on Education for Information Science-Strategies for Change in Library Schools Programs" statt.

In Aberystwyth findet der "Workshop on Curriculum Development in Library and Information Science" statt.

In Kopenhagen findet das von der Königlichen Bibliotheksschule organisierte "Second International Forum on Information Science" statt.

Gründung der "Sektion Informationswissenschaft" der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD). Sie soll Anlaufstelle und Forum für Personen und Institutionen sein, die in der Informationswissenschaft tätig sind. Sie erlangt nicht annähernd die Bedeutung, die in den USA die "American Society for Information Sciences" (ASIS) und in Großbritannien das "Institute of Information Scientists" (IIS) erreicht. Die Schließung der Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID), in der alle Leitungsfunktionen mit Informationswissenschaftlern besetzt waren, wurde im Jahre 1987 zum "Stalingrad der deutschen Informationswissenschaft". Seit dieser Zeit kursiert der Spruch: "Gott hat in seiner unendlichen Weisheit die deutschen Informationswissenschaftler geschaffen. Leider hat er vergessen, uns zu sagen warum."

Die Deutsche Bundespost erwirbt das britische Viewdata-System komplett mit Software und Rechner, veröffentlicht ihre Vorstellungen für einen entsprechenden deutschen Dienst mit der Bezeichnung "Bildschirmtext" (Btx) und präsentiert Btx anläßlich der Internationalen Funkausstellung in Berlin.

Für Bürozwecke werden 440 000 Normalkopierer verkauft.

In Berlin und Frankfurt am Main werden die ersten Versuchsstrecken für Glasfaserleitungen angelegt.

1978

Das Lehrinstitut für Dokumentation (LID) führt im Frühjahr den sogenannten "Banken-Lehrgang" durch, um im Schnellverfahren Mitarbeiterinnen der Dokumentationsabteilungen Frankfurter Banken eine Grundausbildung zu ermöglichen. Für die 10 Vorlesungsstunden "Organisation und Betrieb von Bibliotheken und Informations-einrichtungen" findet der Dozent in der Lehrmaterialsammlung des LID nicht eine einzige brauchbare Unterlage vor und sieht sich gezwungen, in nicht vergüteter Zusatzarbeit mehr als 100 Overheadfolien selbst herzustellen. Eine Abschlußbesprechung der am Lehrgang beteiligten Dozenten zum Austausch der bei diesem Kurs-typ gesammelten Erfahrungen findet nicht statt.

Zur Beseitigung von chaotischen Zuständen im Frankfurter Lehrinstitut für Dokumentation (LID) beruft die Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID) einen "GID-Beirat für das LID". Auf seiner konstituierenden Sitzung am 29. Juni billigt das Gremium das vorgelegte GID-Papier "Probleme der Ausbildung von Dokumentaren im Lehrinstitut für Dokumentation der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation" und betont die Notwendigkeit, deutliche Akzente für eine Reform des LID zu setzen. Empfehlungen hierfür werden während der Sitzungen des Gremiums am 29.06.1978, 06.10.1978 und 25.01.1979 ausgesprochen und vom LID in die Praxis umgesetzt.

Überleitung des Dokumentationszentrums für Informationswissenschaften der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD) in die Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID).

Gründung der Online-Benutzergruppe (OLBG) der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD).

Die Kommission für Ausbildungs- und Berufsfragen des Vereins der Diplom-Bibliothekare an wissenschaftlichen Bibliotheken (VdDB) und die Kommission für Ausbildungsfragen des Vereins Deutscher Bibliothekare (VDB) legen eine Materialsammlung "Gemeinsame Ausbildung für Bibliothekare und Dokumentare" vor. Damit beginnen tastende Versuche zur Zusammenführung von zwei Arbeitsrichtungen, die im angloamerikanischen Ausland als "Library and Information Sciences" von Anfang an eine Einheit gebildet haben.

Die Gesellschaft für Informatik (GI) veröffentlicht ihre "Empfehlungen zur Aus-bildung, Fortbildung und Weiterbildung von Lehrkräften für das Lehramt Informatik in den Sekundarstufen".

In der Bundesrepublik beginnt ein nichtöffentlicher Bildschirmtext-Versuch.

In den USA wird ein erster Test-Markt für Bildplatten eröffnet.

1979

Das Bundeskabinett billigt den Bundesbericht Forschung VI.

Die Gesellschaft für Informatik (GI) veröffentlicht ihre "Stellungnahme und Empfehlungen zum Volkshochschulzertifikat Informatik".

Im November wird in Frankfurt am Main in einem Workshop "FIABID – Integrierte Ausbildungskonzeptionen im Tätigkeitsbereich Bibliothek, Information und Dokumentation" vorgestellt. Das vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) 1976 bis 1978 finanziell geförderte Projekt scheitert trotz seiner guten diagnostischen und prognostischen Teilprojekte vor allem aus folgenden Gründen:

  • Der Bund ist für Fragen der Ausbildung nicht zuständig.
  • Die Bundesländer werden an der Konzipierung und Projektbegleitung nicht beteiligt.
  • Die Bibliotheksverbände stehen dem Vorhaben zum Teil reserviert gegenüber.
  • Der zweifellos vorhandene gute Wille des Berliner Projektleiters und seiner Mitarbeiter sind wesentlich größer als ihr pädagogischer Sachverstand und ihr Überblick über die Zusammenhänge im Bildungsbereich der Bundesrepublik Deutschland.

Etwa zur gleichen Zeit wird in Niedersachsen der "Modellversuch BID" durchgeführt, der im Rahmen eines Fachhochschul-Studiengangs neue Akzente setzt. Er führt zu strukturellen Verbesserungen, aber zu keinem qualitativen Durchbruch im BID-Ausbildungsbereich.

In Berlin bringt Hans-Dieter Holzhausen die Technophobie der Bibliothekare auf den Punkt: "Der Weg zu den Neuen Technologien kann von Bibliothekaren nur unter Zuhilfenahme der Elixiere des Teufels begangen werden."

175 000 Westdeutsche kaufen einen Videorecorder, davon 65 000 von europäischen und 110 000 von japanischen Herstellern.

In Großbritannien wird die "Arts and Libraries Branch" des Department of Education and Sciences (DES) umbenannt in "Office of Arts and Libraries" (OAL).

Die Deutsche Bundespost führt den Fernkopierdienst "Telefax" ein.

1980

Die 80er Jahre sind durch die vierte Computer-Generation geprägt. Charakteristika dieser Generation sind eine Speicherkapazität um die acht Millionen Byte und ein Rechentempo von 30 Millionen Instruktionen pro Sekunde. Der Siegeszug der Computer macht nach der Eroberung von Büros, Verwaltungen und Fabriken nicht halt: Personal- und Spielcomputer ziehen weltweit in die privaten Haushalte ein. Die Fachdisziplin "Informatik" wandelt sich von einer Kunst des Programmierens zu einerm Wissen über das Konstruieren von Software, d.h. sie ist zur echten Ingenieurwissenschaft geworden. Es eröffnen sich Möglichkeiten, Programme zu entwickeln, die die Inhalte von Informationen erkennen und in eine Relation bringen können. Schlagwörter sind: Mustererkennung, kognitive Systeme, Wissensbanken und Expertensysteme. Hiermit wird durch die Informationstechnik ein Stück geistesgeschichtlicher Entwicklung mitgestaltet. Wissenschaftler, Informatiker, Ingenieure, Techniker und Anwender finden sich in einen kulturgeschichtlichen Entwicklungsprozeß eingebunden.

Bedauerlicherweise geraten die deutschen Bibliothekare gegenüber der EDV in unhaltbare Positionen ("Holzhausen-Syndrom"). Respektablen Leistungen und Einsichten z.B. in Frankfurt am Main und Bielefeld (sicherlich auch anderswo) stehen Beckmessereien gegenüber, die Bits und Bytes als Manna für den gehobenen Dienst ansehen und nicht wahrhaben wollen, daß im angloamerikanischen Raum der Abbau rein bibliothekarischer Ausbildungsgänge unaufhaltsam fortschreitet und die Tätigkeitsbezeichnungen mit dem Wortbestandteil "Informations-…" rasch zunehmen.

In Düsseldorf und Berlin laufen Feldversuche mit Btx an.

In einem bundesweiten Versuch strahlen ARD und ZDF in der Austastlücke des Fernsehbildes "Videotext" aus.

Die Deutsche Bundespost führt in 600 Postämtern den Telebriefverkehr ein.

Am 20. Februar werden in Frankfurt am Main die "Vorschläge für die Errichtung einer Arbeitsgemeinschaft der Ausbildungs- und Fortbildungseinrichtungen im IuD-Bereich (AG-AFE)" vorgelegt.

Am 22./23. Februar findet in Meinsen das "Seminar "Unterrichtsformen und Unterrichtsgestaltung" des Fachbereichs Bibliothekswesen/Information/Dokumenta-tion der Fachhochschule Hannover statt. Es wird mit der Feststellung eröffnet, daß der BID-Bereich bisher weder über eine eigene Fachdidaktik noch über hinreichend gesicherte Methoden zur Evaluierung der Ausbildungstätigkeit verfügt. Das Seminar bleibt ein Einzelfall. An der Misere der BID-Ausbildung ändert sich auch in Zukunft nichts.

Die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD) stiftet den "Erich-Pietsch-Preis". Er soll "für eine deutschsprachige Veröffentlichung verliehen werden, die einen wesentlichen und aktuellen Beitrag zur Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Informationswissenschaft oder der Informationspraxis leistet. Das Preiskomitee kann allerdings für die Zeit von 1972 bis 1982 nicht eine einzige deutsche informationswissenschaftliche Arbeit finden, die preiswürdig gewesen wäre, und vergibt den Preis mehrere Male hintereinander an Informatiker.

Gründung des Lehrstuhls für Informationswissenschaft in Konstanz. Er entwickelt sich unter Rainer Kuhlen zu einer über die Grenzen seines Sitzlandes hinaus wirksamen und erwähnenswerten Einrichtung.

Die Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID) legt am 1. August in Frankfurt am Main ein "Konzept für Fortbildungsmaßnahmen im Bereich Bibliothe-ken, Information und Dokumentation" vor.

Das GID-Kolleg, die Fortbildungseinrichtung der Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID) legt am 10. September ein "Konzept für die funktionsbezogene Fortbildung von wissenschaftlichen Referenten im Zentralbereich Projektträgerschaft und Förderung der GID" vor. Es wird weder diskutiert noch realisiert, obwohl die unabdingbare Notwendigkeit von permanenter Fortbildung zu diesem Zeitpunkt unumstritten ist und die Schwachstellen der Projektträgerschaft ebenso bekannt sind wie die erheblichen Identifikationsprobleme von Wissenschaftlern bei Projektträger-Organisationen.

98% der Haushalte der Bundesrepublik verfügen über mindestens ein Fernsehgerät, 73% über einen Farbfernseher.

In den USA Verabschiedung Freedom of Information Act.

In den USA Verabschiedung des Paperwork Reduction Act of 1980 (PL 96-511) und des Computer Software Copyright Act of 1980 (PL 96-517)

Sony und Hitachi führen Prototypen tragbarer Videorecorder vor.

1981

Im Januar 1981 existieren in der Bundesrepublik Deutschland folgende Beratungsgremien für Aus- und Fortbildung im Bereich Bibliotheken, Information und Dokumentation:

  1. Arbeitsgemeinschaft der Ausbildungs- und Fortbildungseinrichtungen im IuD-Bereich (AG-AFE)
  2. Arbeitsgruppe V (Ausbildung) der Arbeitsgemeinschaft der Fachinformationszentren (AG-FIZ)
  3. Sachverständigenkreis "Ausbildung im IuD-Bereich" des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT – ID.SK.05)
  4. Fachbeirat für Aus- und Weiterbildung der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD)
  5. Arbeitsgruppe "Ausbildung" der Sektion für Informationswissenschaft der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD-SIW)
  6. Fortbildungskommission des Deutschen Bibliotheksinstituts
  7. Sektion 7 "Bibliothekarische Ausbildungsstätten" des Deutschen Bibliotheksverbands (DBV)
  8. BID-Fortbildungskommission für die Region Berlin
  9. Konferenz der bibliothekarischen Ausbildungsstätten (KBA)
  10. Ausbildungskommission für wissenschaftliche Bibliotheken des Verbandes der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen
  11. Fortbildungskommission des Vereins Deutscher Bibliothekare (VDB)
  12. Bildungsausschuß des Vereins Deutscher Dokumentare (VDD)
  13. Kommission für Ausbildungs- und Berufsfragen des Vereins der Diplom-Bibliothekare an wissenschaftlichen Bibliotheken (VdDB)

50 000 Datenstationen und 7 000 Telefaxgeräte sind an das bundesrepublikanische Telefonnetz angeschlossen.

Im Dezember führt in Großbritannien das "Joint Consultative Committee" der Library Association (LA) ein "Seminar on National Information Policy" durch und gibt Empfehlungen

a) an die Regierung,

b) an die Mitglieder der LA.

In den USA stellt die Library of Congress ihr Katalogsystem von Karten-Katalogen auf computerisierte bibliographische Systeme um.

1982

Das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) legt den "Leistungsplan Fachinformation 1982-1984" vor.

In der Bundesrepublik Deutschland wird der Titel "Diplom-Dokumentar" erstmals verliehen.

Die Gesellschaft für Informatik (GI) veröffentlicht ihre "Lernziele des informatikunterrichts an kaufmännischen Schulen".

Im Bürobereich werden 1 600 000 Normalkopierer verkauft.

Auf dem deutschen Markt wird die Laser-Bildplatte eingeführt.

1983

Im März werden in den Unterlagen zu einem "Modellversuch zur bibliothekarischen Fort- und Weiterbildung" die Fortbildungsangebote für Bibliothekare und Mitarbeiter in Bibliotheken kritisiert. Sie sind derzeit "regional und lokal als überwiegend unzureichend anzusehen (mit Ausnahme von Berlin und Nordrhein-Westfalen)."

Im April legt der Präsident des Bundesrechnungshofs ein Gutachten über Probleme der Fachinformation in der Bundesrepublik Deutschland vor. Es relativiert die Rolle des Staates bei der Finanzierung von Einrichtungen der Fachinformation und betont die Notwendigkeit privatwirtschaftlicher Finanzierung.

Am 15. April wird in Ulm-Wiblingen der AG-AFE-Preis für Nachwuchsförderung1982 an Ralph Schmidt M.A. für seine Magisterarbeit "Bestandsaufnahme und Typisierung raumrelevant arbeitender Informationssysteme. Neue Formen des Infor-mationsverhaltens in der Geographie" übergeben.

Das Internationale Informationsnetz für Wissenschaft und Technologie (ISTN) nimmt seine Arbeit auf. Deutscher Zubringer zu diesem Netz ist das Fachinformationszentrum Energie, Physik, Mathematik GmbH in Karlsruhe.

Im Zentralblatt für Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) wird die "Denkschrift über Stand und Entwicklung der Ausbildung und Fortbildung im Bereich Bibliotheken, Information und Dokumentation der Bundesrepublik Deutschland" veröffentlicht.

Die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) wird umstrukturiert und besteht jetzt aus folgenden Instituten:

  • Institut für methodische Grundlagen
  • Institut für Systemtechnik
  • Institut für angewandte Informationstechnik
  • Institut für informationstechnische Infrastrukturen
  • Institut für Technologie-Transfer

1984

Der Arbeitskreis Information und Dokumentation des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) verabschiedet 8 Thesen zur zukünftigen Entwicklung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Fachinformation in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Gesellschaft für Informatik (GI) veröffentlicht ihre Papiere "Informatik an gewerblichen Schulen" und "Informatik in der Sekundarstufe I"..

Der Wissenschaftsrat veröffentlicht am 16. November ein 84 Seiten langes, gründliches und sehr gewissenhaftes Gutachten über die Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID). Er empfiehlt "Bund und Ländern, die Förderung der GID nicht fortzuführen". In der Begründung spielen unter anderem folgende Punkte eine Rolle:

  • Mehrjährige Vakanzen in wesentlichen Leitungspositionen,
  • Versagen des GID-Aufsichtsrats,
  • laufende Eingriffe in die wissenschaftliche Arbeit durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT),
  • fehlende Qualifikation und Flexibilität eines Teils der Mitarbeiter,
  • laufende Änderungen der politischen Prioritäten des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT).

Zu der für EDV zuständigen und im Computer-Zeitalter besonders wichtigen Sektion für Technik (SfT) sagt das Gutachten: "Auch sind in den sieben Jahren seit der Gründung der GID grundsätzlich neue Fragen offenbar von der SfT nicht mehr aufgegriffen worden".

1985

Neuorientierung der Fachinformationspolitik der Bundesregierung durch das Fachinformationsprogramm 1985-1988.

Gründung des GMD-Instituts für Integrierte Publikations- und Informationssy-steme (IPSI) in Darmstadt und der GMD-Forschungsstelle für Informationswirtschaft in Köln.

Der Fachbereich Information und Dokumentation an der Fachhochschule Darmstadt startet mit den Studienrichtungen

  • Medien- und Wirtschaftsinformation
  • Chemie-Information

und nimmt den Lehrbetrieb auf.

Die Produktion von Chips mit 1 MB Speicherkapazität gelingt.

1986

Vom 3.-5. Juni findet die Achte Frühjahrstagung der Online-Benutzergruppe der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD) in Hofheim/Taunus mit einem grundlegenden Vortrag über "Probleme der Fachinformationspolitik der Bundesrepublik Deutschland" statt.

Im Oktober nimmt das Institut für Integrierte Publikations- und Informationssysteme (F4, später IPSI) der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) im Braunshardter Weg 11 in Darmstadt seine Tätigkeit auf. Die Besetzung seiner Leitung mit Prof. Dr. Erich Neuhold erweist sich als ein guter Griff: Neuhold, promovierter Informatiker, neun Jahre lang im Wiener Forschungslabor und in einer USA-Entwicklungsabteilung von IBM tätig, danach bis 1983 C4-Professor, anschließend zwei Jahre lang Direktor eines Forschungslabors von Hewlett-Packard in den USA und ab Ende 1984 C4-Professor für Angewandte Informatik in Stuttgart ist für die schwierige Aufgabe der "GID-Resteverwertung" der richtige Mann. Er erweist sich im Laufe der Jahre als die personifizierte Widerlegung von Vorurteilen, die manche Deutsche gegenüber Österreichern haben.

"Info7", das Organ der Fachgruppe Presse-, Rundfunk- und Filmarchivare/-dokumentare kommt auf den Markt.

Der vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) finanzierte "Modellversuch Informationsvermittlung" zur Förderung der Nutzung von Fachinformationen beginnt.

Vom 3.-5. November findet beim British Council in Köln das"British-German Symposium on Education and Training in the Information Fields" statt. Auf dem Symposium wird eine Zusammenstellung von Christiane Veyssière vom Lehrstuhl für Bibliothekswissenschaft der Universität zu Köln "Deutsche Literatur 1975-1985 zu didaktischen Fragen der Bibliotheks- und Informationswissenschaft" bekannt,. Sie weist 55 Literaturstellen aus, davon 48 für den Zeitraum 1975-1980 und nur noch 7 für die Zeit von 1981-1985. Da Deutsche auch nicht als Autoren in den internationalen Fachorganen für BID-Ausbildung und -fortbildung vertreten sind, liegt der Schluß nahe: Ausbildung und Fortbildung im BID-Bereich der Bundesrepublik Deutschland ist eine methodisch-didaktische Sahelzone.

1987

Im März beginnen in Darmstadt Fortbildungskurse für die Wissenschaftler der Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID), um ihnen die für ihre spätere Tätigkeit bei der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) die erforderlichen Grundkenntnisse über die Grundlagen von Datenbanksystemen und der Programmiersprachen PROLOG und LISP zu vermitteln. Da in der GID trotz der mit sechs Mitarbeitern besetzten Fortbildungseinrichtung GID-Kolleg nie systematische Fortbildung betrieben worden ist und deshalb nicht auf bereits bewährte Verhaltensmuster zurückgegriffen werden konnte, ist die Durchführung der Kurse nicht ganz einfach und wird nur durch die überragenden pädagogischen Fähigkeiten des Darmstädter Informatikers Prof. Dr. Hans-Jörg Schek ein Erfolg.

Die Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID) wird aufgelöst. Damit findet eine der dubiosesten Einrichtungen der neueren deutschen Wissenschaftsgeschichte ihr Ende.

Die Gesellschaft für Informatik (GI) veröffentlicht "Empfehlungen zur Lehrerbildung im Bereich Informatik".

1988

In der Bundesrepublik setzt sich das Bewußtsein durch, daß es sich bei Informatik und Informationstechnik um eine Schlüsseltechnologie handelt. Ihre Beherrschung oder Nicht-Beherrschung kann das Schicksal ganzer Volkswirtschaften entscheiden.

Die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) erhält einen neuen Gesellschaftsvertrag und einen neuen Gesellschafter: das Land Hessen. Im Gesellschaftsvertrag wird die Fachinformation als neuer Forschungsgegenstand der GMD festgeschrieben. Sie wird durch die Integration der Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID) einer der Arbeitsschwerpunkte der GMD.

1989

Am 15. Januar werden in Darmstadt bei GMD-IPSI vorgelegt:

  1. Empfehlungen für Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildung und Fortbildung im Bereich Bibliotheken, Information und Dokumentation.
  2. Lernziele für die Ausbildung und Fortbildung.
  3. Qualitätskriterien für Fortbildungsmaßnahmen.

Am 20 Januar führen die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung, Bereich Darmstadt (GMD) und die Kölner Gesellschaft für Kommunikation und Datenverarbeitung (KODA) an der Fachhochschule für Bibliotheks- und Dokumentationswesen (FHBD) ein Modell-Seminar "Training the Trainer für Fachhochschullehrer mit DV-Fortbildungsaufgaben" durch. Das Seminar steht unter dem Spruch von Konfuzius "Es ist besser, ein kleines Licht anzuzünden, als über die große Dunkelheit zu fluchen." Das Seminar bestätigt, daß ein Fortbildungsbedarf auch für BID-Fachhochschullehrer besteht, und daß die Infrastruktur der DV-Fortbildung Mängel aufweist, die die Effizienz der Fortbildung gefährden.

Am 20. September wird in Heidelberg die Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände (BDB) gegründet.

Am 31. Dezember wird die Gesellschaft für elektronische Medien mbH (GEM), eine der Nachfolgeeinrichtungen der Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID), liquidiert.

Die ersten 4 MB-Speicherchips werden hergestellt.

1990

Der Lehrstuhl für Bibliothekswissenschaft an der Universität zu Köln wird geschlossen.

1991

Am 22. April beschließt der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD) ohne Gegenstimmen mit einer Enthaltung die Auflösung seines Lehrinstituts für Dokumentation (LID) zum 31.12.1991.

1992

Am 17. Februar beginnen die Lehrveranstaltungen am Fachbereich Information und Dokumentation der Fachhochschule Potsdam.

1993

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bibliothekswesen legt ihren Abschlußbericht 1990-1992 vor, der eine Reihe von beachtenswerten Hinweisen enthält.

1994

Die "Bund-Länder-Initiative zur Beschleunigung der Literatur- und informationsdienste" (SUBITO) nimmt ihre Arbeit auf. Sie schließt an das Modellprojekt zur Vernetzung von Fachinformationszentren und Bibliotheksverbünden an.

Der Verein der Diplom-Bibliothekare an wissenschaftlichen Bibliotheken (VdDB) veröffentlicht seine Ansichten und Positionen "Zum Qualifikationsprofil von Bibliothekaren im Zeitalter der EDV" und schreibt zu den Ausbildungs- und Kompetenz-Defiziten:

  1. Fachliche Kompetenz: Aus der Ausbildung bringt der Dipl.-Bibliothekar die Fachkompeztenz bzgl. der traditionellen Quellen auf jeden Fall und bzgl. der neuen Informationsmittel schon weitgehend mit. Beide Teilgebiete unterliegen aber einem schnellen Wandel, …
  2. Technische Kompetenz: Der Bereich umfaßt vielfältige Kenntnisse. Für alle diese Tätigkeiten sind die meisten Dipl.-Bibliothekare nicht, nicht immer oder nicht umfassend genug ausgebildet.
  3. Betriebswirtschaftliche Kompetenz: Für diese Aufgaben sind Dipl.-Bibliothekare durch die Ausbildung relativ schlecht gerüstet.
  4. Organisatorische Kompetenz: Mit der Befähigung zu dieser Aufgabe durch die Ausbildung sieht es ebenso mangelhaft aus. …; die Ausbildung sollte endlich darauf reagieren.
  5. Psychologische Kompetenz im Umgang mit Benutzern, im Umgang mit Mitarbeitern und im Umgang mit der (beruflichen) Öffentlichkeit. Wie sind die Dipl.-Bibliothekare auf diese kniffligen Anforderungen des Berufsalltags durch die Ausbildung vorbereitet? Hier sieht es leider ganz finster aus.
  6. Pädagogische Kompetenz: Auch für diese Aufgabe ist der Fachhochschul-Absol-vent nicht optimal vorbereitet; methodisch-didaktische Kenntnisse werden nicht vermittelt. Vieles – wenn nicht das meiste – muß er sich selbst aneignen.


Vorlage zur Diskussion im Internet

Heinz Marloth

Deutsche Archiv-, Bibliotheks- und Informations-Ausbildung im Jahre 2000

Notwendige Vorbereitungen auf weitreichende Änderungen

Frankfurt am Main 1995

Inhaltsverzeichnis

  1. Stand und Erfordernisse
    1. Allgemeine Probleme und Entwicklungen
    2. Die Ausbildungseinrichtungen
      1. Übersichten und Jahresberichte
      2. Entwicklungen im Ausland
      3. Veränderungen im Inland
      4. Hochschulinterne Qualitätsverbesserungen und Effizienzsteigerung
        1. Globalhaushalte
        2. Verbesserung der Qualität der Lehre
        3. Fachhochschul-Forschung
      5. Probleme in den alten und neuen Bundesländern
    3. Die Lehrkräfte
      1. Allgemeines
      2. Fremdbilder und Eigenbilder von Hochschullehrern
      3. Eigenbewertung von Hochschullehrern im In- und Ausland
      4. Insidersichten eines deutschen Hochschullehrers
      5. Professoren aus Verlegersicht
      6. Lehrorientierte und studienorientierte Hochschullehrer
      7. Praxisbezogenheit der Fachhochschullehrer
      8. Anforderungen des Wissenstransfers an Hochschullehrer
      9. Probleme der pädagogischen Kompetenz von BID-Hochschullehrern
    4. Die StudentInnen
      1. Die Studierfähigkeit von StudentInnen
      2. Das Leseverhalten von Studienanfängern und ihre Vorbereitung auf den wissenschaftlichen Diskurs
      3. Die Kritikfähigkeit von StudentInnen
      4. Die Förderung besonders Befähigter
  2. Evaluierungsregeln
    1. Bewertung von Informationen für Studierwillige
      1. Formale Kriterien
      2. Inhaltliche Kriterien
    2. Bewertung von ABI-Ausbildungseinrichtungen
    3. Bewertung von ABI-Lehrkräften
    4. Bewertung von ABI-Curricula
    5. Bewertung von ABI-Fortbildungsangeboten und -veranstaltungen
    6. Bewertung von BID-Fachzeitschriften
  3. Neue Methoden und Verfahren
    1. Allgemeines
    2. Evaluation der Lehre
    3. Tutorien und Audience Paced Feedback
    4. Fernstudium
    5. Senioren-Studium
    6. Aktion Jean-Monnet II
  4. Ausblick
  5. Literatur


Vorlage zur Diskussion im Internet

Heinz Marloth

Aspekte der Professionalisierung des Beruffeldes Information

Kritik einer Darmstädter Jubiläumsschrift

  1. Einleitung
  2. Der Inhalt des Werkes
  3. Bemerkungen zu einzelnen Kapiteln
  4. Die Mängel der Kapitel 22-36
    1. Fehlende Grunddaten der Ausbildung
    2. Fehlendes Eingehen auf die Informationsbedürfnisse von Studierwilligen
    3. Fehlendes Eingehen auf das Studierverhalten des BID- Nachwuchses
    4. Fehlendes Eingehen auf Probleme der "praxisgerechten" Aus-bildung
    5. Fehlendes Eingehen auf die Zusammenhänge zwischen Ausbildungssituation und "Zeitgeist"
    6. Fehlendes Eingehen auf Besonderheiten der deutschen Hochschulentwicklung
    7. Fehlendes Eingehen auf Mängel bei den pädagogischen Fähigkeiten der Lehrkräfte
    8. Eigenwilliger Umgang mit der Terminologie des Erziehungs wesens
    9. Fehlende Hinweise auf die Evaluierung des Darmstädter Fachbereichs
  5. Fazit
  6. Literatur

Der Anhang ist in der Online-Version der "Saarbrücker Thesen" nicht enthalten.

  • Description Deparment of Computer Sciences: Carnegie Mellon University
  • Description Department of Electrical Engineering and ComputerScience: Massachussetts Institute of Technology (MIT)
  • Ausländische Institutionen und ausländische Probleme als Gegenstand bibliotheks- und informationswissenschaftlicher Forschung in Großbritannien.
  • Eine Bibliographie

Heinz Marloth

FRANKFURT AM MAIN

Bibliotheksinterne Kritik am deutschen Bibliothekssystem von 1985 bis heute

Dem heutigen Betrachter der Bibliothekslandschaft in der Bundesrepublik bietet sich ein verworrenes und verwirrendes Bild. In keinem anderen westeuropäischen Land gibt es so viel Uneinheitlichkeit an Bibliothskstypen und Bibliothekssparten, in keinem anderen Land ist der Berufsstand so zersplittert und eigenwillig organisiert.

(Schmidt-Künsemüller, F.-A.: Strukturprobleme des deutschen Bibliothekswesens. In: Zur Theorie und Praxis des modernen Bibliothekswesens. Bd. 1, S. 155.)

Gesamtübersichten über das Ausbildungs- und Fortbildungsgeschehen, wie sie in den USA regelmäßig von der Association for Library and Information Science Education (ALISE) vorgelegt werden: ((ALISE (Ed.): Library and Information Science Education. Statistical Report 1985. State College, PA: ALISE 1985), sind in der Bundesrepublik bisher nicht bekannt.)

Über zwanzig Jahre haben wir gebraucht, die (…) "RAK" zu erarbeiten, und es sollte ein DV-gerechtes Regelwerk werden, und was ist daraus geworden? Ein Jahrhundertwerk, ein echtes Jahrhundertwerk, weil wir ein Jahrhundert brauchen werden, um es wieder zu überwinden. (…) Muß sich denn Kulturhoheit immer dadurch profilieren, daß man es partout anders macht als die anderen? Was haben wir nicht alles Feines entwickelt oder entwickeln lassen! IBAS und HEBIS als konkurrierende Katalogisierungssysteme, und Konkurrenz belebt schließlich das Geschäft, nur stimmt diese Maxime hier nicht. Und nicht bloß IBAS und HEBIS, nein: HEBIS-Hessen, HEBIS-Bayern, HEBIS für die obersten Bundesbehörden; IBAS-Berlin, IBAS-Südwest, IBAS-Nordrhein-Westfalen. Sie sind natürlich alle nicht miteinander kompatibel, aber dafür ist jedes System das beste! (…) Die Vereinigen Staaten von Amerika sind weiß Gott ein föderalistischer Staat, aber keine Bibliothek in Texas oder Illinois wird daran gehindert, sich z.B. dem OLCL in Ohio anzuschließen; aber entscheidender ist wohl etwas anderes: Kein Bibliothekar in Texas oder Illinois wird sich z.B. dem OLCL nicht anschließen, weil das OLCL nicht in Texas oder Illinois, sondern in Ohio liegt.

(Baron, G.: Brauchen wir die alternative Bibliothek? In: Dankert, B. und G. Wiegand (Hrsg.): 4. Deutscher Bibliothekartag und 78. Deutscher Bibliothekskongreß in Berlin 1988. Reden und Vorträge. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann o.J., S. 32/33.)

Hört man sich um und fragt nach den Gründen der Abstinenz, erhält man ein ganzes Bündel von Antworten: Keine Zeit dafür – kein Geld dafür – macht zuviel Arbeit – bringt mich nicht weiter in meiner Karriere – mein Chef hat kein Interesse daran – ist doch nur etwas für Verbandsfunktionäre – habe nicht genügend Sprachkenntnisse – ist doch nur eine Abart des Wissenschaftstourismus – bringt der Bibliothek keinen Nutzen – bei uns sind die Verhältnisse nicht vergleichbar – wir brauchen keine guten Ratschläge von außen! – was soll’s auch !!" Er nennt anschließend einige der Gründe für dieses Verhalten: "Vornehme Zurückhaltung – satte Bequemlichkeit – eine gewisse Selbstgenügsamkeit – Geldmangel – gesunkene Kenntnis fremder Sprachen – unser Beamtenrecht – das Recht der Tarifverträge – administrative Hemmnisse" und fährt fort: "Dagegen steht in merkwürdigem Gegensatz, daß unsere Arbeit in Wissenschaftlichen und Öffentlichen Bibliotheken auf Internationalität ausgerichtet ist und daß wir fortwährend Grenzen überschreiten, die Grenzen unseres Sprachraums, Grenzen von Staaten und Völkern: Wissenschaft arbeitet international, und in der Literatur sprechen wir von Weltliteratur. Wir kaufen Bücher und Zeitschriften aus aller Welt, haben Tauschpartner in Ost und West, recherchieren weltweit in externen Datenbanken und nutzen Fremdleistungen aus Katalogdatenbanken anderer Länder. […] Aber in unseren bibliothekarischen Arbeitsmethoden und Organisationsformen tun wir oft so, als ob es den Rest der Welt nicht gäbe. Gebeugt unter der Last der täglichen Arbeit wird der eigene Schreibtisch zum Mittelpunkt der Welt.

Gattermann, G.: Was erwarten wir von internationaler Bibliotheksarbeit und was erwartet internationale Bibliotheksarbeit von uns? In: Dankert, B. und G. Wiegand (Hrsg.): 4. Deutscher Bibliothekskongreß und 78. Deutscher Bibliothekartag in Berlin 1988. Reden und Vorträge. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann o.J., S. 91.)

Nach Einschätzungen durch den Verfasser steht es mit den Voraussetzungen bei den Dozenten … nicht gut, wobei allerdings die Situation an den verschiedenen Ausbildungseinrichtungen unterschiedlich ist. Grundsätzlich gilt, daß nur ganz wenige Dozenten den PC von Anfang an zu beherrschen gelernt haben. Die grundlegende Handhabung eines PC mögen eventuell fünf Prozent beherrschen, die multifunktionale bibliohekarische Workstation insgesamt dürfte noch keiner im Griff haben – …

Online-Recherchen sind schon besser eingeführt und werden eventuell von zehn Prozent der Dozenten praktiziert.

Skalski, D.: Moderne Technologien in der Bibliothekarausbildung ??? In: Dankert, B. und G. Wiegand (Hrsg.): 4. Deutscher Bibliothekskongreß und 78. Deutscher Bibliothekartag in Berlin 1988. Reden und Vorträge. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann o.J., S. 233.)

Wenn ich also eine erste Erfahrung aus der Entwicklung der letzten fünfundzwanzig Jahre [Datenverarbeitung in deutschen Bibliotheken] formuliere, so ist es die, daß das deutsche Finanzierungssystem über Projektmittel zu einem unflexiblen Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung in den Bibliotheken geführt hat, daß es nicht gerade begünstigt, die einmal entwickelten Systeme dem technischen Fortschritt anzupassen. Dieser Anpassungsprozeß verläuft viel zu langsam, und jedes Jahr wird die Kluft zwischen dem eingesetzten Standard und der technischen Möglichkeit größer.

…..

Was können wir aus dieser Situation für einen Schluß ziehen? In der Bundesrepublik Deutschland ist die Entwicklung bibliothekarischer EDV-Systeme schmalbrüstig gewesen. Der Aufwand, der wirklich erforderlich war, wurde ständig unterschätzt, eine langfristige, fortgeschriebene Planung hat niemals existiert, nicht für eine einzelne Bibliothek, erst recht nicht für das deutsche Bibliothekswesen. Das hat dazu geführt, daß mit großer Hektik immer nach etwas neuem gesucht wurde.

…..

Das Ideal war der Mitarbeiter, der als bibliothekarischer Fachmann zugleich auch die Systemanalyse und Programmierung beherrscht und im Idealfall darüber hinaus auch noch gute Hardware-Kenntnisse besitzt. Leider haben Ideale die Eigenschaft, nicht realisierbar zu sein – und das gilt auch hier.[…] Warum das so ist? Vielleicht fängt es schon mit der bibliothekarischen Ausbildung in den Fachhochschulen an. Sicherlich, sie haben alle die elektronische Datenverarbeitung in ihre Lehrprogramme eingeschlossen. Doch lassen Sie es mich vereinfachend auf einen Nenner bringen: Sie bilden Terminalbenutzer aus und nicht bibliothekarische Organisationsfachleute.

Pflug, G.: Fünfundzwanzig Jahre Datenverarbeitung in deutschen Bibliotheken. Eine Bilanz. In: MB NRW 39 (1989) 3, S. 227-234.

Lehmann hat Probleme der deutschen Bibliotheken benannt: "… eine große Zersplitterung des Bibliothekswesens; eine nur zögernde Anpassung der Bibliotheken an Veränderungen des Informationssektors, …; mangelnde finanzielle Ausstattung, …; Mangel an qualifiziertem Bibliothekspersonal auf dem Gebiet neuer informationstechnischer Verfahren; isolierte Entwicklungen ohne ausreichenden Bezug zu internationalen Standards und Konventionen; Mangel an praktischer Erfahrung internationaler oder europäischer Kooperation. Hinzu kommen häufig Kompetenzgerangel zwischen verschiedenen Unterhaltsträgern und fehlende Planungsinstanzen.

(Lehmann, K.-D.: Bibliotheken auf Europa vorbereiten. In: ZfBB 37(1990)4, S. 291.)

Als ich meine erste Stelle im Jahr 1976 antrat, war ich trefflich informiert über Wiegendrucke und Inkunabeln. Ich hätte vermutlich aus dem Stand ein Kurzreferat über die wichtigsten Offizinen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts halten können und verfügte über eine solide Halbbildung, was das Bibliothekswesen zur Zeit Assurbanipals anlangt. (…) Tatsächlicher Alltag und durch die theoretische Ausbildung vermitteltes Berufsbild klaffen in einem solchen Maß für den ÖB-Bereich auseinander, daß bei Einstellungsgesprächen die Frage nach der Praktikumsbibliothek und das Abchecken einer allgemeinen sozialen und Führungskompetenz zum wich-tigsten Kriterium wird. Das aber bedeutet – und es wird von vielen Exreferendaren auch so offen gesagt -, daß das theoretische Jahr ein verlorenes Jahr ist.

(Glang-Süberkrüb, A.: Anforderungen an die Ausbildung der Institute aus der Sicht der Öffentlichen Bibliotheken. In: Tehnzen, J. (Hrsg.): Die theoretische Ausbildung der Bibliotheksreferendare. Berlin: DBI 1991. dbi-materialien 107. ISBN 3-87068-907-2. S. 55.)

Daß man sich hierzulande noch teilweise leistet, Diplombibliothekare mit Kärtchen-Einlegen in bestehende Zettel-Kataloge zu beschäftigen, stößt bei den amerikanischen Kollegen auf Unverständnis.

(In: Mallmann-Biehler, M.: Katalogisierung und Verbundnutzung in den USA. In: Bibliotheksdienst 26 (1992) 4, S. 493.)

Unsere Bibliothekare vertreten nahezu einhellig das Regionalprinzip und nehmen dafür in Kauf, daß die wirtschaftliche und problemlose Datennutzung in Deutschland nicht möglich ist.

(In: Mallmann-Biehler, M.: Katalogisierung und Verbundnutzung in den USA. In: Bibliotheksdienst 26 (1992) 4, S. 502.)

Obwohl mit den ‚Regeln für den Schlagwortkatalog‘ (RSWK) ein einheitliches Regelwerk vorliegt, wird Sacherschließung immer noch an den einzelnen Bibliotheken nach selbstentwickelten Systemen betrieben.

(In: Frankenberger, R.: EDV-Einfluß auf Ausbildung und Berufsbild des höheren Dienstes. In: ABI-Technik 13 (1993) 4, S. 317-319.)

Ich meine, daß die bisher vorgesehenen 86 Stunden EDV in der Theorie und die 2 Wochen im Praktikum längst nicht mehr ausreichen.

(In: Frankenberger, R.: EDV-Einfluß auf Ausbildung und Berufsbild des höheren Dienstes. In: ABI-Technik 13 (1993) 4, S. 317-319.)

Trotz verstärkter Benutzungshilfen kommen immer noch viele Benutzer nicht mit den unterschiedlichen Katalogen zurecht. Ca. 15 % der abgegebenen Bestellungen waren in der Bibliothek vorhanden, weitere 5 % in sonstigen Frankfurter Bibliotheken. Dies bedeutet, daß ein Fünftel (= 20 %) der abgegebenen roten Leihscheine in Frankfurt selbst hätte bedient werden können.

(In: Stadt- und Universitätsbibliothek. Senckenbergische Bibliothek Frankfurt am Main: Jahresbericht 1992, S. 40.)

  • Das deutsche Bibliothekswesen hat im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken trotz Hunderter von Millionen, die Bund und Länder in die Bibliotheken und ihre Vernetzung investiert haben, strukturelle Schwächen, die seine Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Das zeigt im Vergleich zu anderen Ländern bereits der verbesserungsfähige Service: Nach wie vor muß der Benutzer an einigen wissenschaftlichen Bibliotheken nicht nur persönlich an der Ausleihe oder Buchausgabe erscheinen, sondern auch noch selbst manuell Bestellzettel, Leihscheine und ähnliches ausfüllen, ohne die Gewißheit zu haben, ob und wann er das gewünschte Dokument erhalten wird; die durchschnittliche Lieferzeit in der Fernleihe beträgt 19 Tage und hat sich gegenüber den Verhältnissen in den 70er Jahren – bei allerdings erheblicher Ausweitung des Leihverkehrsvolumens – kaum verbessert.
  • Die normale Dienstleistung ist zwar an der wissenschaftlichen Bibliothek kostenlos, aber dafür ist sie langsam und für den Benutzer zeitaufwendig. Sie ist ein Massengeschäft und trägt noch häufig Merkmale typischer behördlicher Leistungen.
  • Auch die Öffentlichen Bibliotheken haben es bis heute vielfach nicht vermocht, ihre Dienstleistung an den Bürger wie eine Bringschuld heranzutragen. Ist das Buch ausgeliehen, muß der Benutzer warten und wiederkommen. Ist das Buch nicht vorhanden, muß er es woanders versuchen. Verkürzung statt Verlängerung der Öffnungszeiten, Schließen von Zweigstellen statt Serviceverbesserungen, das sind die Folgen der neuen Sparpolitik.
  • Will man hieran etwas verbessern, kommt man nicht ohne Änderungen aus, die auch die Struktur und die Steuerungssysteme betreffen:
  • Das Fehlen einer gesamtstaatlichen Bibliothekspolitik erschwert die überregionalen Aktivitäten, die ihrer Natur nach übergreifende Vereinbarungen voraussetzen: vor allem die überregionale und internationale Vernetzung der Informationssysteme, zu denen auch die Bibliotheken gehören. Nur so wird die überregionale und internationale Informations- und Literaturversorgung allmählich beschleunigt werden können. Hierzu müssen die Regionalsysteme sich stärker nach außen öffnen und mit Hilfe standardisierter Schnittstellen kommunikationsfähig werden.
  • Unser Bibliothekssystem braucht marktwirtschaftliche Elemente, die einen Anreiz für die Bibliotheken schaffen, ihren Service zu verbessern und ihre Dienstleistungen auch aktiv zu vermarkten. Es muß sich für die Bibliothekare und Bibliotheken "lohnen", gut zu beraten und schnell zu liefern. Solange Bibliotheken noch wie herkömmliche Verwaltungsämter organisiert sind und finanziert werden, wird das kaum möglich sein.
  • Die Zusammenarbeit zwischen Fachinformationszentren und den Bibliotheken muß weiter ausgebaut werden. Beide Bereiche sind ohnehin aufeinander angewiesen, wollen sie ihren Kunden die Dokumente zugänglich machen. Die wissenschaftlichen Bibliotheken übernehmen vermehrt Aufgaben der Informationsvermittlung, sie werden zu Zentren der CD-ROM-Nutzung und bieten den Zugang zu Online-Datenbanken an.
  • Ganz neue Perspektiven ergeben sich daraus auch für die Öffentlichen Bibliotheken, die schon wegen ihrer Zugänglichkeit für breite Bevölkerungsschichten hier eine besondere Verantwortung tragen. Eine politisch emanzipierte, kritisch mitdenkende und Verantwortung tragende Bürgerschaft ist ohne den Zugang zu den aktuellen Informationen, wie sie in den Datenbanken gespeichert sind, nicht mehr denkbar.
  • Die wissenschaftlichen und Öffentlichen Bibliotheken einer Region müssen miteinander so verbunden werden, daß der Benutzer in "seiner" Bibliothek in den Katalogen aller Bibliotheken recherchieren und bestellen kann. Das gewünschte Dokument sollte er direkt oder in "seiner" Bibliothek möglichst am nächsten Tag erhalten können, wenn es in der Region verfügbar ist. Die Bibliotheken sind in der Regel mit öffentlichen Mitteln, also Steuermitteln errichtet worden. Der Bürger kann verlangen, daß die Bibliotheken so organisiert werden, daß er nicht als Bittsteller von Bibliothek zu Bibliothek laufen muß, um zu seiner Information zu kommen. Die unvermeidbaren unterschiedlichen Finanzierungs- und Organisationsformen, Zuständigkeiten und Trägerschaften braucht der Bürger nicht gegen sich gelten zu lassen. Mit den Möglichkeiten der modernen Technik und entpsrechender Kooperationsbereitschaft lassen sich neue und bessere Dienstleistungen anbieten.
  • Dies sind gewiß nur einzelne Beispiele, deren Reihe sich vermehren ließe. Sie zeigen jedoch, wie weit der Weg ist, der noch vor den Bibliotheken liegt, bevor sie das Ziel erreichen, die heutigen kommunikationstechnischen Möglichkeiten voll zu nutzen, um den Bürgern und der Wissenschaft einen befriedigenden Informationsservice zu bieten.

Michael Hirsch / Antonius Jammers
Vorsitzende der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bibliothekswesen

(Quelle: Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bibliothekswesen. Abschlußbericht 1990-1992. .Empfehlungen und Materialien, S. 137-139. Berlin, Deutsches Bibliotheksinstitut 1993. dbi-materialien 126.)

Statt dessen hatte man den Eindruck, daß im weiteren Verlauf des Kolloquiums sich Vortragende und so manche Zuhörer bemühten, Denkanstöße nicht aufzugreifen, sondern dieselben durch eine Fülle von Fragen und Bedenken zuzuschütten. U.a. dadurch kam die angestrebte Diskussion um neue Lösungsmodelle zumeist nur am Rande des Kolloquiums zustande.

(Achim Oßwald: Bibliotheksnetze und elektronische Medien. Herausforderungen für Verlage und Bibliotheken. Bericht über eine Veranstaltung in Bielefeld am 08./09.02.94. In: Bibliotheksdienst 28 (1994) 3, S. 371-376.

In der Kölner Zentralbibliothek für Medizin wurden unlängst 70 000 rote Leihscheine wegen Personalmangels unbearbeitet an den Absender zurückgeschickt, das ist der Alltag deutscher Bibliotheken.

(Hartwig Lohse in: ZfBB 41(1994)1, S.62)

…, wenn mit der RAK-online zukünftig die Titelaufnahme im Hinblick auf Online-Rechercheprozeduren merklich vereinfacht werden könnte und wenn wir in der UB Freiburg damit aufhören würden, in auffallend viele Kataloge in diesem benutzerfreundlichen Gebäude – außer in den Hauptkatalog auch in die Sonderkataloge der drei Lesebereiche, der Lehrbuchsammlung, Freizeitbücherei, des Informationsbereiches mit Bibliographien und Allgemeinen Nachschlagewerken und in die Kataloge der Videos und Tonträger – weiterhin Titelkarten einzulegen.

(Kehr, W.: Rationalisierung durch Online-Verbundkatalogisierung und Umschichtung freier Arbeitskapazitäten. In: ZfBB 41(1994)1, S.96)

Wissenschaftliche Bibliotheken waren früher durchweg und sind zum Teil noch heute Wissensfestungen. Ein Mensch, der sich diesem Wissen nähern will, muß in diese eindringen, die komplizierten Regeln der Bibliothekare recht und schlecht erlernen, und sich an die Bücher heranarbeiten, glücklich, sie dann endlich zu haben. Das gilt ganz besonders ausgeprägt nach wie vor für den Leihverkehr. Der Benutzer wirft einen Leihschein in die Black-Box. Danach bleibt ihm nur noch Hoffnung. Die geheimnisvolle Kraft des Wissens hat in den Klosterbibliotheken, in die die Entwicklungsgeschichte unserer wissenschaftlichen Bibliotheken zurückführt, ihren höchsten organisatorischen Ausdruck gefunden. Der Pater Bibliothcarius war ex officio stellvertretender Abt und als Wächter über das Wissen größter Geheimnisträger des Klosters. Bibliothek und Bibliothekar sammeln Wissen als Selbstzweck. Mehr interessiert von der Umwelt nicht.

Natürlich ist diese Traditionslinie in den letzten Jahrzehnten längst erschüttert worden, aber ganz durchbrochen haben Bibliothekare sie noch nicht. Zwar wurden die meisten wissenschaftlichen Bibliotheken immer öffentlicher, aber überwiegend regieren immer die eiserne Disziplin von RAK und PI – für den Benutzer ein Geheimnis -, der Leihverkehr, die Bücherausgabe in Magazinbibliotheken usw. Auch die bisher überwiegend eingesetzten EDV-Systeme sind Systeme für Bibliothekare: für Katalogisierung, für Ausleiheverbuchung, für Erwerbung.

… Nur früher hat sich das wissenschaftliche Umfeld bei der Nutzung von Bibliotheken den Spielregeln der Bibliothekare angepaßt. Die Bibliothekare verlieren aber zunehmend diese Macht. Sie müssen sich dem wissenschaftlichen Umfeld anpassen – in ganz anderer und viel weitreichenderer Weise als jemals zuvor.

Allein die Internetumgebung in der Wissenschaft führt bereits dazu, daß bestimmte wissenschaftliche Einrichtungen in Deutschland, die es sich leisten können, die deutschen Bibliotheken praktisch völlig übergehen. Dazu gehören z.B. Wissenschaftszentren, wohlhabende Forschungseinrichtungen, gut ausgestattete Forschungsprojekte in Universitäten usw. Sie nutzen die über die ohnehin zur Tagesarbeit gehörenden Wissenschaftsnetze angebotenen Dienstleistungen direkt. Sie holen sich Aufsätze aus den großen Dokumentenlieferdiensten in den Vereinigten Staaten oder im Vereinigten Königreich. Sie benutzen keine deutschen Bibliothekskataloge mehr, sondern gehen gleich in die internationalen Datenbanken für bibliographische und Volltextinformation. Auch für Monographienlieferanten gibt es schon Ausweichwege, die nicht über den Leihverkehr laufen. Weil die Masse unserer Bibliotheken nach wie vor eine Belieferung über die Wissenschaftsnetze nicht anbietet, beginnt sich im Wissenschaftsbereich ein Parallelmarkt an den deutschen Bibliotheken vorbei zu entwickeln, auf kommerzielle oder auch nicht kommerzielle Dienste in angloamerikanischen Ländern und in Japan hin.

(Neubauer, K.W.: Umfeld und mögliche Strategien der Bibliotheken im beginnenden elektronischen Zeitalter. In: ZfBB 41(1994)2, S. 164-185.)

In einem kann man Herrn Marloth zustimmen: Der höhere Dienst ist in Öffentlichen Bibliotheken überflüssig, denn die wirklichen Benutzer scheinen diese Leute nicht zu kennen.

(Gratenau, R.: Unterhaltungsliteratur ist unverzichtbar. In: BuB 46(1994)5,S. 421)

"Was die Fortbildung auf dem Sektor der wissenschaftlichen Bibliotheken betrifft, ist zu berichten, daß hier nicht einmal ein Interesse zu existieren scheint, von konkreten Schritten … ganz zu schweigen."

(Bericht über die Tätigkeit des Verbandes der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen e.V. im Jahre 1993, Abschnitt 2.3.5 Fortbildung. In: MB NRW 44(1994)1, S. 90)

Daß es mit den deutschen Bibliotheken zum besten steht, wird im Ernst wohl niemand behaupten wollen. Zu lange schon schwelt hier eine Krise, die als Krise des Berufsstandes zum erstenmal in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts namhaft gemacht wurde und seither die Bibliothekare nicht ruhen ließ. Daß diese Krise zugleich eine Krise der Ausbildung ist, belegt eine Umfrage, deren Ergebnis allen Verantwortlichen größte Sorgen bereiten müßte. Nun kann man angesichts solcher desaströser Befunde zur Tagesordnung übergehen und sich einer bibliothekarischen Praxis widmen, von der seit langem behauptet wird, sie bedürfe der Theorie nicht oder kaum. Daß aber aus bloßer Praxis keine Lösung der Krise zu erwarten ist, weil Praxis allein die Probleme nicht auf den Begriff zu bringen vermag, wird dabei gern übersehen.

(Jochum, U.: Hermeneutik, Dekonstruktion und Information. In: Bibliothek 18 (1994)1, S. 104-110). hier Seite 104..

"Welche Kompetenzen erwirbt der Dipl.-Bibliothekar für diese neuen Berufsfelder heute in der Ausbildung, …und wo liegen ggf. die Ausbildungs- und Kompetenz-Defizite?

  1. Fachliche Kompetenz

    Aus der Ausbildung bringt der Dipl.-Bibliothekar die Fachkompeztenz bzgl. der traditionellen Quellen auf jeden Fall und bzgl. der neuen Informationsmittel schon weitgehend mit. Beide Teilgebiete unterliegen aber einem schnellen Wandel, …

  2. Technische Kompetenz

    Er (der Bereich Technische Kompetenz) umfaßt vielfältige Kenntnisse:
    • über die allgemeine Funktionsweise und Architektur von Rechnern
    • Umgang mit Peripheriegeräten und Beurteilung derselben
    • Speichermedien und ihre Anwendung
    • Umgang mit Systemsoftware, insbesondere mit dem Betriebssystem
    • Kenntnisse von Datenbankverwaltungssystemen, insbesondere anwendungsorientierte Mitarbeit an der Optimierung von Datenbankstrukturen
    • Umgang mit Standardsoftware, z.B. Textverarbeitung
    • Grundkenntnisse von Programmiersprachen
    • Ausführen einfacher Operator-Tätigkeiten (Datensicherung, Transaction-Logging usw.)
    • Organisation und Betreuung der Fremddatenübernahme
    • Kenntnisse und praktische Erfahrungen in Datenfernübertragung und Datenfernverarbeitung
    • Kenntnisse über Schnittstellen zu DATEX-P und Btx
    • Auswahl und Installation von CD-ROMs, Benutzerbetreuung bei Recherchen der Benutzer in CD-ROMs
    • Optimierung des eigenen OPAC
    • kritische Bewertung von Benutzeroberflächen und Retrievalsystemen
    • Kenntnis von Datenformaten und die Fähigkeit, Konkordanzen zwischen Datenformaten zu erstellen
    • Fähigkeit, ggf. selbst ein Format für eine einfache Faktendatenbank zu erstellen und den Input zu organisieren
    • Fähigkeit zur Nutzung eines Desk-Top-Publishing-Programms
    • Anwendung und Organisation von On-Demand-Publishing (ADONIS) für den Benutzer
    • Kenntnis der neuen LANs mit Gopher-Technik (Zugang zum Internet)
    • Kenntnisse von Verfahren der automatischen Indexierung
    • Entwicklung neuer bzw. Verbesserung vorhandener Dokumentationsregelwerke
    • Mitarbeit in technischen und organisatorischen Gremien.
    Für alle diese Tätigkeiten sind die meisten Dipl.-Bibliothekare nicht, nicht immer oder nicht umfassend genug ausgebildet.

  3. Betriebswirtschaftliche Kompetenz

    Für … diese Aufgaben sind Dipl.-Bibliothekare durch die Ausbildung relativ schlecht gerüstet.

  4. Organisatorische Kompetenz

    Mit der Befähigung zu dieser Aufgabe durch die Ausbildung sieht es ebenso mangelhaft aus …. Manchen Menschen ist ein gewisses organisatorisches Geschick mit in die Wiege gelegt worden; andere erwerben dieses und die Fähigkeit zur Menschenführung durch ein langes Berufsleben, das ja Erfahrung, Routine und Sicherheit mit sich bringt, und kommen so ganz gut über die Runden. Dennoch ist ein theoretisches Fundament in Organisationslehre dringend notwendig. …., arbeiten viele Kollegen als Berufsanfänger in kleinen und mittleren – teils privatwirtschaftlichen – Bibliotheken mit hoher Verantwortung. Sie brauchen diese Kenntnisse und Fähigkeiten bereits am Anfang ihres Berufslebens, man erwartet solches auch von ihnen, weil es einfach zu unserem Beruf gehört; die Ausbildung sollte endlich darauf reagieren.

  5. Psychologische Kompetenz

    • im Umgang mit Benutzern
    • im Umgang mit Mitarbeitern
    • im Umgang mit der (beruflichen) Öffentlichkeit
    Wie sind die Dipl.-Bibliothekare auf diese kniffligen Anforderungen des Berufsalltags durch die Ausbildung vorbereitet? Hier sieht es leider ganz finster aus.

  6. Pädagogische Kompetenz

    Auch für diese Aufgabe ist der Fachhochschul-Absolvent nicht optimal vorbereitet; methodisch-didaktische Kenntnisse werden nicht vermittelt. Vieles – wenn nicht das meiste – muß er sich selbst aneignen.

Helga Schwarz: Zum Qualifikationsprofil von Bibliothekaren im Zeitalter der EDV. Ansichten und Positionen des VdDB – Verein der Diplom-Bibliothekare an wissenschaftlichen Bibliotheken. VdDB/VDB-Rundschreiben 1994/2, S. 14-18.

"Die von Berufs wegen ordnungsliebenden Bibliothekare neigen bisweilen zur Übertreibung: Beim Aufzählen und Auseinanderhalten ihrer Verbände verfällt man unweigerlich ins Stottern, und eine wirkungsvolle, nach außen orientierte Arbeit ist so kaum möglich. Am besten wäre ein Verband für alle, doch offenbar ist nichts so schwierig wie das Einfache"

( BÖRSENBLATT vom 10. Juni 1994, Seite 6 ).

Hessen ist stolz darauf, wie wir von Berndt Dugall, dem Direktor der Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek erfahren, als erstes Land ans Ziel [eines Handbuchs der Historischen Buchbestände für Hessen, H.M.] gelangt zu sein, "Innerhalb kurzer Zeit waren wir in der Lage, den vielfältigen Anforderungen gerecht zu werden."

Wirklich? Zu den "Werkvertragspartnern", die herangezogen werden mußten, um Lücken zu füllen, und die "trotz geringer Honorierung" ihr Bestes gaben, gehört der Verfasser des einleitenden Artikels "Bibliotheken in Hessen". Da lesen wir im ersten, den Anfängen gewidmeten Absatz "Am 26. Oktober 1526 führte Philipp (der Gutmütige) den reformierten Glauben aufgrund eines Beschlusses des Homburger Landtages in Hessen allgemein verbindlich ein."

Daran ist gleich zweierlei falsch. Homberg an der Efze muß es heißen, und beschlossen wurde der Übergang zum reformatorischen Glauben, der zum "reformierten" fand erst fast ein Jahrhundert später statt. Herborn nun umgekehrt, von dem auf der nächsten Seite die Rede ist, war keine "protestantische Gründung", sondern eine reformierte, et cetera.

(Klaus Garber: Ein Jahrhundert-Unternehmen der deutschen Bibliotheken: Das Handbuch der Historischen Buchbestände. Eine Schatzkarte für das Bücherreich. In: DIE ZEIT Nr. 10. 3. März 1995, S. 80)


7. Über den Autor

Heinz M a r l o t h

geboren 1928 in Dresden

Studium der Naturwissenschaften und Pädagogik an der Technischen Hochschule Dresden

Industrietätigkeit in Hannover und Hanau

Leiter von Dokumentationsstellen für Industrieanlagenbau in Frankfurt am Main, London und Tokyo

Wissenschaftlicher Referent für Industrieinformationen am Institut für Dokumentationswesen (IDW) der Max-Planck-Gesellschaft. Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID) und der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD)., zuletzt Leiter der Institutsbibliothek des Instituts für Integrierte Publikations- und Informationssysteme der GMD in Darmstadt.

Mitglied und Berater von Fachgremien für Industrieinformation der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD), der Europäischen Gemeinschaften (EG), der European Industrial Research Management Association (EIRMA), des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), der Arbeitsgemeinschaft Industrieller Forschungsvereinigungen (AIF), der Dokumentation Maschinenbau (DOMA), der International Federation for Documentation (FID) und der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD).

Lehraufträge an der Makerere-Universität in Kampala, an der Bibliotheksschule in Frankfurt am Main und am Lehrinstitut für Dokumentation.

Zeitweise Redakteur der Nachrichten für Dokumentation. Mit-Herausgeber der Zeitschrift "transfer-information".

167 Industrieanlagen-Dokumentationen für Synthesefaser-Anlagen in 34 Ländern der Erde.

Zahlreiche Publikationen und Arbeitspapiere mit den Themenschwerpunkten: Wissenschaftsgeschichte, Hochschulwesen, Wissenstransfer, Informationspolitik, Systemplanung, Industriedokumentation; Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesen in Großbritannien und Deutschland; IuD-Geschichte, Ausbildung und Fortbildung.

Zahlreiche Buchbesprechungen.

 

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