Fachschaftsrat
BuFaTa 1996
Thesen Heinz Marloth
Heinz Marloth
Thesen über die Beziehungen zwischen Informationspolitik, Informationswissenschaft und Informationspraxis
(Saarbrücker Thesen)
Vortrag vor der Bundesfachschaftstagung Information und Dokumentation auf dem Jahrestreffen am 7. Juni 1996 in Saarbrücken
Frankfurt am Main 1996
Privatdruck
© Heinz Marloth 1996
Seehofstraße 15
D-60594 Frankfurt am Main
069 – 61 23 94
E-mail: marloth@t-online.de
Mit freundlicher Genehmigung des Autors im Internet veröffentlicht von Till Kinstler (till@phil.uni-sb.de) für die Fachschaft Informationswissenschaft Saarbrücken.
Heinz Marloth
Thesen über die Beziehungen zwischen Informationspolitik, Informationswissenschaft und Informationspraxis
(Saarbrücker Thesen)
Vortrag vor der Bundesfachschaftstagung Information und Dokumentation auf dem Jahrestreffen am 7. Juni 1996 in Saarbrücken
Frankfurt am Main 1996
Privatdruck
© Heinz Marloth 1996
Seehofstraße 15
D-60594 Frankfurt am Main
069 – 61 23 94
E-mail: marloth@t-online.de
2. Diagnostischer Teil: Thesen 1 – 10
Umbruchsituation – Flexible Reaktionen des BMBF – New Look durch StudentInnen – – Hochschulkrise – Mängel in der ABD-Ausbildung – Schlechtes Image der BID-Berufe.
3. Programmatischer Teil: Thesen 11 – 43
Vernetzung – Beobachtung der nationalen und internationalen Entwicklung – Kritische Begleitung des BID-Alltags – "Neuigkeiten" – Ideen-Börse- Sponsoring – Leistungsanreize.
6.1 Zeittafel zur internationalen Entwicklung des Informationswesens nach
1945.
6.4 Bibliotheksinterne Kritik am deutschen
Bibliothekssystem.
Wir leben in einer Zeit, in der im Finanzbereich der Verbrauch
an Rotstiften höher ist, als wir uns das wünschen. "Sparen"
wird heute mit dem gleichen Eifer propagiert wie in früheren
Jahren die freie Liebe. Es besteht die Gefahr, daß im Informationszeitalter
die drei Säulen des Informationswesens, Informationspolitik,
Informationswissenschaft und Informationspraxis "aneinander
vorbei sparen", indem mangels Abstimmung Entwicklungen mit
hoher Priorität verzögert oder gar abgebrochen werden.
Das hätte vermeidbare negative Effekte. Die Informationspraxis
wird nach wie vor erwarten, daß sie sowohl von der Informationspolitik
als auch der Informationswissenschaft wirkungsvoll unterstützt
wird. Die Informationswissenschaft kann Beiträge hierzu nur
leisten, wenn informationswissenschaftliche Forschung und Lehre
trotz Einsparungen an Universitäten und Fachhochschulen weiter
verbessert werden können. Die Informationspolitik steht in
Deutschland vor der schwierigen Aufgabe, das Informationswesen
eines Landes zu fördern, das einesteils aus wohlerwogenen
Gründen föderalistisch strukturiert ist, sich andererseits
aber in einem Wandel befindet, der durch die Sammelbegriffe "Globalisierung"
und "Vernetzung" charakterisiert wird, die weit über
die nationalen Grenzen und die Grenzen der Europäischen Union
hinausreichen. Sie hat es überdies auf Bundes-, Länder-
und Kommunalebene mit Gesprächspartnern zu tun, von denen
die einen (in der Informationswirtschaft) progressiv sind und
die anderen (zum Beispiel im höheren Dienst des Bibliothekswesens)
der Scholastik näher stehen als dem Informationszeitalter.
Um die Diskussion nicht durch Definitionsstreitigkeiten zu belasten,
werden im folgenden die drei Grundbegriffe des Informationswesens
wie folgt definiert:
Informationspolitik ist die Regelung des Zusammenwirkens
von Individuen, Gruppen, Organisationen, Kommunen und Staaten
zur Erreichung zuvor festgelegter informationspolitischer Ziele.
Sie wird nach Henrichs eingeteilt in Ordnungspolitik, Strukturpolitik
und Förderpolitik [ Henrichs 1983 ].
Ordnungspolitische Elemente wie in den USA durch den Freedom of
Information Act und den Government in the Sunshine Act und seine
Nachfolger und in Großbritannien durch den Public Libraries
Act von 1850 (!) und seine Nachfolger gibt es in Deutschland nicht.
Strukturpolitik betreiben der Bund und alle Bundesländer
im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten. Eines der neuesten
geplanten Vorhaben ist die von der Hessischen Hochschulstrukturkommission
empfohleme Zusammenlegung der Archivschule Marburg mit der Bibliotheksschule
Frankfurt am Main und dem Fachbereich Information und Dokumentation
der Fachhochschule Darmstadt.
Die Förderpolitik des Bundes läßt sich zurückverfolgen
bis zum ehemaligen Bundesministerium für Atomkernenegie unter
Prof. Dr. S. Balke. Sie kann studiert werden in einer Schrift
und 2 CD-ROMs des BMBF [ BMBF 1995 ] sowie in den jeweiligen Fachinformationsprogrammen
des früheren BMFT.
Informationswissenschaft befaßt sich mit der Klärung
des Informationsbegriffs und des Informationsverständnisses
und seiner/ihrer erkenntnistheoretischen, historischen, sozialen,
ökonomischen, genetisch/biologischen und technischen Zusammenhänge.
Sie befaßt sich weiterhin mit Theorie und Praxis des Informationsmanagements
in allen seinen Erscheinungsformen. In ihrer modernsten Ausprägung
schließt sie die Bereiche Bibliothekswesen, Archivwesen
und Museologie ein und arbeitet eng mit den Nachbardisziplinen
Betriebswirtschaft, Bildungswissenschaften, Design, Ingenieurwissenschaften,
Informatik, Kommunikationswissenschaft, Kulturwissenschaften,
Linguistik, Sozialwissenschaften, Verhaltenswissenschaften und
Volkswirtschaft zusammen. Durch Forschung und Lehre sowie durch
permanente Zusammenarbeit mit Informationspolitik und Informationspraxis
leistet sie unverzichtbare Beiträge zum technischen und sozialen
Fortschritt und zur humanen Gestaltung des Lebens. { 1 }.
Informationspraxis ist die Informationsversorgung von Staat,
Wirtschaft, Wissenschaft, Medien, gesellschaftlichen Organisationen
und Einzelnen durch Gestaltung und Prägung ihres Informationsumfeldes
unter Anwendung des Standes so-wie der Forschungs- und Entwicklungsergebnisse
der Informationswissenschaft(en) und ihrer Nachbardisziplinen
sowie die Erbringung von Informationsdienstleistungen aller Art.
{ 2 }.
Die folgenden Thesen befassen sich überwiegend mit der Ausbildung
von Informationswissenschaftlern und Informationspraktikern an
Hochschulen und Fachhochschulen in Deutschland. Sie sind gegliedert
in einen diagnostischen und einen programmatischen Teil. Sie werden,
weil sie an der Universität des Saarlandes erstmals vorgetragen
werden, "Saarbrücker Thesen" genannt.
These 1
"Die Fachinformation und das gesamte wissenschaftliche Informations-
und Publikationswesen befinden sich in einem Umbruch. Einerseits
vermehrt sich der Umfang des fachlichen Wissens explosionsartig
und damit die Anzahl der Publikationen, andererseits bieten sich
aufgrund der Fortschritte der Technik neue Chancen und Möglichkeiten,
die Versorgung nicht nur von Wissenschaftlern und Studenten, sondern
auch der Informationspolitik, Informationswissenschaft und Informationspraxis
mit aktuellen Fachinformationen zu verbessern sowie diese besser
zu erschließen" [ EEII 1995 ].
These 2
Die Bundesregierung betrachtet die Herausforderungen durch das
Informationszeit-alter nicht allein als eine Angelegeneit der
Informationspolitik im engeren Sinne. Sie fördert in der
Phase des Übergangs von der Industriegesellschaft in die
Informationsgesellschaft unter anderem die "Initiative Informationsgesellschaft
Deutschland" sowie die Bildungsinitiative "Schulen ans
Netz" { 3 }.
These 3
Eine erfreuliche Entwicklung haben die "Publikationen"
der Hochschulen, Fachbereiche und StudentInnen genommen, Sowohl
die Blätter an den einzelnen Einrichtungen (z. B. "HBI
aktuell", "RECHERCHE") als auch in zunehmendem
Maße WWW-Seiten und Personal Home Pages im Internet bringen
immer wieder positive Überraschungen. Die Personal Home Page
der Saarbrücker Studentin der Informationswissenschaft Anke
Schmidt "Schneehöhen, Oldtimer und Hunde" [ Schmidt
1996 ] ist in diesem Bereich "erste Sahne". Gegenüber
früheren Zeiten hat sich nicht nur der Inhalt, sondern auch
das äußere Erscheinungsbild von studentischen Zeitschriften
positiv verändert { 4 } Dem stehen allerdings zuweilen beim
Lesen arge Enttäuschungen gegenüber, wenn ältere
Herren ihre Weisheiten von sich geben. So definierte der Direktor
des Instituts für Bibliothekswissenschaft an der Humboldt-Uni-versität
zu Berlin neulich: "Bücher sind Kopien und damit eindeutig
Redundanz einer urheberrechtlich geschützten originären
Information" [ Umstätter 1995 ].
These 4
Ein trübes Kapitel ist die fehlende Beteiligung von Deutschen
als AutorInnen in inter-national renommierten Spezialzeitschriften
für Aus- und Fortbildung im BID-Bereich und für EDV-Anwendungen
im BID-Bereich.
These 5
Ausbildung und Fortbildung sind wichtige Elemente der Infrastruktur
des Informationswesens. Sie können nur dann optimal sein,
wenn die vorhandenen Lücken im universitären und im
Fachhochschulbereich als ernstzunehmende Herausforderung angenommen
werden. Bei diesen Lücken handelt es sich nicht nur um Finanzierungslücken,
sondern auch um Lücken bei der Anwendung von Forschungsergebnissen
und Erfordernissen der Hochschuldidaktik.
These 6
Wenn das Geld knapp wird, müssen strategische Überlegungen
einsetzen, um die zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal
zu nutzen. Bei den Ansätzen zu strategischen Überlegungen
im BID-Ausbildungsbereich muß auch der gegenwärtige
Zustand der deutschen Hochschulen und Fachhochschulen und das
gegenwärtige Image der BibliothekarInnen und InformationspraktikerInnen
beachtet werden.
These 7
Das deutsche Hochschulwesen befindet sich in einer Krise. Die
Urteile reichen von der Feststellung der Frau Präsidentin
des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach: "Die
zurückgebliebenste aller Provinzen jedoch, dort wo der Fortschritt
gewissermaßen auf der Stelle tritt, ist die Universität"
[ Limbach 1995 ] bis hin zur Äußerung des Rektors der
Hochschule für Bibliotheks- und Informationswesen Stuttgart,
Prof. Dr. Vodosek: "Die Hochschulrektorenkonferenz
(HRK) hat erst kürzlich festgestellt, "daß die
früher zugunsten der Hochschulen bestehende Leistungsvermutung
heute nicht mehr oder kaum noch gilt. Entsprechend ist der Rechtfertigungsdruck
gewachsen." [ Vodosek 1996 ].
These 8
Im Informationsbereich hat der Fachbereich Information und Dokumentation
der Fachhochschule Darmstadt kürzlich versucht, "die
Ausbildungsinnovation der 90er Jahre in einer möglichst geschlossenen
Form vorzustellen" [ Seeger 1995 ]. Im Rah-men dieses Vorhabens
haben namhafte Vertreter von Universitäten (Berlin, Düsseldorf,
Graz, Ilmenau, Konstanz, Regensburg, Saarbrücken) und Fachhochschulen
(Darmstadt, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Leipzig, Marburg,
Potsdam) ihre Einrichtungen und deren Intentionen vorgestellt.
Die vorgelegten Arbeiten waren Ausgangspunkt einer systematischen
kritischen Untersuchung [ Marloth 1996 ]. Dabei wurden Schwachstellen
gefunden. Es fehlen im deutschen BID-Ausbildungs-bereich vor allem:
Außerdem gehen mehr oder weniger alle Lehrkräfte des
BID-Ausbildungsbereichs eigenwillig mit der Terminologie des Bildungswesens
um und erschweren dadurch die Kommunikation mit anderen pädagogischen
Disziplinen.
These 9
Internationale Arbeitsgruppen haben sich mit Fragen des Status,
des Image und der Reputation der in Informations- und Bibliotheksberufen
Tätigen befaßt und unter anderem gefunden, daß
diese unter "Ferner liefen" rangieren [ UNESCO 1989,
SLA 1989, SLA 1990, FID 1992 ]. Hierfür haben sich folgende
Gründe ergeben:
These 10
Es wäre falsch, diesen Befund als unzutreffend oder gar bösartig
zu bezeichnen. In Deutschland meinen nicht nur die BID-Fachleute
"Wir haben nichts gegen Kritik, nur berechtigte Kritik hören
wir nicht so gerne"; zumindest die Bibliothekare sind zu
Eigenkritik fähig und äußern diese auch. Beispiele
hierfür finden sich im Anhang.
These 11
Bei den Vorhaben zur Verbesserung der Ausbildung muß zwischen
kurz, mittel- und langfristigen Vorhaben unterschieden werden.
Was im einzelnen kurz- oder mittel- oder langfristig angegangen
werden kann, kann nur vor Ort entschieden und nicht per ordre
de mufti festgelegt werden.
These 12
Ein besonders wichtiges und dringendes Ziel ist die elektronische
Vernetzung der BID-Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen untereinander
sowie mit den Fachorganen des Informationswesens, mit den Fach-
und Berufsverbänden des ABD-Bereichs sowie mit der Informationspraxis
im weitesten Sinne. Wenn hier Hardware- und/oder Software-Lücken
bestehen, so müssen sie evtl. unter finanzieller Beteiligung
von Informationspolitik und Informationspraxis so rasch als möglich
geschlossen werden.
These 13
Die besondere Dringlichkeit ergibt sich nicht nur aus der zunehmenden
Vernetzung an sich, sondern auch daraus, daß der Umgang
mit und in Netzen zu den Schlüsselqualifikationen gehört,
die während der Ausbildung für Archiv-, Bibliotheks-
und Informationsberufe vermittelt werden müssen.
These 14
Durch den permanenten Umgang mit Netzen wird im BID-Ausbildungs-
und Forschungsbereich ermöglicht:
These 15
Die Vernetzung mit allen Ebenen der Informationspolitik, Informationswissenschaft
und Informationspraxis soll ermöglichen, daß z.B. StudentInnen
und Lehrkräfte regelmäßig
These 16
Auch die Redaktionen der BID-Fachzeitschriften sollten ARIADNE,
das "print and web magazine of internet issues for librarians
and information specialists" und andere wichtige Neuerscheinungen
regelmäßig verfolgen
These 17
StudentInnen sollen für den BID-Bereich wichtige Projekte,
wie z.B. Medoc [ Medoc ] SUBITO [ SUBITO ], ERCIM [ ERCIM ] und
andere laufend verfolgen können.
These 18
StudentInnen sollen jederzeit Zugang zu den vorhandenen Praktikanten-Börsen
und Registern der Diplomarbeiten und anderen wissenschaftlichen
Arbeiten der eigenen und der anderen Hochschulen haben. Voraussetzung
hierfür ist, daß die bisher vereinzelten regionalen
Verzeichnisse (Darmstadt, Hamburg, Köln) durch Links zusam-mengefaßt
werden.
These 19
StudentInnen sollen jederzeit Zugang zu den Verlautbarungen des
BMBF, der Deut-schen Forschungsgemeinschaft und ihres Bibliotheksausschusses,
der BID-Verbän-de, der Verbände der Informationswirtschaft
und einzelner relevanter Firmen haben.
These 20
StudentInnen sollen jederzeit nachlesen können, welche Bibliotheksprojekte
die Deutsche Forschungsgemeinschaft , welche Projekte der Projektträger
Fachinformation des BMBF zum jeweiligen Augenblick fördert
und welche Arbeitsschwerpunkte IPSI in Darmstadt hat.
These 21
StudentInnen sollen sich durch Recherchen im Internet oder anderen
Netzen Informationen verschaffen, die sie zur Vorbereitung auf
die Teilnahme an örtlichen Veranstaltungen und überörtlichen
Kongressen und Seminaren des BID-Bereich benötigen.
These 22
StudentInnen sollen bei Bedarf jederzeit auf Material zur Vorbereitung
auf eigene Auslandspraktika und eigene Studienreisen ins Ausland
{ 7 } zugreifen.
These 23
StudentInnen sollen jederzeit über einschlägige Mailing
Lists von relevanten Dritten interessante Neuigkeiten erfahren
und ihrerseits wichtige Verlautbarungen, z.B.. Meldungen über
beabsichtigte Schließungen und existenzbedrohende Kürzungen
verbreiten können, damit BundesgenossInnen ihnen rechtzeitig
beispringen können und nicht erst von den Fakten erfahren,
wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.
These 24
StudentInnen sollen via Netz von den Möglichkeiten des Tele-Learning
Gebrauch machen und sich dazu ermuntern lassen, eigene Projekte
zur Einführung des Tele-Learning zu beginnen oder fortzuführen,
z.B. durch das Projekt Computer based training (CBT) in Köln.
These 25
StudentInnen sollen den jeweils neuesten Stand der Überlegungen
zur Hardware- und Software-Entwicklung für den BID-Bereich
sowie die laufenden Vorhaben zum Knowledge Engineering und zum
Software Engineering erfahren.
These 26
StudentInnen sollten so rasch als möglich mit der wichtigsten
Basis-Literatur der Informatik vertraut gemacht werden, die bei
deutschen informationswissenschaftlichen Veröffentlichungen
nur in Ausnahmefällen zitiert wird, weil den Informationswissenschaften
der Anschluß an den Literaturstand der Informatik bisher
nicht gelungen ist { 8 }.
These 27
StudentInnen sollen die jeweils neuesten Arbeiten zur Technologiefolgen-Abschät-zung
kennenlernen und die Diskussionen über ethische und ökologische
Probleme des Technik-Einsatzes verfolgen.
These 28
Die bei uns übliche Trennung von Bibliotheks- und Informationswesen
ist im Ausland weitgehend unbekannt. Im anglo-amerikanischen Raum
spricht man von "Library and Information Sciences" und
behandelt alle anstehenden Probleme gemeinsam. Dies wird durch
sprachliche Gegebenheiten (Englisch) begünstigt. Diese Realität
hat den englischsprachigen Bereich in eine vorteilhafte Position
gebracht. Wir sollten für uns nützliche Eigenheiten
der anglo-amerikanischen BID-Ausbildung adaptieren, z.B. anstreben,
daß wie in Großbritannien die Vergabe einer E-mail-Adresse
an StudentInnen Bestandteil des Immatrikulationsverfahrens ist.
In Deutschland ist das bei Informatik-StudentInnen teilweise der
Fall. Es sollte auch bei allen StudentInnen der Informationsberufe
angestrebt werden.
These 29
StudentInnen sollen die nationale und internationale BID-Entwicklung
laufend beobachten, sich hierüber austauschen und die Meinungsbildung
aus diesen Beratungen Austauschpartnern im Ausland mitteilen.
Das ist notwendig, weil deutsche BID-Ausbildungseinrichtungen
im Ausland wenig bekannt sind und oft wegen nationaler Eigenheiten
(Trennung von Bibliotheks- und Dokumentationswesen, hierarchische
Strukturen) belächelt werden.
These 30
Ob sich in absehbarer Zeit ein gemeinsamer Dachverband aller BID-Vereine
(BDB + DGD + VDA) realisieren läßt, ist angesichts
des Ausgangs der bisherigen Bemühungen um eine Straffung
der bibliothekarischen vereine mehr als ungewiß. Um den
Zusammenhalt trotzdem zu verbessern, sollten die genannten Verbände
in größeren Abständen gemeinsame Kongresse veranstalten
und sich der Informationspolitik, Informationswirtschaft und interessierten
Dritten stellen. Nur dann können sie auf Dauer damit rechnen,
daß sie besser als bisher beachtet werden.
These 31
Interne ebenso wie externe Kommunikation wird meistens durch gemeinsame
Vorhaben und Projekte beflügelt. Die Ausbildungseinrichtungen
sollten deshalb alle Projekte unterstützen, die über
den örtlichen Rahmen hinaus allen Einrichtungen nützlich
sind und deren Ansehen in der Öffentlichkeit verbessern,
z.B. eine
Datenbank der deutschen BID-Ausbildungseinrichtungen
mit den Subsystemen
etc.
Angehende Informationswissenschaftler und -praktiker sollen den
BID-Alltag kritisch begleiten
These 32
StudentInnen können Einrichtungen mit Anlaufschwierigkeiten
bei deren Beseitigung helfen, z.B. den Bibliotheken bei der Überwindung
ihrer früheren tiefsitzenden Aversion gegen technische Neuerungen
("Holzhausen-Syndrom") { 9 }. Auch Hilfen bei der Einrichtung
von OPACs wären nützlich. Wenn Benutzerunfreundlichkeit
ein Straftatbestand wäre, dann kämen einige deutsche
OPAC-Anbieter für längere Zeit überhaupt nicht
wieder aus dem Knast heraus. Daß sie lieber in der Gutenberg-Galaxie
surfen als im OLCL { 10 }, darf man ihnen nicht übelnehmen.
Richtig ist, daß Öffentliche Büchereien genau
so wichtig sind wie die Mitwirkung von Frauen in allen Bereichen
der Gesellschaft – sie sind unverzichtbar.
These 33
StudentInnen sollen die Systembeschreibungen in der anglo-amerikanischen
BID-Fachliteratur verfolgen (z.B. in den Library Software Review)
und deren Fehlen in deutschen BID-Fachzeitschriften so lange beharrlich
und in geeigneter Form monieren, bis Besserung eintritt.
These 34
StudentInnen sollen Besonderheiten der örtlichen und/oder
regionalen Entwicklung kennenlernen und kommentieren, z.B. die
"Dresdner Schnapsidee" { 11 }
These 35
StudentInnen sollen auf Fehler in Katalogen hinweisen, auf die
sie bei ihren Recherchen stoßen. { 12 }
These 36
StudentInnen sollen auf besondere Ereignisse der kommenden BID-Geschichte,
z.B. 1998: 20 Jahre DBI; 1998: 50 Jahre "Buch und Bibliothek";
1999: 50 Jahre "Nachrichten für Dokumentation"
in angemessener Form reagieren. Denkbar wäre eine Beteiligung
an der Erstellung von Mehrjahres-Bibliographien aus Anlaß
der Jubiläen.
These 37
StudentInnen sollen interessante Neuigkeiten nicht nur sporadisch,
sondern permanent mit anderen austauschen, z.B. erste Meldungen
über den Weltkongreß der Bibliotheken, der 2003 entweder
in St. Petersburg oder in Berlin stattfinden wird; das neueste
Programm des Stuttgarter Kabaretts "Dibbelbibbel"; oder
die Einführung von "Medienkunde" als offizielles
Schulfach im Freistaat Sachsen [ Sachsen 1996 ]. Auch Mitteilungen
über neu erschienene, besonders interessante Bücher
(Durch die Galaxie und dann links) gehören in die Austausch-Sparte
"Neuigkeiten"
These 38
StudentInnen sollten die der Sparte FAQ (Frequently asked questions)
zugrundeliegende Idee übernehmen und für den BID-Bereich
ausbauen
These 39
In der Bundesrepublik werden zur Zeit jährlich ca. 3 Milliarden
DM für Kultur- und Sport-Sponsoring ausgegeben. Wenn es gelingt,
auch nur 1 Promille dieses Betrags von der Wirtschaft einzuwerben,
so wären das jährlich 3 Millionen DM. Die Fachschaften
wüßten bestimmt, was man damit anfangen kann:
Das Sponsoring kann auch in folgendem bestehen:
Übernahme von Sach- und Dienstleistungen (kostenlose CD-ROMs
mit Programm- und Systemsoftware und deren Updates, Übernahme
von Service und Support, Bereitstellung von Kapazitäten für
die Evaluierung von BID-Software, u.a.)
These 40
Allerdings kann es beim Einsatz von Sponsorengeldern Hürden
geben : Das Geld darf vielleicht gegenwärtig niemand annehmen,
weil dem behördliche Bestimmungen entgegenstehen. Andere
Bestimmungen besagen zur Zeit noch, daß Diplomarbeiten zum
Teil nur mit Zustimmung der Autorin/des Autors oder des jeweiligen
Prüfungs-amtes ausgeliehen werden dürfen. Diese Bestimmungen
sollten abgeschafft werden. Paragraphen müssen sein, aber
Paragraphendschungel müssen Informationspolitik und Informationspraxis
gemeinsam bekämpfen und zu Kleinholz machen.
These 41
"Leistung muß sich lohnen" ist ein heute oft gehörtes
Schlagwort. In der Praxis ist es mannigfach verwirklicht, unter
anderem durch Auszeichnungen und Preise. Damit ist es im BID-Bereich
nicht gut bestellt: Es gab den Erich-Pietsch-Preis der DGD und
den AGAFE-Preis für Nachwuchsförderung; im Bibliothekswesen
gibt es den Helmut-Sontag-Preis. Das ist nicht ausreichend. Deshalb
wird vorgeschlagen:
These 42
Ideen gibt es in Hülle und Fülle. Ihre Verwirklichung
ist oft nicht sofort möglich, obwohl die Dringlichkeit unbestritten
ist. Informationspolitik, Informationswissenschaft und Informationspraxis
sollten deshalb eine "Ideenbörse" einrichten, in
der unter anderem Themen für wissenschaftliche Arbeiten und
für Gremienarbeiten gesammelt werden.
Das Thema für eine Habilitationsschrift könnte z. B.
lauten: Die mentalen Strukturen des höheren deutschen Bibliotheksdienstes
in der Phase des Übergangs von der Industriegesellschaft
in die Informationsgesellschaft. Als Dissertationsthema wäre
denkbar: "Strategien zum Abbau von Berührungsängsten
zwischen Archivaren, Bibliothekaren, Informationsfachleuten und
Informatikern". Als Thema für eine Diplomarbeit könnte
in der Börse stehen: "Synergieeffekte bei der EDV-Einführung
in Bibliotheken". Da es vom Weinberg-Report eine BRD- und
eine DDR-Übersetzung gibt, wäre ein Vergleich beider
Fassungen gelegentlich von historischem Interesse.
Da StudentInnen später als Informationsmanager sehr stark
mit Strukturproblemen konfrontiert werden, wäre auch denkbar,
die Idee von Strukturuntersuchungen in die Ideenbörse einzubringen
und Fragen zu behandeln, ob die 16 Bundesländer 24 Landesbibliotheken
brauchen oder ob eine Fachhochschule für Bibliothekswesen
sinnvoll ist, die als Unterabteilung einer Universitätsbibliothek
geführt wird und keinen Rektor und keine habilitierten Lehrkräfte
hat.
These 43
Die Gründung von Fördervereinen ist eine in der letzten
Zeit häufig anzutreffende Realisierung von Ideen zur materiellen
und moralischen Unterstützung von wichtigen Einrichtungen
und Unternehmungen. Die Informationspraxis wird sich sicher Bitten
um Beitritt nicht verschließen und kann dadurch in vielen
unspektakulären Fällen wirksame Hilfen leisten.
{ 1 }
Aufgabe der Informationswissenschaft, wie aller Wissenschaft,
ist neben den Aufgaben:
auch die Aufgabe, praktische Probleme durch Angabe konkreter Lösungswege
zu lösen. Dies geschieht – konventionell – in drei Schritten:
(Quelle: Marloth, H.: Denkschrift zur Lage der Deutschen Gesellschaft
für Dokumentatuion (DG). Frankfurt am Main, 29.02.1984).
{ 2 }
Aufgabe der Informationspraxis ist,
{ 3 }
Die Bildungsinitiative "Schulen ans Netz" ist eine Gemeinschaftsveranstaltung
von BMBF, Telekom, DFN-Verein und Humboldt-Universität zur
Öffnung von 10 000 deutschen Schulen für die Kooperation
und Kommunikation mit anderen Schulen, Universitäten, Bibliotheken
und Wirtschaftsunternehmen [ SAN ].
{ 4 }
Noch vor wenigen Jahren wären Bibliotheksdirektoren sowie
Rektoren, Dekane und ProfessorInnen von Ausbildungseinrichtungen
reihenweise in Ohnmacht gefallen, wenn sie die Ausgabe 1 von RECHERCHE
auch nur von weitem gesehen hätten.
{ 5 }
Beispiele für fehlendes Informationsbewußtsein sind
die Jahresberichte mancher deutscher Bibliotheksvereins-Vorsitzender
und manche Reiseberichte von TagungsteilnehmerInnen, StudentInnen
und PraktikantInnen.
{ 6 }
Das sprachliche Ausdrucksvermögen vieler InformationswissenschaftlerInnen
läßt sehr zu wünschen übrig. Es erweist sich
in vielen Fällen als Sammelsurium von Fachchinesisch und
unverdauten Brocken aus einem abgebrochenen Soziologiestudium.
{ 7 }
So sind z.B. ausgezeichnete Angaben zur Landeskunde, Geschichte,
Wirtschaft, Kultur sowie zum Schulwesen und zum Sport in den USA
über Oscar’s im WWW zu finden [ Oscar ].
{ 8 }
Zur "klassischen" Informatik-Literatur für InformationswissenschaftlerInnen
und InformationspraktikerInnen werden alle Zeitschriften der ACM
und IEEE, die deutschen Zeitschriften "Informatik-Spektrum",
"Informatik – Forschung und Entwicklung" und "Wirtschaftsinformatik"
sowie die Informatik-Reihen "Professional Computing Series"
(Addison-Wesley), "International Series in Computer Science"
(Prentice Hall); "Lecture Notes in Computer Science",
"Lecture Notes in AI", "Reihe Lehrbuch Informatik"
(Springer); "Informatik und Angewandte Informatik" (BI),
"Informatik Leitfaden und Monographien" (Teubner) und
"Studienbücher der Informatik" (Han-ser) gezählt.
{9 }
"Holzhausen-Syndrom" ist die Sammelbezeichnung für
einige Eigenheiten von deutschen BibliothekarInnen. Der Name geht
zurück auf eine Aussage des Berliners Hans-Dieter Holzhausen:
"Der Weg zu den neuen Technologien kann von Bibliothekaren
nur unter Zuhilfenahme der Elixiere des Teufels begangen werden".
Später kamen andere weltfremde Meinungen hinzu, z.B. "Bibliotheks-EDV-Systeme
sind komplizierte Systeme", "Bibliothekare sind die
geborenen Navigatoren auf den Daten-Autobahnen" und "Nur
Bibliothekare können Bibliothekaren richtig erklären,
was EDV ist und wie man sie in Bibliotheken nutzen kann".
{ 10 }
Das "Ohio College Library Center" (OLCL) ist 1967 in
den USA gegründet worden. Es entwickelte sich zum weltweit
größten bibliographischen Dienstleistungszentrum. Unter
Beibehaltung des Acronyms OLCL heißt es jetzt "Online
Computer Library Center".
{ 11 }
"Dresdner Schnapsidee" wird das Vorhaben genannt, den
geplanten Neubau der Universitätsbibliothek der Technischen
Universität Dresden ohne Lesesäle (!!) zu errichten.
{ 12 }
Der OPAC in Oldenburg ( katalog.bis.uni-oldenburg.de/cgibin/suche?kt=AAF_-MARLOTHH&la=1
) enthält einen Eintrag, daß der Autor Heinz Marloth
ein Buch "Einführung in die Informationswissenschaft"
verfaßt hat, das 1987 bei Dekker in New York erschienen
ist. Der Autor bestreitet, ein solches Buch geschrieben zu haben.
Es handelt sich vermutlich um ein Versehen bei der Eingabe in
den Katalog.
[ Ariadne ] URL: http://ukoln.bath.ac.uk/ariadne/
[ BMBF 1995 ] bmb+f: 40 Jahre Bildungs- und Forschungspolitik
1955-1995. 46 S. Bonn: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft,
Forschung und Technologie 1995. Hierzu gibt es auch 2 CD-ROMs
des BMBF.
[ EEII 1995 ] Brüggemann-Klein, A.; G. Cyranek; A. Endres;
A. Barth und A. de Kemp: Entwicklung und Erprobung offener volltext-basierter
Informationsdienste für die Informatik. Beschreibung eines
gemeinsamen Vorhabens der Gesellschaft für Informatik (GI).
des Fachinformationszentrums (FIZ) Karlsruhe und des Springer-Verlags.
URL: http://medoc.informatik.tu-muenchen.de/
[ EEVL ] = URL: http://www.hw.ac.uk/
[ERCIM ]: Marloth, H.: Digitale Bibliotheken: Europäische
Initiative. In: BIBLIOTHEKS-DIENST 8/1995, S.1310-1312.
[ FID 1992 ] International Federation for Information and Documentation:
State of the modern information professional. The Hague: FID 1992.
FID Occasional paper 4.
[ Fuhr 1992 ] Fuhr, N.: Probabilistic models in information retrieval.
In: The Computer Journal, 35(3):243-255.
[ Harms/Luckhardt ] URL: http://www.phil.uni-sb.de/FR/Infowiss/papers/iwscript/
[ Henrichs 1983 ] Henrichs, N.: Informationspolitik. Stichworte
zu einer Podiumsdiskussion. In: Kuhlen, R. (Hrsg.): Koordination
von Informationen. IX. Verwaltungsseminar Konstanz, 05.-07.05.1983.
Berlin u.a.: Springer 1984. Informatik-Fachberichte 81. ISBN 3-540-12929-4.
[ IFLA 1992 ] The Status, Reputation and Image of the Library
and Information Profession. Proceedings of the IFLA Pre-Session
Seminar, Delhi, 24-28 August 1992. Under the Auspices of the IFLA
Round Table for the Management of Library Asso-ciations. Edited
by Russell Bowden and Donald Wijasuriya. München/New Providence/London/Paris:
Saur 1994. 228 Seiten. ISBN 3-598-21795-1. ISSN 0344-6891. IFLA
Publications: 68.
[ Laser 1996 ] E-mail 100526.3166@COMPUSERV.COM
[ Limbach 1995 ] Limbach, J. in: DIE ZEIT Nr. 9 vom 24.02.95,
S.41.
[ Lycos 1996 ] URL: http://lycos.cs.cmu.edu/
[ Medoc ] URL: http://medoc.informatik.tu-münchen.de/
[ Oskar ] URL: http://www.oskars.de
[ Sachsen 1996 ] Frankfurter Rundschau Nr. 68 vom 20.03.96.
[ SAN ] URL: http://www.san-ev.de/ und http://www.schule.de/init.html
[ Schmidt 1996 ] URL: http://stud.uni-sb.de/%7Eankscm
[ Seeger 1995 ] Seeger, Th. (Hrsg.): Aspekte der Professionalisierung
des Berufsfeldes Information. Beiträge zu Ausbildung und
Beruf in der Informationslandschaft anläßlich des 10jährigen
Bestehens des Fachbereichs Information und Dokumentation der Fachhochschule
Darmstadt. 421 S. Konstanz: UVK Universitätsverlag Konstanz
GmbH 1995. ISSN 0938-8710, ISBN 3-87940-550-6. Schriften zur Informationswissenschaft
Band 21.
[ SLA 1989 ] Spalding, F.: Image of the librarian/information
profession: s Special Libraries Association Presidential Task
Force. In: IFLA Journal 15(4)1989.
[ SLA 1990 ] Special Libraries Association: Inter association
task force report on image. Washington: SLA 1990.
SUBITO = URL: http://www.subito1.de/
[ Tom ] URL: http://www.uni-sb.de/z-einrich/ub/tom/home.html
[ Umstätter 1995 ] Umstätter, W.: Die Rolle der Dokumentation
bei der Entstehung der Digitalen Bibliothek und ihre Konsquenzen
für die Bibliothekswissenschaft. In: NACHRICHTEN FÜR
DOKUMENTATION 46(1995)1, S.39.
[ UNESCO 1989 ] UNESCO (Publ.): Guidelines for the management
of professional associations in the field of archives, library
and information work. Paris: UNESCO 1989. PGI-89/WB/11.
[ VIW ] E-mail: 101672.1601@compuserve.com
[ Vodosek 1996 ] Vodosek, P.: Tue Gutes und sprich darüber
– Fingerübungen einer Fachhochschule in der Öffentlichkeitsarbeit.
Vortrag am 29.05.96 auf dem 86. Deutschen Bibliothekartag in Erlangen.
zur internationalen Entwicklung des Informationswesens nach 1945
1948
+
Am 9./10. Dezember erfolgt in Absprache mit dem Deutschen Normenausschuß,
dem Verband der Bibliotheken von Nordrhein-Westfalen, der Arbeitsgemeinschaft
der Technisch-Wissenschaftlichen Bibliotheken und dem Verband
Deutscher Archivare die zweite Gründung der Deutschen Gesellschaft
für Dokumentation (DGD) auf dem Hotelschiff "Bismarck"
in Köln. Das Hotelschiff schwankte leicht in der Strömung.
Spitze Zungen behaupten noch annähernd fünfzig Jahre
später, die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation
habe seit diesen Tagen schwankenden Boden nie wieder verlassen.
In Großbritannien findet die berühmte "Royal Society
Information Conference" statt. Auf ihr werden die ersten
Autoren-Abstracts vorgestellt, J. D. Bernal trägt vor, wie
Wissenschaftler sich Informationen beschaffen, und es wird ein
neuer Typ von Wissenschaftler vorgestellt: der Wissenschaftler,
der sich mit Bibliotheks- und Informationstechniken befaßt.
1950
Erstes Erscheinen der "Nachrichten für Dokumentation
in Technik und Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung".
Die Zeitschrift ist die Nachfolgerin der Zeitschrift "Dokumentation
und Arbeitstechnik", die vor dem Zweiten Weltkrieg erschienen
war.
John Mc Carthy, der Begründer der Programmiersprache LISP,
schafft den Begriff "Artificial Intelligence".
Alan M. Turing stellt in seinem Aufsatz Computing Machinery and
Intelli-gence die provokative Frage "Können Maschinen
denken?"
1. Generation von Computern: Röhrenrechner mit Magnetbändern
und Lochkartenein- und -ausgabe
1952
Die 3. Auflage des vom Deutschen Normenausschuß herausgegebenen
"Ver-zeichnis von Schrifttum-Auskunftsstellen der Technik
und verwandter Gebiete" er-scheint.
In London findet das "Symposium on Applications of Communication
Theory" statt.
1954
Gründung des "Rheinisch-Westfälischen Instituts
für Instrumentelle Mathema-tik" (IIM), der Vorläufereinrichtung
der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD).
In Berlin erscheint die Dissertation von Hans-Werner Schober "Dokumentati-on
von Zeitschriften. Eine Studie zur gegenwärtigen Lage in
Deutschland".
Die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD) setzt ein
Kuratorium für Nachwuchsbildung ein.
Die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD) wird Mitglied
im Deutschen Verband technisch-wissenschaftlicher Vereine und
erhält dadurch Zugang zum Gemeinschaftsausschuß der
Technik (GdT). Im GdT wirken neben den technisch-wissenschaftlichen
Vereinen die Verbände der Wirtschaft und der Arbeit-geber,
die berufsständischen Ingenieurorganisationen, die Arbeitnehmerorganisatio-nen
und die mit Fragen der Technik befaßten Bundesministerien
mit.
Vom 22.-26. März findet der erste Fachlehrgang über
Dokumentation in der Technischen Hochschule Darmstadt statt.
Harry D. Husky, Informatik-Professor an der University of California
in Berke-ley, entwickelt den G15, den ersten PC. Er war mit einem
Magnettrommelspeicher ausgerüstet, enthielt 250 Röhren
und kostete 50 000 $.
Deutsche Firmen dürfen mit dem Bau von Computern beginnen.
1955
In London findet das "Third London Symposium on Information
Theory" statt.
In den USA wird in den Bell Laboratories unter der Leitung von
J. Felker der erste mit Transistoren bestückte Computer TRADIC
fertiggestellt.
1957
Erste Lehrveranstaltung über Information und Dokumentation
an der Freien Universität Berlin.
In Dorking, England, findet die "International Study Conference
on Classification for Information Retrieval" statt
In Cleveland/Ohio findet das "Symposium on Systems for Information
Retrieval" statt..
Am 4. Oktober fliegt der "Sputnik", der erste künstliche
Erdsatellit, um die Erde. Die von ihm ausgesendeten Signale beunruhigen
die USA, weil man um die militärische Sicherheit des Landes
fürchtet. Die Regierung vergibt den Auftrag, den Code dieser
Signale ohne Rücksicht auf die Kosten so schnell als möglich
zu entschlüsseln. Das gelingt innerhalb von sechs Monaten
mit einem Aufwand von 20 Millionen Dollar. Wenig später ergibt
sich, daß die Russen den Code vor dem Start publiziert hatten,
daß eine englische Übersetzung in mindestens 6 Bibliotheken
der USA vorlag und man sich die 20 Millionen Dollar hätte
sparen können, wenn das Informationswesen besser ausgebaut
gewesen wäre.
Die Firma Philco Corp. führt in Philadelphia mit dem Transac-S-100
den ersten volltransistorisierten Rechner der Welt vor.
1958
Die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD) wird mit
Wirkung ab 1. Januar assoziiertes Mitglied der Fédération
Internationale de Documentation (FID).
Die 4. Auflage des "Verzeichnis von Schrifttum-Auskunftsstellen"
erscheint.
In Großbritannien wird das Institute of Information Scientists
(IIS) gegründet.
In den USA veröffentlicht das President’s Science Advisory
Committee (PSAC): Improving the Availabilty of Scientific and
Technical Information in the United States.
Die National Academy of Sciences (NAS), die National Science Foundation
(NSF), der National Research Council (NRC) und das American Documentation
Institute veranstalten vom 16.-21.11.1958 in Washington, D.C.,
die "International Con-ference on Scientific Information"
(ICSI).
J. Kilby erfindet die erste integrierte Schaltung.
Die Computersprache ALGOL (Algebraic Oriented Language) wird entwickelt
1959
In Frankfurt am Main findet auf Initiative von Erich Pietsch der
Kongreß "Automatic Documentation in Action" statt.
Gründung des Arbeitsausschusses "Dokumentation"
im Gemeinschaftsausschuß der Technik (GdT).
COBOL (Common Business-Oriented Language) wird zur Computerprogram-mierung
für die Geschäftswelt entwickelt.
In Cleveland findet die "International Conference for Standards
on a Common Language for Machine Searching and Translation"
statt.
Vorstellung des ersten, mit Transistoren bestückten und tragbaren
Fotokopierers.
Die Firma Xerox Corp. beginnt den Bau von serienreifen Kopiermaschinen
für Normalpapier.
1960
Im November beschließt der Senat der Max-Planck-Gesellschaft
zur Förde-rung der Wissenschaften (MPG) die Errichtung eines
Instituts für Dokumentations-wesen und seine Betreuung durch
die Max-Planck-Gesellschaft bis zu einer späteren Klärung
der Trägerschaft.
In London findet das "Fourth London Symposium on Information
Theory" statt.
In den USA erscheint die Veröffentlichung des Subcommittee
on Government Reorganization and Internal Organizations, Chairman:
Hubert H. Humphrey: Documentation, Indexing and Retrieval of
Scientific Information. Senate Doc. 113.
Einführung der IBM1400-Serie.
Die erste integrierte Schaltung (IC) wird entwickelt.
1961
Mit Hilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wird in Darmstadt
das Deutsche Rechenzentrums (DRZ) gegründet. Es stellt seine
Computer-Dienst-leistungen allen Hochschulen und hochschulfreien
Forschungseinrichtungen zur Verfügung. 1965 sind bereits
1 656 Computer unterschiedlicher Größenklassen bun-desweit
im Einsatz, 1968 sind es doppelt so viele. Zu 90% handelt es sich
dabei um amerikanische Produkte. Ihr Installationswert beträgt
über 1 Milliarde DM.
Im Oktober nimmt das Institut für Dokumentationswesen (IDW)
unter Leitung des bisherigen Direktors der Westdeutschen Bibliothek,
Dr. Martin Cremer, seine Tätigkeit in Frankfurt am Main auf.
Erscheinen des Berichts des U.S. Senate Committee on Government
Opera-tions, Subcommittee on Reorganization and Internal Organization,
Chairman: Hubert H. Humphrey: Coordination of information on
Current Scientific Research and Development Supported by the United
States Government: Administrative and scientific problems and
opportunities of central registration of research projects in
scientific and engineering. Report No. 263, 87th Congress,
1st Session.
In den USA wird das Institute for Scientific Information (ISI)
gegründet und der Science Citation Index etabliert.
1962
Der Präsident des Bundesrechnungshofs veröffentlicht
im Februar eine Denkschrift über "Die wissenschaftliche
Dokumentation in der Bundesrepublik Deutschland". Sie wird
zum Leitbild vielfältiger Aktivitäten von Wissenschaft
und Wirtschaft zur Verbesserung von Information und Dokumentation.
Die Fördermittel des Instituts für Dokumentationswesen
(IDW) betragen 90 000 DM.
Die 5. Auflage des "Verzeichnis von Schrifttum-Auskunftsstellen"
erscheint.
Beginn des Aufbaus der Bibliothek der Deutschen Gesellschaft für
Dokumentation (DGD) in Frankfurt am Mai .
In den USA erscheint der Bericht des Office of Science and Technology
(OST). President’s Science Advisory Ad Hoc Task Group on Federal
Agency STI Review. Task Force Chaired by James R. Crawford, Jr.:
Scientific and Technological Communications in the Government.
(AD-299545). "The Crawford Report".
In Home Springs, Virginia, findet der "Second International
Congress on Information Systems Science" statt.
Der erste Nachrichtensatellit "Telstar" wird auf die
Umlaufbahn gebracht. Über ihn werden die ersten TV-Programme
zwischen Amerika und Europa live ausgetauscht.
Einführung der weltweiten automatischen Wahl im Fernsprechnetz.
1963/1964
In den USA entstehen am Carnegie-Institute of Technology und an
der Stanford University in Kalifornien die ersten Computer Science
Departments.
1963
Der Sender Freies Berlin überträgt das erste stereophonische
Rundfunkkonzert in Deutschland.
In den USA erscheint der Bericht des President’s Science Advisory
Committee. Panel Chaired by Alvin Weinberg: Science, Government
and Information – The Responsibilities of the Technical Community
and the Government in the Transfer of Information. "The
Weinberg Report"
In den USA erscheint der Berichts des U.S. Congress, House of
Representatives, Comittee on Education and Labor: Hearings
before the Ad Hoc Subcommittee on a National Research Data Processing
and Information Retrieval Center of the Committee on Education
and Labor. House of Representatives, 88th Congress, 1st Session
on H.R. 1946. "The Pucinski Report"
1964/1965
In Zusammenarbeit zwischen der Zentralstelle für maschinelle
Dokumentation (ZMD) und der Deutschen Bibliothek werden die maschinelle
Herstellung der Deutschen Bibligraphie organisiert und die dazu
erforderlichen Computerprogramme entwickelt.
1964
Einrichtung eines Referats für Information und Dokumentation
im Bundesmini-sterium für wissenschaftliche Forschung (BMwF)
in Bonn.
Als Beiheft zu den "Nachrichten für Dokumentation"
erscheint eine deutsche Übersetzung des "Weinberg-Berichts".
Sie wird bei maßgeblichen Stellen der öffentlichen
Hand, der Verwaltung und der Wirtschaft breit gestreut und vermittelt
– leider – den Eindruck, der Weinberg-Bericht sei die wichtigste
informationspolitische Aktivität der USA. Die vor und nach
ihm veröffentlichten Berichte und die umfangreiche Gesetzgebung
der Vereinigten Staaten im Informationsbereich wurden in der Bundesrepublik
kaum zur Kenntnis genommen und konnten deshalb auch nicht beschleunigend
auf die Aktivitäten der Verbände und Ministerien wirken.
16. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation
(DGD) in Bad Dürkheim. Generalthema: Dokumentation und Benutzer.
Während der Tagung erklärt Regierungsdirektor Dr. Heinz
Lechmann die "Dokumentation und Information zum Anliegen
der Bundesrepublik Deutschland".
Gründung der Zentralstelle für maschinelle Dokumentation
(ZMD) in Frankfurt am Main, zunächst im organisatorischen
Rahmen des Instituts für Dokumentations-wesen (IDW).
Veröffentlichung der "Empfehlungen des Wissenschaftsrats
zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen. Teil 2: Wissenschaftliche
Bibliotheken.
Erstmalige Realisierung der Verbindung von Sofortausleihe und
Freihandmagazin in der Stadt- und Universitätsbibliothek
Frankfurt am Main durch Clemens Köttelwesch.
In Elsinore, Dänemark, findet die "Second International
Study Conference on Classification Research" statt.
Verabschiedung des Library Services and Construction Act of 1964
in den USA.
In Washington, D.C., findet die von der National Science Foundation
organisierte "Study Conference on Evaluation of Document
Searching Systems and Procedures" statt
Erscheinen der Studie des U.S. Congress, House of Representatives,
Select Committee on Government Research. Chairman: Carl Elliot:
Documentation and Dissemination of R&D Results. Study
IV.
Mit der IBM 360 und dem UNIVAC 1108 kommt die dritte Computer-Gene-ration
auf den Markt.
1965-1971
3. Generation von Computern: Einführung von Chips.
1965
Die Organization for Economic Cooperation and Development (OECD),
die mächtigste Wirtschaftsorganisation der westlichen Welt
mit Sitz in Paris, richtet ihre Information Policy Group (IPG)
ein.
In Großbritannien wird das Office for Scientific and Technical
Information (OSTI) gegründet.
In den USA erscheint der Bericht des Committee on Scientific and
Technical Information (COSATI), Special Task Force, William Knox
and Systems Development Corporation: Recommendations for a
National Document Handling System for Scien-ce and Technology.
"The Knox Report", "The SDC Report".
In den USA findet die "Conference of Library of Congress
Staff and Academic Librarians" statt. Eines ihrer Ergebnisse
ist die Entwicklung des "Machine Readable Cataloging"
(MARC).
In Airlie House, Virginia, findet das vom American Documentation
Institute or-ganisierte "Symposium on Education for Information
Science" statt.
An der Syracuse University findet das von der National Science
Foundation organisierte "Symposium on the Foundation of Access
to Knowledge" statt.
In der Bundesrepublik sind 1 656 Computer unterschiedlicher Größenklassen
im Einsatz.
Der erste Nachrichtensatellit "Early Bird" wird auf
seine Umlaufbahn gebracht.
Einführung der IBM360-Serie.
Einführung des TR4 von Telefunken.
1966
Seit Januar wird die Deutsche Bibliographie mechanisiert hergestellt.
Vom 11.-14. Februar finden in der Evangelischen Akademie Loccum
Gespräche über "Probleme der Dokumentation"
statt.
Beginn der Möglichkeit, in der Bundesrepublik Deutschland
Informatik zu stu-dieren.
Am 1. September Gründung einer Abteilung "Information
und Dokumentation" am Institut für Bibliothekswissenschaft
der Humboldt-Universität und Umbenennung des Instituts in
"Institut für Bibliothekswissenschaft und wissenschaftliche
Informa-tion".
1967-1971
Erstes DV-Förderungsprogramm der Bundesregierung in der Bundesrepublik
Deutschland. Förderungssume: 162 Millionen DM.
1967
Regierungsdirektor Dr. Lechmann vom Bundesministerium für
wissenschaf-liche Forschung (BMwF) in Bonn stellt seine "Leitsätze
für eine nationale Dokumen-tations- und Informationspolitik
im Bereich der Wissenschaft und Technik" vor.
Einführung des Farbfernsehens in der Bundesrepublik.
Gründung des Komitees "Betriebsdokumentation" der
Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD). Vorsitzender:
Heinz Marloth.
In London findet die von der Fédération Internationale
de Documentation (FID) organisierte "International Conference
on Education for Scientific Information Work" statt.
Das "Ohio College Library Center" (OLCL) wird gegründet.
Es entwickelt sich zum weltweit größten bibliographischen
Dienstleistungszentrum. Unter Beibehaltung des Acronyms heißt
es später "Online Computer Library Center". 1967
1968
Am 23. April wird die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung
(GMD) gegründet. Sie hat ihren Sitz in Schloß Birlinghoven
in Sankt Augustin bei Bonn, einem Jahrhundertwende-Bau im Stil
eines englischen Landsitzes.
Vom 7.-10. Oktober findet die Working Conference on Software Engineering
in Garmisch statt. Durch sie wird der Begriff "Software Engineering"
in die Informatik eingeführt.
Josef Koblitz publiziert in der DDR seine Arbeit "Zum Wesen
und Entwicklungsstand der Informations- und Dokumentationswissenschaft".
H. Borko veröffentlicht in den "Nachrichten für
Dokumentation" einen Beitrag "Informationswissenschaft:
Was ist das?"
Das "American Documentation Institute" (ADI) ändert
seinen Namen in "American Society for Information Science"
(ASIS).
1969
Die Fördermittel des Instituts für Dokumentationswesen
(IDW) betragen 1,4 Millionen DM.
Die Urfassung der Arbeit von Kunz und Rittel "Die Informationswissen-schaften.
Ihre Ansätze, Probleme, Methoden und ihr Ausbau in der Bundesrepublik
Deutschland" wird maschinengeschrieben verteilt und in der
Fachöffentlichkeit diskutiert.
Am 26. September wird das postgraduale Studium der Informations-
und Dokumentationswissenschaft am Institut für Bibliothekswissenschaft
und wissen-schaftliche Information der Humboldt-Universität
begründet.
In Großbritannien wird der Dainton Report veröffentlicht.
Er schuf die Grundlagen für die Gründung der British
Library.
In Tokyo findet die "First Japan-United States Conference
on Libraries and Information Science in Higher Education"
statt.
Beginn der alle zwei Jahre stattfindenden "International
Joint Conferences on Artificial Intelligence (IJCAI).
Im Oktober/November findet in Kampala/Uganda unter maßgeblicher
Beteiligung von Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für
Dokumentation (DGD) ein von der Friedrich-Naumann-Stiftung finanzierter
und betreuter Kurs zur Weiterbildung ostafrikanischer Dokumentare
statt.
1970 – 1979
In der Bundesrepublik Deutschland werden am Lehrinstitut für
Dokumentation (LID) 171 wissenschaftliche Dokumentare, 229 diplomierte
Dokumentare und 96 Dokumentations-Assistenten ausgebildet.
1970
Am 7. Januar wird in Frankfurt am Main durch das Deutsche FID-Komitee
das Deutsche Komitee für Dokumentation (DKD) gegründet.
Vom 2.-5. März. findet in Jouy-en-Josas das "Residential
Seminar on Governmental Responsibilities in Information for Industry"
der OECD statt.
Am 6. August findet in Frankfurt am Main die konstituierende Sitzung
des Deutschen Komitees für Dokumentation (DKD) statt. Zum
Sekretär des DKD wird Heinz Marloth gewählt.
Berufung einer Programm-Kommission zur Erarbeitung eines Bundesförde-rungsprogramms
Information und Dokumentation.
Einrichtung der US-Außenstelle des Instituts für Dokumentationswesen
(IDW) in Washington durch Frau Dr. Helen von Bila. Nach Abschluß
der grundlegenden Arbeiten wird Dr. Wolfgang Ettel Leiter der
US-Außenstelle.
International geht die Zeit der großen Rechenzentren zu
Ende. Die dritte Computergeneration besteht vollständig aus
integrierten Schaltungen und Mikro-prozessoren. Monolith-Bausteine,
Dünnschichtspeicher, Bytestruktur und Sprach-kompatibilität
sind die Kennzeichen dieser Generation. Zwei Millionen Byte Speicherkapazität
ist Standard, die Verarbeitungsgeschwindigkeit beträgt fünf
Millionen Instruktionen pro Sekunde. Gegenüber der zweiten
Computergeneration hat sich die Speicherkapazität versechzigfacht,
das Tempo hat um das 25fache zugenommen. Die Rechner sind jetzt
kleiner, billiger und leistungsfähiger geworden.
In London findet die von Aslib organisierte "Conference on
International Developments in Scientific Information Services"
statt.
In Großbritannien wird unter der Bezeichnung "Viewdata"
die Idee verwirkl
icht, das Telefon, den Bildschirm und Datenbanken miteinander
zu verbinden.
In den USA wird die "National Commission on Libraries and
Information Science" (NCLIS) gegründet.
In den USA werden die ersten Mikroprozessoren entwickelt.
1971-1975
Zweites DV-Förderungsprogramm der Bundesregierung der Bundesrepublik
Deutschland.
1971 bis heute
4. Generation von Computern: Miniaturisierung der Hardware und
große Fortschritte bei der Software
1971
Prof. Dr. Alwin Diemer von der Universität Düsseldorf
veröffentlicht in den "Nachrichten für Dokumentation"
seine Arbeit "Informationswissenschaft. Zur Be-gründung
einer eigenständigen Wissenschaft und zur Grundlegung eines
autono-men Bereichs "Informationswissenschaften".
Im Mai und November erscheinen Band I und II von "Das Informationsbankensystem.
Vorschläge für die Planung und den Aufbau eines allgemeinen
arbeitsteiligen Informationsbankensystems für die Bundesrepublik
Deutschland. Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe beim
Bundesminister des Innern an die Bundesregierung."
Gründung des "Lindenfelser Kreises", einer Arbeitsgemeinschaft
der Vertreter zentraler Dokumentationseinrichtungen der Bundesrepublik.
Der Kreis tagt nichtöffentlich und fast geheimbündlerisch
zumeist in Hotels mit Schwimmbad und Tischtennisplatten. Seine
informelle Wirksamkeit war enorm. Formell hat er folgende Papiere
verabschiedet:
Die UNESCO veranstaltet die "Intergovernmental Conference
for the Estab-lishment of a World Science Information System (UNISIST).
In Rom findet die von der Fédération Internationale
de Documentation (FID) organisierte "International Conference
on Training for Information Work" statt.
In Denver findet das von der American Library Association und
der American Society for Information Science organisierte "Symposium
on Directions in Education for Information Science statt.
Auf der Berliner Funkausstellung stellt Telefunken/Decca die erste
Bildplatte vor.
Inbetriebnahme der ersten Zeitungsseiten-Fernkopierer mit Laser-Technik.
1972
Die Fördermittel des Instituts für Dokumentationswesen
(IDW) betragen 5 Millionen DM.
Im April erscheint Band III von "Das Informationsbankensystem".
Die von Ingetraut Dahlberg zusammengestellte Auswahlbibliographie
internationaler Fach-literatur 1960-1971 enthält auf 364
Seiten 5 800 sachlich angeordnete Titel, zum größten
Teil mit Annotationen aus dem Gesamtbereich der Informationswissen-schaften,
deren Gegenstand Informationssysteme sind und in denen Belange
des Archiv-, Bibliotheks-, Dokumentations- und Informationswesens,
besonders hinsichtlich ihrer maschinellen Methoden zusammengefaßt
sind. Das mit einem umfangreichen Sach- und Autorenregister ausgestattete
vorbildliche Werk hat bedauerlicherweise keine Nachfolge gefunden.
Die deutschen Informationswissenschaftler begnügten sich
fortan damit, gelegentlich die Spreu vom Weizen zu sondern und
anschließend die Spreu zu publizieren und sich im übrigen
ausgiebig anerkennend auf die eigene Schulter zu klopfen.
Nicht ganz zufällig äußert Lydia Vilentschuk aus
Israel in etwa zur gleichen Zeit: "Die Arbeit wird in der
Dokumentation hauptsächlich von Frauen gemacht. Die Männer
gehen nur auf Dienstreisen."
In Großbritannien wird der British Library Act erlassen.
1973
In der Zeit vom 15. Mai bis 15. Juni und 15. September bis 15.
Dezember werden den Heften der Zeitschrift UMSCHAU Fragebogen
beigelegt, mit der die Vermittlung einer kostenlosen Literaturrecherche
erbeten werden kann. 1 242 Leser machen von diesem Angebot Gebrauch.
Die Anfragen stammen aus Max-Planck-Instituten, Hochschulen und
Fachhochschulen, hochschulfreien Forschungseinrichtungen, von
Studenten, Lehrern, aus Industriebetrieben, von Patentanwälten,
von Verbänden und öffentlichen Einrichtungen, von Privatpersonen
aus allen Ländern der Bundesrepublik sowie aus 22 ausländischen
Staaten. Die Rechercheaufträge werden vom Institut für
Dokumentationswesen (IDW) an insgesamt 117 IuD-Stellen vergeben.
Die kürzeste Recherchedauer beträgt einen Tag, die längste
288 Tage. Diese 288 Tage werden benötigt, um in Zusammenarbeit
zwischen der Bundesrepublik und Italien die zwei vorhandenen Literaturstellen
über den zweigleisigen Ausbau der ehemals eingleisigen Bahnstrecke
Genua-Ventimiglia ausfindig zu machen und zu kopieren. Als statistischer
Durchschnittswert für die Recherchedauer werden 37 Tage ermittelt.
Nachgewiesen wurden von null bis mehr als 500 Literaturstellen.
Die vom IDW übernommenen Kosten beliefen sich auf 4 bis maximal
ca. 360 DM pro Recherche.
Obwohl die Rechercheergebnisse von den Anfragern überwiegend
positiv beurteilt werden, fällt die schriftliche Auswertung
der UMSCHAU-Aktion vom März 1975 ohne jegliche im Wissenschaftsbetrieb
übliche Diskussion und unter fast mafiös zu nennenden
Begleitumständen der Zensur zum Opfer.
Die Bundesregierung setzt die "Kommission für den Ausbau
des technischen Kommunikationssystems" (KtK) mit der Aufgabe
ein, Bedingungen, Verfahren und Entwicklungstrends im Bereich
der elektronischen Kommunikation, vor allem im Zusammenhang mit
dem Kabelfunk zu untersuchen und kommunikationspolitisch einzuschätzen.
Trotz der damit ausgelösten Bestrebungen gerät die Bundesrepublik
kommunikationstechnologisch international immer mehr ins Hintertreffen.
Das Deutsche Rechenzentrum (DRZ) in Darmstadt wird in die Gesellschaft
für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) integriert. In
der GMD befaßt sich unter anderem das Institut für
Informationssystemforschung unter der Leitung von Dr. Adam Petri
mit der Netzwerktheorie. Die "Petri-Netze" werden weltweit
bekannt: sie machen es möglich, komplexe verteilte, d.h.
nicht auf einen Ort konzentrierte Systeme, Prozesse und Zusammenhänge
so darzustellen, daß sie vom Computer erfaßbar und
auswertbar werden.
Die Organization for Economic Cooperation and Development (OECD)
veröffentlicht den "Anderla Report", eine Studie
über den voraussichtlichen Informationsbedarf und die Informationsressourcen
im Jahre 1985.
In Großbritannien nimmt die British Library den Dienstbetrieb
auf.
In England wird "Viewdata" erstmals demonstriert.
Die Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland sind weitgehend
mit eigenen Computern ausgestattet.
1974-1977
Die Projektfördermittel des Bundesministeriums für Forschung
und Technologie (BMFT), die vom Institut für Dokumentationswesen
(IDW) zusätzlich zu den eigenen Mitteln in Höhe von
jährlich jeweils 5 Millionen DM betreut werden, steigen von
6 Millionen auf 22 Millionen DM.
1974
Gründung des ABD-Kreises, in dem die Zusammenarbeit der Fachverbände
für Archivwesen, Bibliotheskswesen und Dokumentation in der
Bundesrepublik verbessert werden soll.
Am 17. Dezember beschließt das Bundeskabinett das "Programms
der Bundesregierung zur Förderung der Information und Dokumentation
(IuD-Programm) 1974-1977". Zu diesem Zeitpunkt ist das erste
Jahr der Laufzeit des Programms bereits vorüber. Insidern
ist der vervielfältigte Text des Programms bekannt; aber
die Veröffentlichung des gedruckten Textes erfolgt mit mehreren
Monaten Verspätung erst im Juli 1975. Gleichwohl liegt eine
von der japanischen Regierung veranlaßte Übersetzung
bereits im Februar 1975 vor und beweist, daß Regierungsstellen
auch zügig arbeiten können, wenn sie mit den richtigen
Leuten besetzt sind.
Die Deutsche Bundespost betreibt die ersten Kabelfernseh-Versuchs-anlagen
in Hamburg und Nürnberg.
Erste Versuche zur Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung
werden in der Baudokumentation unternommen.
In Großbritannien wird das Office for Scientific and Technical
Information (OSTI) in das British Library Research and Development
Department (BLRDD) umgewandelt.
Die ersten programmierbaren Taschenrechner kommen auf den Markt.
1975-1977
In Großbritannien tagt die "Working Party on the Future
of Professional Qualifications" der Library Association.
1975
Beginn des Dritten Datenverarbeitungsprogramms der Bundesregierung.
Die Gesellschaft für Informatik (GI) verabschiedet die "Empfehlungen
für ein Informatikstudium an Fachhochschulen".
Die Planungsarbeiten für die 16 Fachinformationssysteme des
IuD-Pro-gramms beginnen.
Im Berliner Heinrich-Hertz-Institut beginnt das Laborprojekt "Zweiweg-Kabelfernsehen".
In London findet das "First International Forum on Information
Science" statt.
1976
In Konstanz findet das Konstanzer Literaturgespräch 1976
mit dem Schwerpunktthema "Wissenschaftliche Information heute
und morgen" statt.
Die Gesellschaft für Informatik (GI) veröffentlicht
im Zentralblatt für Didaktik der Mathematik ihr Papier "Zielsetzungen
und Inhalte des Informatikunterrichts" und eröffnet
damit eine Reihe von pädagogischen Empfehlungen, die innerhalb
weniger Jahre dazu führen, daß der Umgang mit Computern
für weite Kreise der Bevölkerung entmystifiziert wird.
In den USA am 13. September Verabschiedung des "Government
in the Sun-shine Act" (PL 94-409).
1977
Einrichtung der Außenstelle Tokyo des Instituts für
Dokumentationswesen (IDW). Dr. Ulrich Wattenberg wird Leiter der
Außenstelle.
Gründung der ersten Fachinformationszentren (FIZ) in der
Bundesrepublik.
Thomas Seeger faßt die Auffassungen einer ganzen Reihe von
Kritikern des Lehrinstituts für Dokumentation (LID) in Folge
9 der "Beiträge zur Informations- und Dokumentationswissenschaft"
zusammen:
"Die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Ausbildungssituation
des LID ist in vielfacher Weise zum Ausdruck gekommen. Insbesonders
sind Detailpunkte der Ausbildung kritisiert worden, die sich auf
beschränken."
Am 6. Juni Gründung der Gesellschaft für Information
und Dokumentation (GID). Das abgekürzte Gründungsdatum
6.6.77 erinnert etwas an das Gründungsdatum der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft,
der Vorläuferin der Max-Planck-Gesellschaft, die am 11.11.11
gegründet worden ist.
In Berlin und Frankfurt am Main werden erste Versuchsstrecken
für Glasfaserleitungen angelegt.
In Albany, N.Y., findet die "Conference on Education for
Information Science-Strategies for Change in Library Schools Programs"
statt.
In Aberystwyth findet der "Workshop on Curriculum Development
in Library and Information Science" statt.
In Kopenhagen findet das von der Königlichen Bibliotheksschule
organisierte "Second International Forum on Information Science"
statt.
Gründung der "Sektion Informationswissenschaft"
der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD). Sie soll
Anlaufstelle und Forum für Personen und Institutionen sein,
die in der Informationswissenschaft tätig sind. Sie erlangt
nicht annähernd die Bedeutung, die in den USA die "American
Society for Information Sciences" (ASIS) und in Großbritannien
das "Institute of Information Scientists" (IIS) erreicht.
Die Schließung der Gesellschaft für Information und
Dokumentation (GID), in der alle Leitungsfunktionen mit Informationswissenschaftlern
besetzt waren, wurde im Jahre 1987 zum "Stalingrad der deutschen
Informationswissenschaft". Seit dieser Zeit kursiert der
Spruch: "Gott hat in seiner unendlichen Weisheit die deutschen
Informationswissenschaftler geschaffen. Leider hat er vergessen,
uns zu sagen warum."
Die Deutsche Bundespost erwirbt das britische Viewdata-System
komplett mit Software und Rechner, veröffentlicht ihre Vorstellungen
für einen entsprechenden deutschen Dienst mit der Bezeichnung
"Bildschirmtext" (Btx) und präsentiert Btx anläßlich
der Internationalen Funkausstellung in Berlin.
Für Bürozwecke werden 440 000 Normalkopierer verkauft.
In Berlin und Frankfurt am Main werden die ersten Versuchsstrecken
für Glasfaserleitungen angelegt.
1978
Das Lehrinstitut für Dokumentation (LID) führt im Frühjahr
den sogenannten "Banken-Lehrgang" durch, um im Schnellverfahren
Mitarbeiterinnen der Dokumentationsabteilungen Frankfurter Banken
eine Grundausbildung zu ermöglichen. Für die 10 Vorlesungsstunden
"Organisation und Betrieb von Bibliotheken und Informations-einrichtungen"
findet der Dozent in der Lehrmaterialsammlung des LID nicht eine
einzige brauchbare Unterlage vor und sieht sich gezwungen, in
nicht vergüteter Zusatzarbeit mehr als 100 Overheadfolien
selbst herzustellen. Eine Abschlußbesprechung der am Lehrgang
beteiligten Dozenten zum Austausch der bei diesem Kurs-typ gesammelten
Erfahrungen findet nicht statt.
Zur Beseitigung von chaotischen Zuständen im Frankfurter
Lehrinstitut für Dokumentation (LID) beruft die Gesellschaft
für Information und Dokumentation (GID) einen "GID-Beirat
für das LID". Auf seiner konstituierenden Sitzung am
29. Juni billigt das Gremium das vorgelegte GID-Papier "Probleme
der Ausbildung von Dokumentaren im Lehrinstitut für Dokumentation
der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation" und betont
die Notwendigkeit, deutliche Akzente für eine Reform des
LID zu setzen. Empfehlungen hierfür werden während der
Sitzungen des Gremiums am 29.06.1978, 06.10.1978 und 25.01.1979
ausgesprochen und vom LID in die Praxis umgesetzt.
Überleitung des Dokumentationszentrums für Informationswissenschaften
der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD) in die
Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID).
Gründung der Online-Benutzergruppe (OLBG) der Deutschen Gesellschaft
für Dokumentation (DGD).
Die Kommission für Ausbildungs- und Berufsfragen des Vereins
der Diplom-Bibliothekare an wissenschaftlichen Bibliotheken (VdDB)
und die Kommission für Ausbildungsfragen des Vereins Deutscher
Bibliothekare (VDB) legen eine Materialsammlung "Gemeinsame
Ausbildung für Bibliothekare und Dokumentare" vor. Damit
beginnen tastende Versuche zur Zusammenführung von zwei Arbeitsrichtungen,
die im angloamerikanischen Ausland als "Library and Information
Sciences" von Anfang an eine Einheit gebildet haben.
Die Gesellschaft für Informatik (GI) veröffentlicht
ihre "Empfehlungen zur Aus-bildung, Fortbildung und Weiterbildung
von Lehrkräften für das Lehramt Informatik in den Sekundarstufen".
In der Bundesrepublik beginnt ein nichtöffentlicher Bildschirmtext-Versuch.
In den USA wird ein erster Test-Markt für Bildplatten eröffnet.
1979
Das Bundeskabinett billigt den Bundesbericht Forschung VI.
Die Gesellschaft für Informatik (GI) veröffentlicht
ihre "Stellungnahme und Empfehlungen zum Volkshochschulzertifikat
Informatik".
Im November wird in Frankfurt am Main in einem Workshop "FIABID
– Integrierte Ausbildungskonzeptionen im Tätigkeitsbereich
Bibliothek, Information und Dokumentation" vorgestellt. Das
vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT)
1976 bis 1978 finanziell geförderte Projekt scheitert trotz
seiner guten diagnostischen und prognostischen Teilprojekte vor
allem aus folgenden Gründen:
Etwa zur gleichen Zeit wird in Niedersachsen der "Modellversuch
BID" durchgeführt, der im Rahmen eines Fachhochschul-Studiengangs
neue Akzente setzt. Er führt zu strukturellen Verbesserungen,
aber zu keinem qualitativen Durchbruch im BID-Ausbildungsbereich.
In Berlin bringt Hans-Dieter Holzhausen die Technophobie der Bibliothekare
auf den Punkt: "Der Weg zu den Neuen Technologien kann von
Bibliothekaren nur unter Zuhilfenahme der Elixiere des Teufels
begangen werden."
175 000 Westdeutsche kaufen einen Videorecorder, davon 65 000
von europäischen und 110 000 von japanischen Herstellern.
In Großbritannien wird die "Arts and Libraries Branch"
des Department of Education and Sciences (DES) umbenannt in "Office
of Arts and Libraries" (OAL).
Die Deutsche Bundespost führt den Fernkopierdienst "Telefax"
ein.
1980
Die 80er Jahre sind durch die vierte Computer-Generation geprägt.
Charakteristika dieser Generation sind eine Speicherkapazität
um die acht Millionen Byte und ein Rechentempo von 30 Millionen
Instruktionen pro Sekunde. Der Siegeszug der Computer macht nach
der Eroberung von Büros, Verwaltungen und Fabriken nicht
halt: Personal- und Spielcomputer ziehen weltweit in die privaten
Haushalte ein. Die Fachdisziplin "Informatik" wandelt
sich von einer Kunst des Programmierens zu einerm Wissen über
das Konstruieren von Software, d.h. sie ist zur echten Ingenieurwissenschaft
geworden. Es eröffnen sich Möglichkeiten, Programme
zu entwickeln, die die Inhalte von Informationen erkennen und
in eine Relation bringen können. Schlagwörter sind:
Mustererkennung, kognitive Systeme, Wissensbanken und Expertensysteme.
Hiermit wird durch die Informationstechnik ein Stück geistesgeschichtlicher
Entwicklung mitgestaltet. Wissenschaftler, Informatiker, Ingenieure,
Techniker und Anwender finden sich in einen kulturgeschichtlichen
Entwicklungsprozeß eingebunden.
Bedauerlicherweise geraten die deutschen Bibliothekare gegenüber
der EDV in unhaltbare Positionen ("Holzhausen-Syndrom").
Respektablen Leistungen und Einsichten z.B. in Frankfurt am Main
und Bielefeld (sicherlich auch anderswo) stehen Beckmessereien
gegenüber, die Bits und Bytes als Manna für den gehobenen
Dienst ansehen und nicht wahrhaben wollen, daß im angloamerikanischen
Raum der Abbau rein bibliothekarischer Ausbildungsgänge unaufhaltsam
fortschreitet und die Tätigkeitsbezeichnungen mit dem Wortbestandteil
"Informations-…" rasch zunehmen.
In Düsseldorf und Berlin laufen Feldversuche mit Btx an.
In einem bundesweiten Versuch strahlen ARD und ZDF in der Austastlücke
des Fernsehbildes "Videotext" aus.
Die Deutsche Bundespost führt in 600 Postämtern den
Telebriefverkehr ein.
Am 20. Februar werden in Frankfurt am Main die "Vorschläge
für die Errichtung einer Arbeitsgemeinschaft der Ausbildungs-
und Fortbildungseinrichtungen im IuD-Bereich (AG-AFE)" vorgelegt.
Am 22./23. Februar findet in Meinsen das "Seminar "Unterrichtsformen
und Unterrichtsgestaltung" des Fachbereichs Bibliothekswesen/Information/Dokumenta-tion
der Fachhochschule Hannover statt. Es wird mit der Feststellung
eröffnet, daß der BID-Bereich bisher weder über
eine eigene Fachdidaktik noch über hinreichend gesicherte
Methoden zur Evaluierung der Ausbildungstätigkeit verfügt.
Das Seminar bleibt ein Einzelfall. An der Misere der BID-Ausbildung
ändert sich auch in Zukunft nichts.
Die Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD) stiftet
den "Erich-Pietsch-Preis". Er soll "für eine
deutschsprachige Veröffentlichung verliehen werden, die einen
wesentlichen und aktuellen Beitrag zur Weiterentwicklung auf dem
Gebiet der Informationswissenschaft oder der Informationspraxis
leistet. Das Preiskomitee kann allerdings für die Zeit von
1972 bis 1982 nicht eine einzige deutsche informationswissenschaftliche
Arbeit finden, die preiswürdig gewesen wäre, und vergibt
den Preis mehrere Male hintereinander an Informatiker.
Gründung des Lehrstuhls für Informationswissenschaft
in Konstanz. Er entwickelt sich unter Rainer Kuhlen zu einer über
die Grenzen seines Sitzlandes hinaus wirksamen und erwähnenswerten
Einrichtung.
Die Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID)
legt am 1. August in Frankfurt am Main ein "Konzept für
Fortbildungsmaßnahmen im Bereich Bibliothe-ken, Information
und Dokumentation" vor.
Das GID-Kolleg, die Fortbildungseinrichtung der Gesellschaft für
Information und Dokumentation (GID) legt am 10. September ein
"Konzept für die funktionsbezogene Fortbildung von wissenschaftlichen
Referenten im Zentralbereich Projektträgerschaft und Förderung
der GID" vor. Es wird weder diskutiert noch realisiert, obwohl
die unabdingbare Notwendigkeit von permanenter Fortbildung zu
diesem Zeitpunkt unumstritten ist und die Schwachstellen der Projektträgerschaft
ebenso bekannt sind wie die erheblichen Identifikationsprobleme
von Wissenschaftlern bei Projektträger-Organisationen.
98% der Haushalte der Bundesrepublik verfügen über mindestens
ein Fernsehgerät, 73% über einen Farbfernseher.
In den USA Verabschiedung Freedom of Information Act.
In den USA Verabschiedung des Paperwork Reduction Act of 1980
(PL 96-511) und des Computer Software Copyright Act of 1980 (PL
96-517)
Sony und Hitachi führen Prototypen tragbarer Videorecorder
vor.
1981
Im Januar 1981 existieren in der Bundesrepublik Deutschland folgende
Beratungsgremien für Aus- und Fortbildung im Bereich Bibliotheken,
Information und Dokumentation:
50 000 Datenstationen und 7 000 Telefaxgeräte sind an das
bundesrepublikanische Telefonnetz angeschlossen.
Im Dezember führt in Großbritannien das "Joint
Consultative Committee" der Library Association (LA) ein
"Seminar on National Information Policy" durch und gibt
Empfehlungen
a) an die Regierung,
b) an die Mitglieder der LA.
In den USA stellt die Library of Congress ihr Katalogsystem von
Karten-Katalogen auf computerisierte bibliographische Systeme
um.
1982
Das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT)
legt den "Leistungsplan Fachinformation 1982-1984" vor.
In der Bundesrepublik Deutschland wird der Titel "Diplom-Dokumentar"
erstmals verliehen.
Die Gesellschaft für Informatik (GI) veröffentlicht
ihre "Lernziele des informatikunterrichts an kaufmännischen
Schulen".
Im Bürobereich werden 1 600 000 Normalkopierer verkauft.
Auf dem deutschen Markt wird die Laser-Bildplatte eingeführt.
1983
Im März werden in den Unterlagen zu einem "Modellversuch
zur bibliothekarischen Fort- und Weiterbildung" die Fortbildungsangebote
für Bibliothekare und Mitarbeiter in Bibliotheken kritisiert.
Sie sind derzeit "regional und lokal als überwiegend
unzureichend anzusehen (mit Ausnahme von Berlin und Nordrhein-Westfalen)."
Im April legt der Präsident des Bundesrechnungshofs ein Gutachten
über Probleme der Fachinformation in der Bundesrepublik Deutschland
vor. Es relativiert die Rolle des Staates bei der Finanzierung
von Einrichtungen der Fachinformation und betont die Notwendigkeit
privatwirtschaftlicher Finanzierung.
Am 15. April wird in Ulm-Wiblingen der AG-AFE-Preis für Nachwuchsförderung1982
an Ralph Schmidt M.A. für seine Magisterarbeit "Bestandsaufnahme
und Typisierung raumrelevant arbeitender Informationssysteme.
Neue Formen des Infor-mationsverhaltens in der Geographie"
übergeben.
Das Internationale Informationsnetz für Wissenschaft und
Technologie (ISTN) nimmt seine Arbeit auf. Deutscher Zubringer
zu diesem Netz ist das Fachinformationszentrum Energie, Physik,
Mathematik GmbH in Karlsruhe.
Im Zentralblatt für Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB)
wird die "Denkschrift über Stand und Entwicklung der
Ausbildung und Fortbildung im Bereich Bibliotheken, Information
und Dokumentation der Bundesrepublik Deutschland" veröffentlicht.
Die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD)
wird umstrukturiert und besteht jetzt aus folgenden Instituten:
1984
Der Arbeitskreis Information und Dokumentation des Bundesverbandes
der Deutschen Industrie (BDI) verabschiedet 8 Thesen zur zukünftigen
Entwicklung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen
Fachinformation in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Gesellschaft für Informatik (GI) veröffentlicht
ihre Papiere "Informatik an gewerblichen Schulen" und
"Informatik in der Sekundarstufe I"..
Der Wissenschaftsrat veröffentlicht am 16. November ein 84
Seiten langes, gründliches und sehr gewissenhaftes Gutachten
über die Gesellschaft für Information und Dokumentation
(GID). Er empfiehlt "Bund und Ländern, die Förderung
der GID nicht fortzuführen". In der Begründung
spielen unter anderem folgende Punkte eine Rolle:
Zu der für EDV zuständigen und im Computer-Zeitalter
besonders wichtigen Sektion für Technik (SfT) sagt das Gutachten:
"Auch sind in den sieben Jahren seit der Gründung der
GID grundsätzlich neue Fragen offenbar von der SfT nicht
mehr aufgegriffen worden".
1985
Neuorientierung der Fachinformationspolitik der Bundesregierung
durch das Fachinformationsprogramm 1985-1988.
Gründung des GMD-Instituts für Integrierte Publikations-
und Informationssy-steme (IPSI) in Darmstadt und der GMD-Forschungsstelle
für Informationswirtschaft in Köln.
Der Fachbereich Information und Dokumentation an der Fachhochschule
Darmstadt startet mit den Studienrichtungen
und nimmt den Lehrbetrieb auf.
Die Produktion von Chips mit 1 MB Speicherkapazität gelingt.
1986
Vom 3.-5. Juni findet die Achte Frühjahrstagung der Online-Benutzergruppe
der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD) in Hofheim/Taunus
mit einem grundlegenden Vortrag über "Probleme der Fachinformationspolitik
der Bundesrepublik Deutschland" statt.
Im Oktober nimmt das Institut für Integrierte Publikations-
und Informationssysteme (F4, später IPSI) der Gesellschaft
für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) im Braunshardter
Weg 11 in Darmstadt seine Tätigkeit auf. Die Besetzung seiner
Leitung mit Prof. Dr. Erich Neuhold erweist sich als ein guter
Griff: Neuhold, promovierter Informatiker, neun Jahre lang im
Wiener Forschungslabor und in einer USA-Entwicklungsabteilung
von IBM tätig, danach bis 1983 C4-Professor, anschließend
zwei Jahre lang Direktor eines Forschungslabors von Hewlett-Packard
in den USA und ab Ende 1984 C4-Professor für Angewandte Informatik
in Stuttgart ist für die schwierige Aufgabe der "GID-Resteverwertung"
der richtige Mann. Er erweist sich im Laufe der Jahre als die
personifizierte Widerlegung von Vorurteilen, die manche Deutsche
gegenüber Österreichern haben.
"Info7", das Organ der Fachgruppe Presse-, Rundfunk-
und Filmarchivare/-dokumentare kommt auf den Markt.
Der vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT)
finanzierte "Modellversuch Informationsvermittlung"
zur Förderung der Nutzung von Fachinformationen beginnt.
Vom 3.-5. November findet beim British Council in Köln das"British-German
Symposium on Education and Training in the Information Fields"
statt. Auf dem Symposium wird eine Zusammenstellung von Christiane
Veyssière vom Lehrstuhl für Bibliothekswissenschaft
der Universität zu Köln "Deutsche Literatur 1975-1985
zu didaktischen Fragen der Bibliotheks- und Informationswissenschaft"
bekannt,. Sie weist 55 Literaturstellen aus, davon 48 für
den Zeitraum 1975-1980 und nur noch 7 für die Zeit von 1981-1985.
Da Deutsche auch nicht als Autoren in den internationalen Fachorganen
für BID-Ausbildung und -fortbildung vertreten sind, liegt
der Schluß nahe: Ausbildung und Fortbildung im BID-Bereich
der Bundesrepublik Deutschland ist eine methodisch-didaktische
Sahelzone.
1987
Im März beginnen in Darmstadt Fortbildungskurse für
die Wissenschaftler der Gesellschaft für Information und
Dokumentation (GID), um ihnen die für ihre spätere Tätigkeit
bei der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung
(GMD) die erforderlichen Grundkenntnisse über die Grundlagen
von Datenbanksystemen und der Programmiersprachen PROLOG und LISP
zu vermitteln. Da in der GID trotz der mit sechs Mitarbeitern
besetzten Fortbildungseinrichtung GID-Kolleg nie systematische
Fortbildung betrieben worden ist und deshalb nicht auf bereits
bewährte Verhaltensmuster zurückgegriffen werden konnte,
ist die Durchführung der Kurse nicht ganz einfach und wird
nur durch die überragenden pädagogischen Fähigkeiten
des Darmstädter Informatikers Prof. Dr. Hans-Jörg Schek
ein Erfolg.
Die Gesellschaft für Information und Dokumentation (GID)
wird aufgelöst. Damit findet eine der dubiosesten Einrichtungen
der neueren deutschen Wissenschaftsgeschichte ihr Ende.
Die Gesellschaft für Informatik (GI) veröffentlicht
"Empfehlungen zur Lehrerbildung im Bereich Informatik".
1988
In der Bundesrepublik setzt sich das Bewußtsein durch, daß
es sich bei Informatik und Informationstechnik um eine Schlüsseltechnologie
handelt. Ihre Beherrschung oder Nicht-Beherrschung kann das Schicksal
ganzer Volkswirtschaften entscheiden.
Die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD)
erhält einen neuen Gesellschaftsvertrag und einen neuen Gesellschafter:
das Land Hessen. Im Gesellschaftsvertrag wird die Fachinformation
als neuer Forschungsgegenstand der GMD festgeschrieben. Sie wird
durch die Integration der Gesellschaft für Information und
Dokumentation (GID) einer der Arbeitsschwerpunkte der GMD.
1989
Am 15. Januar werden in Darmstadt bei GMD-IPSI vorgelegt:
Am 20 Januar führen die Gesellschaft für Mathematik
und Datenverarbeitung, Bereich Darmstadt (GMD) und die Kölner
Gesellschaft für Kommunikation und Datenverarbeitung (KODA)
an der Fachhochschule für Bibliotheks- und Dokumentationswesen
(FHBD) ein Modell-Seminar "Training the Trainer für
Fachhochschullehrer mit DV-Fortbildungsaufgaben" durch. Das
Seminar steht unter dem Spruch von Konfuzius "Es ist besser,
ein kleines Licht anzuzünden, als über die große
Dunkelheit zu fluchen." Das Seminar bestätigt, daß
ein Fortbildungsbedarf auch für BID-Fachhochschullehrer besteht,
und daß die Infrastruktur der DV-Fortbildung Mängel
aufweist, die die Effizienz der Fortbildung gefährden.
Am 20. September wird in Heidelberg die Bundesvereinigung Deutscher
Bibliotheksverbände (BDB) gegründet.
Am 31. Dezember wird die Gesellschaft für elektronische Medien
mbH (GEM), eine der Nachfolgeeinrichtungen der Gesellschaft für
Information und Dokumentation (GID), liquidiert.
Die ersten 4 MB-Speicherchips werden hergestellt.
1990
Der Lehrstuhl für Bibliothekswissenschaft an der Universität
zu Köln wird geschlossen.
1991
Am 22. April beschließt der Vorstand der Deutschen Gesellschaft
für Dokumentation (DGD) ohne Gegenstimmen mit einer Enthaltung
die Auflösung seines Lehrinstituts für Dokumentation
(LID) zum 31.12.1991.
1992
Am 17. Februar beginnen die Lehrveranstaltungen am Fachbereich
Information und Dokumentation der Fachhochschule Potsdam.
1993
Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bibliothekswesen legt
ihren Abschlußbericht 1990-1992 vor, der eine Reihe von
beachtenswerten Hinweisen enthält.
1994
Die "Bund-Länder-Initiative zur Beschleunigung der Literatur-
und informationsdienste" (SUBITO) nimmt ihre Arbeit auf.
Sie schließt an das Modellprojekt zur Vernetzung von Fachinformationszentren
und Bibliotheksverbünden an.
Der Verein der Diplom-Bibliothekare an wissenschaftlichen Bibliotheken
(VdDB) veröffentlicht seine Ansichten und Positionen "Zum
Qualifikationsprofil von Bibliothekaren im Zeitalter der EDV"
und schreibt zu den Ausbildungs- und Kompetenz-Defiziten:
Der Anhang ist in der Online-Version der "Saarbrücker Thesen" nicht
enthalten.
(Schmidt-Künsemüller, F.-A.: Strukturprobleme des
deutschen Bibliothekswesens. In: Zur Theorie und Praxis des modernen
Bibliothekswesens. Bd. 1, S. 155.)
Gesamtübersichten über das Ausbildungs- und Fortbildungsgeschehen,
wie sie in den USA regelmäßig von der Association for
Library and Information Science Education (ALISE) vorgelegt werden:
((ALISE (Ed.): Library and Information Science Education. Statistical
Report 1985. State College, PA: ALISE 1985), sind in der Bundesrepublik
bisher nicht bekannt.)
Über zwanzig Jahre haben wir gebraucht, die (…) "RAK"
zu erarbeiten, und es sollte ein DV-gerechtes Regelwerk werden,
und was ist daraus geworden? Ein Jahrhundertwerk, ein echtes Jahrhundertwerk,
weil wir ein Jahrhundert brauchen werden, um es wieder zu überwinden.
(…) Muß sich denn Kulturhoheit immer dadurch profilieren,
daß man es partout anders macht als die anderen? Was haben
wir nicht alles Feines entwickelt oder entwickeln lassen! IBAS
und HEBIS als konkurrierende Katalogisierungssysteme, und Konkurrenz
belebt schließlich das Geschäft, nur stimmt diese Maxime
hier nicht. Und nicht bloß IBAS und HEBIS, nein: HEBIS-Hessen,
HEBIS-Bayern, HEBIS für die obersten Bundesbehörden;
IBAS-Berlin, IBAS-Südwest, IBAS-Nordrhein-Westfalen. Sie
sind natürlich alle nicht miteinander kompatibel, aber dafür
ist jedes System das beste! (…) Die Vereinigen Staaten von Amerika
sind weiß Gott ein föderalistischer Staat, aber keine
Bibliothek in Texas oder Illinois wird daran gehindert, sich z.B.
dem OLCL in Ohio anzuschließen; aber entscheidender ist
wohl etwas anderes: Kein Bibliothekar in Texas oder Illinois wird
sich z.B. dem OLCL nicht anschließen, weil das OLCL nicht
in Texas oder Illinois, sondern in Ohio liegt.
(Baron, G.: Brauchen wir die alternative Bibliothek? In: Dankert,
B. und G. Wiegand (Hrsg.): 4. Deutscher Bibliothekartag und 78.
Deutscher Bibliothekskongreß in Berlin 1988. Reden und Vorträge.
Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann o.J., S. 32/33.)
Hört man sich um und fragt nach den Gründen der Abstinenz,
erhält man ein ganzes Bündel von Antworten: Keine Zeit
dafür – kein Geld dafür – macht zuviel Arbeit – bringt
mich nicht weiter in meiner Karriere – mein Chef hat kein Interesse
daran – ist doch nur etwas für Verbandsfunktionäre –
habe nicht genügend Sprachkenntnisse – ist doch nur eine
Abart des Wissenschaftstourismus – bringt der Bibliothek keinen
Nutzen – bei uns sind die Verhältnisse nicht vergleichbar
– wir brauchen keine guten Ratschläge von außen! –
was soll’s auch !!" Er nennt anschließend einige der
Gründe für dieses Verhalten: "Vornehme Zurückhaltung
– satte Bequemlichkeit – eine gewisse Selbstgenügsamkeit
– Geldmangel – gesunkene Kenntnis fremder Sprachen – unser Beamtenrecht
– das Recht der Tarifverträge – administrative Hemmnisse"
und fährt fort: "Dagegen steht in merkwürdigem
Gegensatz, daß unsere Arbeit in Wissenschaftlichen und Öffentlichen
Bibliotheken auf Internationalität ausgerichtet ist und daß
wir fortwährend Grenzen überschreiten, die Grenzen unseres
Sprachraums, Grenzen von Staaten und Völkern: Wissenschaft
arbeitet international, und in der Literatur sprechen wir von
Weltliteratur. Wir kaufen Bücher und Zeitschriften aus aller
Welt, haben Tauschpartner in Ost und West, recherchieren weltweit
in externen Datenbanken und nutzen Fremdleistungen aus Katalogdatenbanken
anderer Länder. […] Aber in unseren bibliothekarischen
Arbeitsmethoden und Organisationsformen tun wir oft so, als ob
es den Rest der Welt nicht gäbe. Gebeugt unter der Last der
täglichen Arbeit wird der eigene Schreibtisch zum Mittelpunkt
der Welt.
Gattermann, G.: Was erwarten wir von internationaler Bibliotheksarbeit
und was erwartet internationale Bibliotheksarbeit von uns? In:
Dankert, B. und G. Wiegand (Hrsg.): 4. Deutscher Bibliothekskongreß
und 78. Deutscher Bibliothekartag in Berlin 1988. Reden und Vorträge.
Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann o.J., S. 91.)
Nach Einschätzungen durch den Verfasser steht es mit den
Voraussetzungen bei den Dozenten … nicht gut, wobei allerdings
die Situation an den verschiedenen Ausbildungseinrichtungen unterschiedlich
ist. Grundsätzlich gilt, daß nur ganz wenige Dozenten
den PC von Anfang an zu beherrschen gelernt haben. Die grundlegende
Handhabung eines PC mögen eventuell fünf Prozent beherrschen,
die multifunktionale bibliohekarische Workstation insgesamt dürfte
noch keiner im Griff haben – …
Online-Recherchen sind schon besser eingeführt und werden
eventuell von zehn Prozent der Dozenten praktiziert.
Skalski, D.: Moderne Technologien in der Bibliothekarausbildung
??? In: Dankert, B. und G. Wiegand (Hrsg.): 4. Deutscher Bibliothekskongreß
und 78. Deutscher Bibliothekartag in Berlin 1988. Reden und Vorträge.
Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann o.J., S. 233.)
Wenn ich also eine erste Erfahrung aus der Entwicklung der letzten
fünfundzwanzig Jahre [Datenverarbeitung in deutschen Bibliotheken]
formuliere, so ist es die, daß das deutsche Finanzierungssystem
über Projektmittel zu einem unflexiblen Einsatz der elektronischen
Datenverarbeitung in den Bibliotheken geführt hat, daß
es nicht gerade begünstigt, die einmal entwickelten Systeme
dem technischen Fortschritt anzupassen. Dieser Anpassungsprozeß
verläuft viel zu langsam, und jedes Jahr wird die Kluft zwischen
dem eingesetzten Standard und der technischen Möglichkeit
größer.
…..
Was können wir aus dieser Situation für einen Schluß
ziehen? In der Bundesrepublik Deutschland ist die Entwicklung
bibliothekarischer EDV-Systeme schmalbrüstig gewesen. Der
Aufwand, der wirklich erforderlich war, wurde ständig unterschätzt,
eine langfristige, fortgeschriebene Planung hat niemals existiert,
nicht für eine einzelne Bibliothek, erst recht nicht für
das deutsche Bibliothekswesen. Das hat dazu geführt, daß
mit großer Hektik immer nach etwas neuem gesucht wurde.
…..
Das Ideal war der Mitarbeiter, der als bibliothekarischer Fachmann
zugleich auch die Systemanalyse und Programmierung beherrscht
und im Idealfall darüber hinaus auch noch gute Hardware-Kenntnisse
besitzt. Leider haben Ideale die Eigenschaft, nicht realisierbar
zu sein – und das gilt auch hier.[…] Warum das so ist? Vielleicht
fängt es schon mit der bibliothekarischen Ausbildung in den
Fachhochschulen an. Sicherlich, sie haben alle die elektronische
Datenverarbeitung in ihre Lehrprogramme eingeschlossen. Doch lassen
Sie es mich vereinfachend auf einen Nenner bringen: Sie bilden
Terminalbenutzer aus und nicht bibliothekarische Organisationsfachleute.
Pflug, G.: Fünfundzwanzig Jahre Datenverarbeitung in deutschen
Bibliotheken. Eine Bilanz. In: MB NRW 39 (1989) 3, S. 227-234.
Lehmann hat Probleme der deutschen Bibliotheken benannt: "…
eine große Zersplitterung des Bibliothekswesens; eine nur
zögernde Anpassung der Bibliotheken an Veränderungen
des Informationssektors, …; mangelnde finanzielle Ausstattung,
…; Mangel an qualifiziertem Bibliothekspersonal auf dem Gebiet
neuer informationstechnischer Verfahren; isolierte Entwicklungen
ohne ausreichenden Bezug zu internationalen Standards und Konventionen;
Mangel an praktischer Erfahrung internationaler oder europäischer
Kooperation. Hinzu kommen häufig Kompetenzgerangel zwischen
verschiedenen Unterhaltsträgern und fehlende Planungsinstanzen.
(Lehmann, K.-D.: Bibliotheken auf Europa vorbereiten. In: ZfBB
37(1990)4, S. 291.)
Als ich meine erste Stelle im Jahr 1976 antrat, war ich trefflich
informiert über Wiegendrucke und Inkunabeln. Ich hätte
vermutlich aus dem Stand ein Kurzreferat über die wichtigsten
Offizinen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts halten
können und verfügte über eine solide Halbbildung,
was das Bibliothekswesen zur Zeit Assurbanipals anlangt. (…)
Tatsächlicher Alltag und durch die theoretische Ausbildung
vermitteltes Berufsbild klaffen in einem solchen Maß für
den ÖB-Bereich auseinander, daß bei Einstellungsgesprächen
die Frage nach der Praktikumsbibliothek und das Abchecken einer
allgemeinen sozialen und Führungskompetenz zum wich-tigsten
Kriterium wird. Das aber bedeutet – und es wird von vielen Exreferendaren
auch so offen gesagt -, daß das theoretische Jahr ein verlorenes
Jahr ist.
(Glang-Süberkrüb, A.: Anforderungen an die Ausbildung
der Institute aus der Sicht der Öffentlichen Bibliotheken.
In: Tehnzen, J. (Hrsg.): Die theoretische Ausbildung der Bibliotheksreferendare.
Berlin: DBI 1991. dbi-materialien 107. ISBN 3-87068-907-2. S.
55.)
Daß man sich hierzulande noch teilweise leistet, Diplombibliothekare
mit Kärtchen-Einlegen in bestehende Zettel-Kataloge zu beschäftigen,
stößt bei den amerikanischen Kollegen auf Unverständnis.
(In: Mallmann-Biehler, M.: Katalogisierung und Verbundnutzung
in den USA. In: Bibliotheksdienst 26 (1992) 4, S. 493.)
Unsere Bibliothekare vertreten nahezu einhellig das Regionalprinzip
und nehmen dafür in Kauf, daß die wirtschaftliche und
problemlose Datennutzung in Deutschland nicht möglich ist.
(In: Mallmann-Biehler, M.: Katalogisierung und Verbundnutzung
in den USA. In: Bibliotheksdienst 26 (1992) 4, S. 502.)
Obwohl mit den ‚Regeln für den Schlagwortkatalog‘ (RSWK)
ein einheitliches Regelwerk vorliegt, wird Sacherschließung
immer noch an den einzelnen Bibliotheken nach selbstentwickelten
Systemen betrieben.
(In: Frankenberger, R.: EDV-Einfluß auf Ausbildung und
Berufsbild des höheren Dienstes. In: ABI-Technik 13 (1993)
4, S. 317-319.)
Ich meine, daß die bisher vorgesehenen 86 Stunden EDV in
der Theorie und die 2 Wochen im Praktikum längst nicht mehr
ausreichen.
(In: Frankenberger, R.: EDV-Einfluß auf Ausbildung und
Berufsbild des höheren Dienstes. In: ABI-Technik 13 (1993)
4, S. 317-319.)
Trotz verstärkter Benutzungshilfen kommen immer noch viele
Benutzer nicht mit den unterschiedlichen Katalogen zurecht. Ca.
15 % der abgegebenen Bestellungen waren in der Bibliothek vorhanden,
weitere 5 % in sonstigen Frankfurter Bibliotheken. Dies bedeutet,
daß ein Fünftel (= 20 %) der abgegebenen roten Leihscheine
in Frankfurt selbst hätte bedient werden können.
(In: Stadt- und Universitätsbibliothek. Senckenbergische
Bibliothek Frankfurt am Main: Jahresbericht 1992, S. 40.)
Michael Hirsch / Antonius Jammers
(Quelle: Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bibliothekswesen. Abschlußbericht
1990-1992. .Empfehlungen und Materialien, S. 137-139. Berlin,
Deutsches Bibliotheksinstitut 1993. dbi-materialien 126.)
Statt dessen hatte man den Eindruck, daß im weiteren Verlauf
des Kolloquiums sich Vortragende und so manche Zuhörer bemühten,
Denkanstöße nicht aufzugreifen, sondern dieselben durch
eine Fülle von Fragen und Bedenken zuzuschütten. U.a.
dadurch kam die angestrebte Diskussion um neue Lösungsmodelle
zumeist nur am Rande des Kolloquiums zustande.
(Achim Oßwald: Bibliotheksnetze und elektronische Medien.
Herausforderungen für Verlage und Bibliotheken. Bericht über
eine Veranstaltung in Bielefeld am 08./09.02.94. In: Bibliotheksdienst
28 (1994) 3, S. 371-376.
In der Kölner Zentralbibliothek für Medizin wurden unlängst
70 000 rote Leihscheine wegen Personalmangels unbearbeitet an
den Absender zurückgeschickt, das ist der Alltag deutscher
Bibliotheken.
(Hartwig Lohse in: ZfBB 41(1994)1, S.62)
…, wenn mit der RAK-online zukünftig die Titelaufnahme
im Hinblick auf Online-Rechercheprozeduren merklich vereinfacht
werden könnte und wenn wir in der UB Freiburg damit aufhören
würden, in auffallend viele Kataloge in diesem benutzerfreundlichen
Gebäude – außer in den Hauptkatalog auch in die Sonderkataloge
der drei Lesebereiche, der Lehrbuchsammlung, Freizeitbücherei,
des Informationsbereiches mit Bibliographien und Allgemeinen Nachschlagewerken
und in die Kataloge der Videos und Tonträger – weiterhin
Titelkarten einzulegen.
(Kehr, W.: Rationalisierung durch Online-Verbundkatalogisierung
und Umschichtung freier Arbeitskapazitäten. In: ZfBB 41(1994)1,
S.96)
Wissenschaftliche Bibliotheken waren früher durchweg und
sind zum Teil noch heute Wissensfestungen. Ein Mensch, der sich
diesem Wissen nähern will, muß in diese eindringen,
die komplizierten Regeln der Bibliothekare recht und schlecht
erlernen, und sich an die Bücher heranarbeiten, glücklich,
sie dann endlich zu haben. Das gilt ganz besonders ausgeprägt
nach wie vor für den Leihverkehr. Der Benutzer wirft einen
Leihschein in die Black-Box. Danach bleibt ihm nur noch Hoffnung.
Die geheimnisvolle Kraft des Wissens hat in den Klosterbibliotheken,
in die die Entwicklungsgeschichte unserer wissenschaftlichen Bibliotheken
zurückführt, ihren höchsten organisatorischen Ausdruck
gefunden. Der Pater Bibliothcarius war ex officio stellvertretender
Abt und als Wächter über das Wissen größter
Geheimnisträger des Klosters. Bibliothek und Bibliothekar
sammeln Wissen als Selbstzweck. Mehr interessiert von der Umwelt
nicht.
Natürlich ist diese Traditionslinie in den letzten Jahrzehnten
längst erschüttert worden, aber ganz durchbrochen haben
Bibliothekare sie noch nicht. Zwar wurden die meisten wissenschaftlichen
Bibliotheken immer öffentlicher, aber überwiegend regieren
immer die eiserne Disziplin von RAK und PI – für den Benutzer
ein Geheimnis -, der Leihverkehr, die Bücherausgabe in Magazinbibliotheken
usw. Auch die bisher überwiegend eingesetzten EDV-Systeme
sind Systeme für Bibliothekare: für Katalogisierung,
für Ausleiheverbuchung, für Erwerbung.
… Nur früher hat sich das wissenschaftliche Umfeld bei
der Nutzung von Bibliotheken den Spielregeln der Bibliothekare
angepaßt. Die Bibliothekare verlieren aber zunehmend diese
Macht. Sie müssen sich dem wissenschaftlichen Umfeld anpassen
– in ganz anderer und viel weitreichenderer Weise als jemals zuvor.
Allein die Internetumgebung in der Wissenschaft führt bereits
dazu, daß bestimmte wissenschaftliche Einrichtungen in Deutschland,
die es sich leisten können, die deutschen Bibliotheken praktisch
völlig übergehen. Dazu gehören z.B. Wissenschaftszentren,
wohlhabende Forschungseinrichtungen, gut ausgestattete Forschungsprojekte
in Universitäten usw. Sie nutzen die über die ohnehin
zur Tagesarbeit gehörenden Wissenschaftsnetze angebotenen
Dienstleistungen direkt. Sie holen sich Aufsätze aus den
großen Dokumentenlieferdiensten in den Vereinigten Staaten
oder im Vereinigten Königreich. Sie benutzen keine deutschen
Bibliothekskataloge mehr, sondern gehen gleich in die internationalen
Datenbanken für bibliographische und Volltextinformation.
Auch für Monographienlieferanten gibt es schon Ausweichwege,
die nicht über den Leihverkehr laufen. Weil die Masse unserer
Bibliotheken nach wie vor eine Belieferung über die Wissenschaftsnetze
nicht anbietet, beginnt sich im Wissenschaftsbereich ein Parallelmarkt
an den deutschen Bibliotheken vorbei zu entwickeln, auf kommerzielle
oder auch nicht kommerzielle Dienste in angloamerikanischen Ländern
und in Japan hin.
(Neubauer, K.W.: Umfeld und mögliche Strategien der Bibliotheken
im beginnenden elektronischen Zeitalter. In: ZfBB 41(1994)2, S.
164-185.)
In einem kann man Herrn Marloth zustimmen: Der höhere Dienst
ist in Öffentlichen Bibliotheken überflüssig, denn
die wirklichen Benutzer scheinen diese Leute nicht zu kennen.
(Gratenau, R.: Unterhaltungsliteratur ist unverzichtbar. In:
BuB 46(1994)5,S. 421)
"Was die Fortbildung auf dem Sektor der wissenschaftlichen
Bibliotheken betrifft, ist zu berichten, daß hier nicht
einmal ein Interesse zu existieren scheint, von konkreten Schritten
… ganz zu schweigen."
(Bericht über die Tätigkeit des Verbandes der Bibliotheken
des Landes Nordrhein-Westfalen e.V. im Jahre 1993, Abschnitt 2.3.5
Fortbildung. In: MB NRW 44(1994)1, S. 90)
Daß es mit den deutschen Bibliotheken zum besten steht,
wird im Ernst wohl niemand behaupten wollen. Zu lange schon schwelt
hier eine Krise, die als Krise des Berufsstandes zum erstenmal
in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts namhaft gemacht wurde und
seither die Bibliothekare nicht ruhen ließ. Daß diese
Krise zugleich eine Krise der Ausbildung ist, belegt eine Umfrage,
deren Ergebnis allen Verantwortlichen größte Sorgen
bereiten müßte. Nun kann man angesichts solcher desaströser
Befunde zur Tagesordnung übergehen und sich einer bibliothekarischen
Praxis widmen, von der seit langem behauptet wird, sie bedürfe
der Theorie nicht oder kaum. Daß aber aus bloßer Praxis
keine Lösung der Krise zu erwarten ist, weil Praxis allein
die Probleme nicht auf den Begriff zu bringen vermag, wird dabei
gern übersehen.
(Jochum, U.: Hermeneutik, Dekonstruktion und Information. In:
Bibliothek 18 (1994)1, S. 104-110). hier Seite 104..
"Welche Kompetenzen erwirbt der Dipl.-Bibliothekar für
diese neuen Berufsfelder heute in der Ausbildung, …und wo liegen
ggf. die Ausbildungs- und Kompetenz-Defizite?
Helga Schwarz: Zum Qualifikationsprofil von Bibliothekaren
im Zeitalter der EDV. Ansichten und Positionen des VdDB – Verein
der Diplom-Bibliothekare an wissenschaftlichen Bibliotheken. VdDB/VDB-Rundschreiben
1994/2, S. 14-18.
"Die von Berufs wegen ordnungsliebenden Bibliothekare neigen
bisweilen zur Übertreibung: Beim Aufzählen und Auseinanderhalten
ihrer Verbände verfällt man unweigerlich ins Stottern,
und eine wirkungsvolle, nach außen orientierte Arbeit ist
so kaum möglich. Am besten wäre ein Verband für
alle, doch offenbar ist nichts so schwierig wie das Einfache"
( BÖRSENBLATT vom 10. Juni 1994, Seite 6 ).
Hessen ist stolz darauf, wie wir von Berndt Dugall, dem Direktor
der Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek erfahren,
als erstes Land ans Ziel [eines Handbuchs der Historischen Buchbestände
für Hessen, H.M.] gelangt zu sein, "Innerhalb kurzer
Zeit waren wir in der Lage, den vielfältigen Anforderungen
gerecht zu werden."
Wirklich? Zu den "Werkvertragspartnern", die herangezogen
werden mußten, um Lücken zu füllen, und die "trotz
geringer Honorierung" ihr Bestes gaben, gehört der Verfasser
des einleitenden Artikels "Bibliotheken in Hessen".
Da lesen wir im ersten, den Anfängen gewidmeten Absatz "Am
26. Oktober 1526 führte Philipp (der Gutmütige) den
reformierten Glauben aufgrund eines Beschlusses des Homburger
Landtages in Hessen allgemein verbindlich ein."
Daran ist gleich zweierlei falsch. Homberg an der Efze muß
es heißen, und beschlossen wurde der Übergang zum reformatorischen
Glauben, der zum "reformierten" fand erst fast ein Jahrhundert
später statt. Herborn nun umgekehrt, von dem auf der nächsten
Seite die Rede ist, war keine "protestantische Gründung",
sondern eine reformierte, et cetera.
(Klaus Garber: Ein Jahrhundert-Unternehmen der deutschen Bibliotheken:
Das Handbuch der Historischen Buchbestände. Eine Schatzkarte
für das Bücherreich. In: DIE ZEIT Nr. 10. 3. März 1995, S. 80)
Heinz M a r l o t h
geboren 1928 in Dresden
Studium der Naturwissenschaften und Pädagogik an der Technischen
Hochschule Dresden
Industrietätigkeit in Hannover und Hanau
Leiter von Dokumentationsstellen für Industrieanlagenbau
in Frankfurt am Main, London und Tokyo
Wissenschaftlicher Referent für Industrieinformationen am
Institut für Dokumentationswesen (IDW) der Max-Planck-Gesellschaft.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gesellschaft für Information
und Dokumentation (GID) und der Gesellschaft für Mathematik
und Datenverarbeitung (GMD)., zuletzt Leiter der Institutsbibliothek
des Instituts für Integrierte Publikations- und Informationssysteme
der GMD in Darmstadt.
Mitglied und Berater von Fachgremien für Industrieinformation
der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD),
der Europäischen Gemeinschaften (EG), der European Industrial
Research Management Association (EIRMA), des Bundesverbandes der
Deutschen Industrie (BDI), der Arbeitsgemeinschaft Industrieller
Forschungsvereinigungen (AIF), der Dokumentation Maschinenbau
(DOMA), der International Federation for Documentation (FID) und
der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD).
Lehraufträge an der Makerere-Universität in Kampala,
an der Bibliotheksschule in Frankfurt am Main und am Lehrinstitut
für Dokumentation.
Zeitweise Redakteur der Nachrichten für Dokumentation. Mit-Herausgeber
der Zeitschrift "transfer-information".
167 Industrieanlagen-Dokumentationen für Synthesefaser-Anlagen
in 34 Ländern der Erde.
Zahlreiche Publikationen und Arbeitspapiere mit den Themenschwerpunkten:
Wissenschaftsgeschichte, Hochschulwesen, Wissenstransfer, Informationspolitik,
Systemplanung, Industriedokumentation; Bibliotheks-, Informations-
und Dokumentationswesen in Großbritannien und Deutschland;
IuD-Geschichte, Ausbildung und Fortbildung.
Zahlreiche Buchbesprechungen.
1. Einleitung
2. Diagnostischer Teil
3. Programmatischer Teil
4. Anmerkungen
5. Literatur
Anhang
Zeittafel
Vorlage zur Diskussion im Internet
Heinz Marloth
Deutsche Archiv-, Bibliotheks- und Informations-Ausbildung im Jahre 2000
Notwendige Vorbereitungen auf weitreichende Änderungen
Frankfurt am Main 1995
Inhaltsverzeichnis
Vorlage zur Diskussion im Internet
Heinz Marloth
Aspekte der Professionalisierung des Beruffeldes Information
Kritik einer Darmstädter Jubiläumsschrift
Heinz Marloth
FRANKFURT AM MAIN
Bibliotheksinterne Kritik am deutschen Bibliothekssystem von 1985 bis heute
Dem heutigen Betrachter der Bibliothekslandschaft in der Bundesrepublik
bietet sich ein verworrenes und verwirrendes Bild. In keinem anderen
westeuropäischen Land gibt es so viel Uneinheitlichkeit an
Bibliothskstypen und Bibliothekssparten, in keinem anderen Land
ist der Berufsstand so zersplittert und eigenwillig organisiert.
Vorsitzende der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bibliothekswesen
Fachliche Kompetenz
Aus der Ausbildung bringt der Dipl.-Bibliothekar die Fachkompeztenz
bzgl. der traditionellen Quellen auf jeden Fall und bzgl. der
neuen Informationsmittel schon weitgehend mit. Beide Teilgebiete
unterliegen aber einem schnellen Wandel, …
Technische Kompetenz
Er (der Bereich Technische Kompetenz) umfaßt vielfältige
Kenntnisse:
Für alle diese Tätigkeiten sind die meisten Dipl.-Bibliothekare
nicht, nicht immer oder nicht umfassend genug ausgebildet.
Betriebswirtschaftliche Kompetenz
Für … diese Aufgaben sind Dipl.-Bibliothekare durch
die Ausbildung relativ schlecht gerüstet.
Organisatorische Kompetenz
Mit der Befähigung zu dieser Aufgabe durch die Ausbildung
sieht es ebenso mangelhaft aus …. Manchen Menschen ist ein gewisses
organisatorisches Geschick mit in die Wiege gelegt worden; andere
erwerben dieses und die Fähigkeit zur Menschenführung
durch ein langes Berufsleben, das ja Erfahrung, Routine und Sicherheit
mit sich bringt, und kommen so ganz gut über die Runden.
Dennoch ist ein theoretisches Fundament in Organisationslehre
dringend notwendig. …., arbeiten viele Kollegen als Berufsanfänger
in kleinen und mittleren – teils privatwirtschaftlichen – Bibliotheken
mit hoher Verantwortung. Sie brauchen diese Kenntnisse und Fähigkeiten
bereits am Anfang ihres Berufslebens, man erwartet solches auch
von ihnen, weil es einfach zu unserem Beruf gehört; die Ausbildung
sollte endlich darauf reagieren.
Psychologische Kompetenz
Wie sind die Dipl.-Bibliothekare auf diese kniffligen Anforderungen
des Berufsalltags durch die Ausbildung vorbereitet? Hier sieht
es leider ganz finster aus.
Pädagogische Kompetenz
Auch für diese Aufgabe ist der Fachhochschul-Absolvent nicht
optimal vorbereitet; methodisch-didaktische Kenntnisse werden
nicht vermittelt. Vieles – wenn nicht das meiste – muß er
sich selbst aneignen.
7. Über den Autor