Soziologische Theorie
Die meisten Medien haben zum Zeitpunkt ihrer
Ausbreitung die gesellschaftliche Interaktion und damit das
Zusammenleben, vielfach auch die
Produktionsverhältnisse, der Menschen in tiefgreifender Weise
verändert. Nicht selten wurde mit dem Auftauchen eines neuen Mediums
die
Position der bestehenden sozialen Eliten erschüttert und die
Konstituierung einer neuen Führungsschicht begünstigt. So kann es nicht
erstaunen,
dass der technologische Wandel im Medienbereich stets in Begleitung
heftiger Kontroversen über den Nutzen bzw. die schädlichen
Auswirkungen des Neuen erfolgte (man erinnere sich nur an die in den
siebziger Jahren ausführlich geführte Diskussion über die Schädlichkeit
des Fernsehens, welche letztendlich weder eindeutig nachgewiesen werden
konnte, noch den Aufstieg des Mediums verhinderte). Widerstand
gegen das Neue hat sich stets dort am heftigsten manifestiert, wo kaum
Aussicht bestand, dass durch die Vorteile einer Innovation die
ebenfalls
zu erwartenden sozialen, materiellen oder ideellen Verluste aufgehoben
würden.
Die Original-URL ist zu finden unter: http://www.unizh.ch/~cbro/goffm_v1.html
Universität
Zürich – Soziologisches Institut
Interaktion im
Cyberspace – Eine neue Form des öffentlich-privaten Austauschs
Welchen Beitrag
leistet Goffmans Interaktionstheorie bei der Analyse neuer
Interaktionsformen?
Christoph
Brönnimann
Oktober 1997
Inhalt
Einleitung
1 Über die
soziologische Relevanz der medialen Kommunikation
1.1
Herkömmliche Medien
1.1.1
Determinierung
1.1.2 Bindung
1.1.3
Funktionsdifferenzierung
1.1.4
Komplexitätsreduzierung und Homogenisierung
1.1.5
Reliabilität
1.1.6
Gesellschaftliche Reproduktion
1.2 Neue
Medien
1.2.1
Geringe Determiniertheit
1.2.2 Bindung
1.2.3
Funktionsintegration
1.2.4
Komplexitätserhöhung und Heterogenisierung
1.2.5
Reliabilität
1.2.6
Gesellschaftlicher Wandel
1.3
Zusammenfassung
2 Die direkte Begegnung in
Goffmans Werk
3 Neue Formen mikrosozialer
Interaktion in Computer-Netzwerken
3.1 Theatermetapher
3.2 Rituale
3.3 Statuskategorien
3.4 Netiquette
4 Schlussfolgerungen
5 Fussnoten
6 Literatur
Einleitung
Die meisten Medien haben zum Zeitpunkt
ihrer Ausbreitung die gesellschaftliche Interaktion und damit das
Zusammenleben, vielfach auch die Produktionsverhältnisse, der
Menschen in tiefgreifender Weise verändert. Nicht selten wurde
mit dem Auftauchen eines neuen Mediums die Position der
bestehenden sozialen Eliten erschüttert und die Konstituierung
einer neuen Führungsschicht begünstigt. So kann es nicht
erstaunen, dass der technologische Wandel im Medienbereich stets
in Begleitung heftiger Kontroversen über den Nutzen bzw. die
schädlichen Auswirkungen des Neuen erfolgte (man erinnere sich
nur an die in den siebziger Jahren ausführlich geführte
Diskussion über die Schädlichkeit des Fernsehens, welche
letztendlich weder eindeutig nachgewiesen werden konnte, noch den
Aufstieg des Mediums verhinderte). Widerstand gegen das Neue hat
sich stets dort am heftigsten manifestiert, wo kaum Aussicht
bestand, dass durch die Vorteile einer Innovation die ebenfalls
zu erwartenden sozialen, materiellen oder ideellen Verluste
aufgehoben würden. Dies war nicht nur bei der Erfindung des
Buchdrucks, dem Radio oder Fernsehen so (s. Faulstich, 1991), es
gilt besonders auch für das Aufkommen der vernetzten
Echtzeit-Technologien im sogenannten Informationszeitalter.
Aggregiert man im Falle des Internets die zahlreichen
Einzelkritiken und Ängste (wie z.B. die Befürchtung vor
Datenmissbrauch, der Verbreitung krimineller Machenschaften,
Pornographie, extremer politischer Meinungen über das Internet
oder die Angst vor neuen, flexiblen Arbeitsformen, welche durch
das Netz begünstigt werden), so bietet sich letztendlich das
Bild einer in weiten Teilen verunsicherten Gesellschaft, welche
im neuen Medium weniger Chancen als vielmehr eine Bedrohung des
sozialen und materiellen Status quo sieht.
Für die Sozialwissenschaften eröffnet
sich durch das Internet ein spannendes, wenn auch in vielen
Bereichen spekulatives Forschungsgebiet. Wir können kaum
abschätzen, wie sich die Gesellschaft(en) als Folge der totalen
Vernetzung ihrer Bestandteile (Gruppen und Individuen) verändern
wird (werden). Dennoch lassen sich in manchen Bereichen, wie z.B.
der mikrosozialen Interaktion, schon jetzt aufgrund der
kommunikationstechnologischen Möglichkeiten, soziale Phänomene
betrachten, welche von aussenstehenden Beobachtern als abstrus
oder gar abartig erscheinen mögen, von den Beteiligten jedoch
durchaus als real oder „natürlich“ empfunden werden.
Wer sich als Sozialwissenschaftler/in ohne
kulturpessimistische Voreingenommenheit auf die Erforschung des
Cyberspace einlässt, wird erkennen, dass nebst den
überstrapazierten Horrorvisionen, Technologien wie das Internet
eine Menge interessanter Möglichkeiten bezüglich des sozialen
Zusammenlebens eröffnen. Auch bei der soziologischen Annäherung
an den Cyberspace können, wie bei der Untersuchung
„realer“ Sachverhalte, Theorie und empirische
Beobachtung zusammengeführt werden – ein solcher Versuch soll an
dieser Stelle unternommen werden. In der vorliegenden
dreiteiligen Arbeit soll gezeigt werden, dass sich Goffmans
Interaktionstheorie sich auch auf den Cyberspace übertragen
lässt. Im ersten Teil werden soziologisch relevante
Unterschiede zwischen den traditionellen (Massen-) und neuen
Kommunikationsmedien abgehandelt. Es wird aufgezeigt, dass die
neuen Medien, was gerade mit Blick auf Goffmans Theorie der
Interaktion und Selbstdarstellung von zentraler Bedeutung ist,
individuellen Ausdruck und soziale Bindung ermöglichen. Kurz: in
den neuen Medien verschmelzen die Eigenschaften von Individual-
und Massenmedien zu einem virtuellen Kommunikationsraum – dem
Cyberspace. Im zweiten Kapitel wird auf den Stellenwert
der direkten Begegnung und der Co-Präsenz in Goffmans Werk
eingegangen, bevor im dritten Teil einige seiner
Begrifflichkeiten für die Interpretation menschlichen Verhaltens
im virtuellen Raum verwendet werden.
1 Über die soziologische
Relevanz der medialen Kommunikation
Während gemeinschaftlich organisierte
Institutionen wie Familien oder religiöse Vereinigungen
weitgehend auf primären Interaktionen beruhen, ist medial
vermittelte Kommunikation, v.a. massenmediale Kommunikation, ein
grundlegendes Merkmal moderner, arbeitsteiliger Gesellschaften;
sie stellen nicht nur eine Rationalisierung der interpersonalen
Kommunikation dar, sondern erweitern darüber hinaus den
primären Erfahrungshorizont um Bereiche, die ausserhalb des
individuellen Erlebens- und Wahrnehmungsbereichs liegen. Durch
Mediennutzung wird nicht nur einen wesentlicher Teil der Zeit der
meisten Menschen ausgefüllt, sie bieten auch eine Plattform zur
Konstruktion neuer Identitäten und Lebensweisen. So finden nicht
nur das aktuelle, politische Zeitgeschehen, sondern auch Trends
in Musik, Kleidung oder Sprache durch Massenmedien eine schnelle
weltweite Verbreitung. Es sei an dieser Stelle beispielsweise
darauf hingewiesen, dass Tonträger oder Videoproduktionen
wesentlichen Einfluss auf die Entstehung und den Fortbestand von
Jugendkulturen haben können.
Nicht nur der Lebensalltag der Menschen,
sondern auch ihre soziale Wirklichkeit, die individuelle
Wahrnehmung der Gesellschaft als solches, wird zu einem grossen
Teil durch massenmediale Erfahrungen geprägt – damit wird die
mediale Kommunikation notwendigerweise auch zu einem Gegenstand
der Soziologie.
Der Soziologin oder dem Soziologen stehen
verschieden Möglichkeiten offen, sich mit dem Gegenstand
auseinanderzusetzen, wobei keine trennscharfen Abgrenzungen zu
anderen Fachgebieten wie z.B. der Publizistik, Politologie,
Psychologie oder sogar der Informatik vorgenommen werden können.
Gerade bei der Medienforschung handelt es sich um eine höchst
interdisziplinäre Angelegenheit. Einige Forschungsgebiete seien
an dieser Stelle nur unvollständig aufgelistet:
1. Die vitalen, kommerziellen Interessen
der Medienkonzerne und Werbewirtschaft sorgen dafür, dass die Medienrezeptionsforschung
am intensivsten betrieben wird. Nebst der Quanitifizierung des
Medienkonsums interessieren inhaltliche Orientierung der
Rezipienten dies immer auch im Hinblick auf Variablen wie
materielle Situation, Alter oder Geschlecht.
2. Eher gesellschaftspolitisch motiviert
sind Forschungsansätze, die sich mit den Medieninhalten
beschäftigen. Hier geht es um den Beitrag der Medien zur Bildung
von Öffentlichkeit. Dabei interessieren z.B. die Ausgewogenheit
der Berichterstattung, Differenzierungsgrad der Informationen
oder die inhaltliche und grafische Aufbereitung.
3. Organisationssoziologische Ansätze
beschäftigen sich weniger direkt mit dem Sender- bzw.
Empfängerverhalten, sondern untersuchen die Funktion der
Kommunikation unter Einbezug der struktureller Bedingungen. Hier
beschäftigt man sich z.B. mit den Zusammenhängen von
übergeordneten Strukturen (Hierarchie, Formalisierung,
Entscheidungskompetenz, etc.) und den Kommunikationsstrukturen.
Kommunikationstechnologie wird v.a. unter dem Aspekt der
„Kommunikations- und Organisationseffizienz“ von
Organisationen als bedeutsam angesehen.
4. Die Techniksoziologie setzt sich
mit den Einflüssen der Kommunikationstechnologien auf die
Lebens- oder Arbeitswelt auseinander. Ähnlich wie andere
Gerätschaften (z.B. Autos oder ein Kühlschrank) werden auch die
IK-Technologien auf ihre sozialen Auswirkungen untersucht, wobei
verschiedene Aspekte, wie Rollenverhalten,
Rationalisierungseffekte oder Verhaltensformalisierung häufig
thematisiert werden.
Die überwiegende Anzahl der
Forschungsarbeiten im Bereich der Medien- und
Kommunikationsforschung beschreiben entweder die Seite der
Informationsproduzenten oder aber diejenige der
Informationsrezipenten – selten werden in gleichwertiger
Weise beide Seiten oder der wechselseitige Bezug der
Kommunikationsakteure thematisiert. Dies lässt sich sicher
teilweise mit den damit verbundenen methodischen Schwierigkeiten
erklären – die Beobachtung interaktiver Vorgänge erweist sich
als extrem aufwendig, wobei die daraus gewonnen Erkenntnisse
aufgrund mannigfacher externer Einflussfaktoren stets nur
beschränkt interpretierbar bleiben.
Obwohl es wenig Sinn macht,
Kommunikationsvorgänge als zeitlich isolierte
Input-Output-Ereignisse zu betrachten, stösst man nicht nur in
der populärwissenschaftlichen Medien- und
Kommunikationsliteratur immer wieder auf deterministische
Erklärungsmodelle (dies z.B. in der Medienwirkungsforschung).
Dies muss nicht erstaunen, denn die Sendechancen sind bei den
herkömmlichen Massenmedien extrem einseitig verteilt: die
Rezipientschaft ist zur Hinnahme des Gebotenen oder aber zu
vollständigen Verzicht verdammt – die „Interaktion“
beschränkt sich auf binäre Selektionen auf der Fernbedienung,
was durchaus zu deterministischen Sichtweise der
Massenkommunikation verleiten kann.
Obwohl durch die Medien Millionen von
Menschen mit praktisch identischen Inhalten konfrontiert werden,
sind die gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen der
massenmedialen Kommunikation letztlich aber kaum abschätzbar.
Die individuellen Rezeptionsvorgänge unterliegen in erheblicher
Weise den privaten Interaktionskontexten und Lebensumständen.
Damit bleibt beispielsweise auch der direkte Einfluss der Medien
auf die politische Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger
umstritten (vgl. M. Schenk und P.Rössler, 1994). Umgekehrt
lässt sich im Detail ebenfalls kaum nachvollziehen, inwiefern
das Publikumsverhalten auf die Medien zurückwirkt.
Weil an der Produktion massenmedialer
Inhalte immer zahlreiche Akteure beteiligt sind, die zudem nur
ausnahmsweise in unmittelbarem Kontakt zum Publikum stehen,
läuft die Interaktion zwischen diesen beiden Seiten meist nur
über die Selektion von Inhalten. Die Journalistinnen und
Journalisten entscheiden sich für diejenigen Inhalte, von denen
sie glauben, dass sie das Publikum interessieren könnten und das
Publikum „antwortet“ auf dieses Angebot mit der
Selektion der tatsächlich interessierenden Kanäle.
Die Betrachtung der medialen Kommunikation
musste in der Vergangenheit die soziologisch interessierten
Beobachterinnen und Beobachter, welche mehr als binäre
Interaktionen und rigide Kommunikationsstrukturen analysieren
wollten, enttäuschen. Besonders im Bereich der massenmedialen
Kommunikation konnte selbst durch „neuere“ Medien wie
beispielsweise das Fernsehen, welches Informationsaktualität und
Übertragungsgeschwindigkeit steigerte, nicht das träge, wenig
interaktive Verhältnis zwischen den Informationsproduzenten und
den -rezipienten eliminiert werden.
<font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.1"></a><font face="Arial">1.1 Herkömmliche Medien</font></font></font></h2>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Nachfolgend wird auf einige grundlegende
soziologisch relevante Merkmale kommunikativer Beziehungen
eingegangen. Es werden vorwiegend die Unterschiede zwischen
direkter und (herkömmlicher) medialer Kommunikation
thematisiert; anschliessend wird auf das Potential und die
kommunikationssoziologischen Auswirkungen der neuen Medien
eingegangen.</font></font></font></p>
<h3><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.1.1"></a><font face="Arial">1.1.1 Determinierung</font></font></font></h3>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Alltägliche Face-to-Face-Kommunikationen,
die ausserhalb strukturierender Zusammenhänge wie Sitzungen,
Gerichtsverhandlungen oder ähnlichen Veranstaltungen
stattfinden, sind durch geringe Determiniertheit gekennzeichnet.
Die Gesprächsteilnehmer bestimmen, abgesehen von äusseren
Störungen, gemeinsam über die Gesprächssituation- und den
Interaktionsverlauf. Sie legen sich auf bestimmte Themen fest,
können aber unvermittelt sich anderen Gegenständen zuwenden.
Sobald jedoch Kommunikation auf medialer Vermittlung basiert,
werden die situativen Bedingungen, Ausdrucksformen und oft sogar
die thematische Orientierung der Interaktion in erheblicher Weise
durch die Technologie vorstrukturiert. Durch die Wahl des Mediums
werden nebst Teilnehmerzahl, Kommunikationskanäle und Sende-
bzw. Rezeptionschancen determiniert.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Das Telefon erlaubt beispielsweise
synchrone Kommunikation, schränkt aber zugleich die Zahl der
Kommunikationsteilnehmer stark ein. Während hier die diadische,
aber gleichwertige Beziehung durch Technologie unterstützt wird,
steht das Medium Fernsehen für eine straffe Hierarchie – nur
wenigen steht die Möglichkeit des Sendens offen. Weil es keinen
direkten Draht zwischen Sender und Empfänger gibt, droht den
Massenmedien dauernd die Gefahr, den Kontakt zur Empfängerseite
zu verlieren. Die Medienmacher sind daher gezwungen, nicht nur
Informationen mediengerecht aufzubereiten, sondern sie müssen
sich auch den zeitlichen Bedürfnissen der Empfänger, ihrer
zeitlichen Verfügbarkeit anpassen. Massenmedien müssen zudem
auf die Empfindlichkeiten der verschiedensten Bevölkerungsteile
Rücksicht nehmen. Nur dank künstlicher und schwerfälliger
Wahrnehmungsapparate gelangen die Medien zum unerlässlichen
Feedback, wobei auch beim Einholen des Feedbacks der Kontakt zur
Empfängerseite einer ausgeprägten Formalisierung unterworfen
ist und individuelle Äusserungen schliesslich zu Einschalt- oder
Leserquoten aggregiert werden müssen.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Die Determiniertheit der schriftlichen
Massenkommunikation lässt sich noch unter erweitertem Aspekt
sehen: das gedruckte Wort ist im Gegensatz zur mündlichen
Äusserung vom Hauch der Ewigkeit umgeben. Grosser Aufwand wird
von privaten Organisationen und öffentlichen Institutionen (wie
z.B. Bibliotheken oder Staatsarchiven) unternommen, um die
künftige Verfügbarkeit schriftlicher Dokumente sicherzustellen
– demgegenüber bleibt das mündliche Wort stets nur etwas
Sublimes und relativ Unverbindliches.</font></font></font></p>
<h3><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.1.2"></a><font face="Arial">1.1.2 Bindung</font></font></font></h3>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">In primären Interaktionsverhältnissen
werden die Individuen durch die unmittelbare Präsenz und die
damit verbundenen Höflichkeitsformen zumindest auf einen
bestimmten Zeitraum hin in ihrer gegenseitigen Aufmerksamkeit
verpflichtet. Selbst geordneten Massenveranstaltungen (wie z.B.
Vorlesungen oder Vorträgen) kann sich ein Individuum nicht ohne
aufzufallen entziehen. Die Bindung der Rezipientenschaft wird
hingegen zu einem zentralen Problem der massenmedialen
Kommunikation. Als Rundfunk und Fernsehen noch als staatliche
Monopole existierten, konnte die Zuschauerschaft noch mit relativ
geringem Aufwand an eine beschränkte Anzahl von Sender und
Programmen gebunden werden. Der Mangel an Alternativen liess die
Fernsehgemeinde noch einträchtig zur grossen
„Samstagabendkiste“ vor der Glotze versammeln. Mit dem
Privatfernsehen wurde allerdings die Bindung zwischen Publikum
und Fernsehstation zerschlagen: Wo alternative Inhalte und andere
Gesichter plötzlich nur noch einen Tastendruck entfernt waren,
wurde es für die Medien immer schwieriger, die ungeteilte
Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen – die Einheit des
Publikums wurde durch individuelle Präferenzen, die sich zum
Teil nur noch auf geringe Programm-Sequenzen beschränkten,
ersetzt (Barbara Sichterman, 1994, S. 9ff).</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">So haben sich Radio und Fernsehen
letztendlich zu den Dinosaurier des Medienzeitalters entwickelt:
sie haben die Grenzen ihrer Flexibilität ausgereizt – es fehlt
ihnen an finanziellen Mitteln und technischen Möglichkeiten, das
fragmentierte Publikum über individualisierte Inhalte
zurückzugewinnen.</font></font></font></p>
<h3><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.1.3"></a><font face="Arial">1.1.3
Funktionsdifferenzierung</font></font></font></h3>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Da in der massenmedialen Kommunikation
Interaktivität durch Technologie ausgeschaltet wird und kaum
eine direkt wahrnehmbare, soziale Bindung zwischen den
Kommunikationspartner besteht, ist es auch problematisch, zu
analytischen Zwecken Sender und Rezipienten <i>einem</i>
Kommunikationssystem zuzurechnen.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Bestätigt wird diese Annahme, durch die
zunehmende Professionalisierungs- und Kapitalisierungstendenzen
im Medienbereich, wo zahlreiche neue Berufe mit entsprechenden
Ausbildungsgängen geschaffen worden sind. Öffentliche
Kommunikation fällt damit immer mehr in die Domäne der
ausgebildeten Spezialisten. De facto werden durch die
Ausdifferenzierung des Mediensystems Leistungsrollen und
Publikumsrollen schärfer voneinander abgegrenzt; für nicht
entsprechend ausgebildete Menschen sowie Leute ohne medialen
Sex-Apeal wird dadurch die Zugangsschwelle zu den Massenmedien
immer höher. Davon profitieren u.a. PR-Berater, die sich mit dem
Training und der Image-Aufpolierung Prominenter beschäftigen
dürfen.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Als Folge dieser
Ausdifferenzierungsprozesse entwickeln sich die Massenmedien zu
einem immer exklusiveren gesellschaftlichen Subsystem mit einer
eigenen Wirklichkeitswahrnehmung.</font></font></font></p>
<h3><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.1.4"></a><font face="Arial">1.1.4
Komplexitätsreduzierung und Homogenisierung</font></font></font></h3>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Medial vermittelte Kommunikation war bisher
<i>entweder</i> Massen- <i>oder</i> Individualkommunikation und
nur in Ausnahmefällen, z.B. bei telefonischen
Publikumseinschaltungen, beides zugleich. Herkömmliche
Massenmedien zahlen den Preis einer hohen Auflage
(Rezipientenzahl) mit geringer Interaktivität. Sie eigenen sich
hingegen dazu, in primären Interaktionszusammenhängen erzeugte
gesellschaftliche Komplexität zu reduzieren und durch die breite
Informationsstreuung individuelle Wissenbestände zu
vereinheitlichen. Luhman meint, dass die „Organisationen,
die die Kommunikation der Massenmedien produzieren, (…) auf
Vermutungen über Zumutbarkeit und Akzeptanz angewiesen [sind].
Das führt zur Standardisierung, aber auch zur Differenzierung
ihrer Programme, jedenfalls zu einer nicht individuengerechten
Vereinheitlichung“ (Luhmann, 1996, S.12).</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Durch diese Standardisierung leisten die
Massenmedien jedoch einen nicht unerheblichen Beitrag für den
Zusammenhalt der modernen Gesellschaft: sie verweisen die
Rezipientenschaft darauf, dass ausserhalb der individuellen,
unmittelbaren Wahrnehmung andere Wirklichkeiten existieren. Sie
vermitteln relativ „geglättete“ gesellschaftliche
Wertvorstellungen, agieren als Sensoren und Katalysatoren
zugleich für den kulturellen Wandel und stellen eine Plattform
für wichtige gesellschaftliche Akteure dar. </font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Massive Kommerzialisierungs- und
Zentralisierungstendenzen im Medienbereich sorgen jedoch dafür,
dass der Bogen überspannt wird und im überlebenswichtigen
Buhlen um die Publikumsgunst eine inhaltliche Fixierung der
Medien auf einige wenige publikumswirksame Themen resultiert.</font></font></font></p>
<h3><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.1.5"></a><font face="Arial">1.1.5 Reliabilität</font></font></font></h3>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Die mediale Kommunikation ist stärker als
Face-to-Face-Kommunikation mit Ungewissheit behaftet. Einerseits
besteht die Möglichkeit, dass Mitteilungen auf dem
Übertragungsweg verloren gehen – häufiger kommt es jedoch vor,
dass sich die Akteure über ihre gegenseitigen Absichten im
Ungewissen sind oder einander missverstehen. Im Gegensatz zur
Face-to-Face-Interaktion, wo die Möglichkeit besteht, die
Glaubwürdigkeit von Informationen über verschiedene
Wahrnehmungskanäle zu verfizieren, lassen sich mittels medialer
Kommunikation Unaufrichtigkeiten, Verzerrungen oder Fälschungen
leichter und dank entsprechender Vorbereitungshandlungen
überzeugender verbreiten. Dies gilt nicht nur für die
Massenmedien, sondern auch für den Einsatz individueller
Kommunikationsmedien. So ist es nicht erstaunlich, dass die
Rezipienten medial verbreiteten Inhalten vielfach kritisch
gegenüberstehen und öfters den Medien vorwerfen Informationen
zu missbrauchen bzw. zu manipulieren. Entgegen ihrem Ruf haben
sich die herkömmlichen Medien jedoch im allgemeinen als relativ
zuverlässige Informationsvermittler erwiesen. Fälschungen und
Fehlinformationen, wie beispielsweise die Veröffentlichung der
„Hitler-Tagebücher“ durch den Stern, sind seltene
Ausnahmen; dafür sorgen nicht zuletzt Professionalisierung,
Recht und Marktkonkurrenz im Medienbereich.</font></font></font></p>
<h3><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.1.6"></a><font face="Arial">1.1.6
Gesellschaftliche Reproduktion</font></font></font></h3>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Das Verhältnis der herkömmlichen Medien
zu gesellschaftlichen Machtpositionen kann als ambivalent
bezeichnet werden: einerseits werden die Medien als die vierte
Gewalt im Staat bezeichnet, sie laufen aber anderseits gerne in
Gefahr, die geforderte Distanz zu den bestehenden Struktur- und
Kommunikationshierarchien zu verlieren. In totalitären Staaten
werden Medien häufig gezielt eingesetzt, um die bestehenden
strukturellen Verhältnisse zu erhalten und reproduzieren. Aber
auch unter demokratischen Bedingungen lassen sich ähnliche
Tendenzen beobachten: so erhalten immer wieder dieselben
gesellschaftlichen Akteure Gelegenheit, über Rundfunk- und TV
ihre persönlichen Überzeugungen zu vertreten – diese Menschen
bilden eine „Öffentlichkeitselite“ (Peters, 1994),
welche weitgehend über öffentliche Themen und Agenda bestimmen.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Kommerzielle Interessen und zunehmende
Medienkonzentration sorgen zudem dafür, dass allzu kritische
Berichterstattung in manchen Bereichen ausbleibt und nur relativ
mehrheitskonforme Meinungen wiedergegeben werden – für
Minderheiten führen nur steinige Wege an die Öffentlichkeit.</font></font></font></p>
<h2><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.2"></a><font face="Arial">1.2 Neue Medien</font></font></font></h2>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Aus dem bisher Gesagten, drängt sich der
Schluss auf, dass sich die Massenmedien zu einem immer
eigenständigeren Wahrnehmungs- und Handlungsraum entwickelt
haben. Obwohl dauernd im Bestreben bemüht, möglichst den
Bedürfnissen vieler Rezipienten zu genügen, sind sie nicht in
der Lage, Wünsche nach individueller Behandlung und
interpersonaler Interaktion in adäquater Weise zu erfüllen.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Das Vakuum im Bereich der öffentlichen <i>und</i>
interpersonalen Kommunikation wird durch die neuen Medien mit
besseren interaktiven Möglichkeiten gefüllt. Die scharfe
Aufteilung des Kommunikationsraums in ein Sender- bzw.
Rezipientensystem entfällt. Das Internet stellt somit nicht
einfach eine quantitative Ausweitung herkömmlicher Medien dar,
sondern wird vermutlich aufgrund seines interaktiven Potentials
die Medienlandschaft radikal verändern. Bezüglich der oben
geschilderten Eigenschaften herkömmlicher Medien gelten für das
Internet völlig neue Bedingungen:</font></font></font></p>
<h3><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.2.1"></a><font face="Arial">1.2.1 Geringe
Determiniertheit</font></font></font></h3>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Weil für alle Beteiligten im Internet
Senden und Empfangen in gleicher Weise möglich ist, werden die
Inhalte, analog zur Face-to-Face-Kommunikation, nur in sehr
geringer Weise durch das Medium selbst determiniert.
Beispielsweise melden sich in Newsgruppen Stimmen aus
unterschiedlichsten Kulturen und Meinungsspektren; die
Kommunikation ist bezüglich der Inhalte offen und auch zeitlich
kaum festgelegt; so können sich gewisse Diskussionen über
Monate hinweg ziehen. Das Internet bietet nicht nur ein Abbild
der Vielfalt der realen Welt, sondern diese wird im Medium sogar
noch überspitzt wiedergeben. Der Kontrast zu den herkömmlichen
Massenmedien könnte nicht grösser sein – viele sehen darum in
der undeterminierten Kommunikation zuallererst das Chaos,
während die Chancen verkannt werden: da die
Kommunikationsabläufe beim Internet weitgehend Kontrolle der
Nutzerschaft unterliegen, können hier
„massgeschneiderte“ Interaktionen im globalen
Bezugsrahmen zu äusserst niedrigen Kommunikationskosten
realisiert werden.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Das Internet ist aber nicht nur bezüglich
der vermittelten Inhalte, sondern auch von seinen technischen
Möglichkeiten her kaum limitiert und daher ein höchst <i>evolutionäres</i>
Medium. Während beim Fernsehen durch Farbe, Fernbedienung,
Kabelverbreitung oder Veränderung des Bildformates die
Grundfunktionalitäten nur geringfügig verändert wurden, lässt
sich dagegen beim Internet ein rasanter technologischer Wandel
feststellen, der dem Medium praktisch täglich neue
Funktionalitäten beschert. Boten schon Computer als
Stand-Alone-Geräte durch die Trennung von Hard- und Software
eine breite Anwendungsvielfalt, so wird diese durch Vernetzung
nicht nur zusätzlich gesteigert, sondern der Computer wird immer
mehr zur „Beziehungsmaschine“ (Neil Frude, 1983; Geser,
1989), die über passive Vermittlungsfunktionen hinaus, künftig
in aktiver Weise Einfluss auf soziale Verhalten der Nutzerinnen
und Nutzer nehmen wird (vgl. Negroponte, 1995).</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Durch die Vernetzung wird es immer
interessanter, über Informationen in digitalisierter Form zu
verfügen. Nicht nur die Verbreitung, sondern auch die
Archivierung, Modifizierung oder Vervielfältigung werden dadurch
erheblich erleichtert. Das schriftlich fixierte Wort hat in
digitalisierter Form seine Endgültigkeit verloren. Bits und
Bytes sind zur universellen Knetmasse des Informationszeitalters
geworden und es gibt kaum mehr einen Lebensbereich, wo sich
dafür keine Anwendungsmöglichkeit böte.</font></font></font></p>
<h3><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.2.2"></a><font face="Arial">1.2.2 Bindung</font></font></font></h3>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Das Internet gibt die Bedürfnisse des
postmodernen Menschen in perfekter Weise wieder. Die
Persönlichkeit der Individuen und ihre Beziehungen untereinander
werden nicht durch die strukturellen Bedingungen vorgegeben,
sondern in spielerischer Weise selektiert, erprobt, verändert
und wieder verworfen (Turkle, 1995). Weil sich Alter, Geschlecht,
Hautfarbe oder gesellschaftliche Position nicht mehr verlässlich
identifizieren lassen, verlieren diese personalen Attribute
weitgehend ihre Bedeutung für die soziale Interaktion. Bindungen
sind im virtuellen Raum nicht endgültig, sondern meist nur
vorläufig. Zusammenhalt entsteht hier nicht durch Anpassung oder
Unterordnung, sondern resultiert im besten Fall vielleicht als
gelungenes Produkt der expressiven Darstellungsvielfalt der
vernetzten Teilnehmerschaft. Die Menschen des Cyberspace werden
nicht über die Konsumption der gleichen Inhalte, sondern, falls
es überhaupt gelingt, über individuelle Leistungsbeiträge
geeint – das System funktioniert nicht weil jemand Unterhaltung
organisiert, sondern jeder und jede einzelne durch seinen bzw.
ihren Beitrag einen weiteren Stein dem Mosaik beifügt.
Entsprechend unpopulär sind „Lurker“, die lautlosen
Schleicher und unproduktiven Konsumenten, welche das Verhalten
anderer beobachten, davon profitieren ohne eigene Beiträge in
das Kommunikationssystem einfliessen zu lassen.</font></font></font></p>
<h3><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.2.3"></a><font face="Arial">1.2.3
Funktionsintegration</font></font></font></h3>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Natürlich basiert das Internet auf einem
höchst differenzierten technischen System von vernetzter Hard-
und Software, jedoch müssen sich die Nutzer erstaunlich wenig
mit den entsprechenden Details auseinandersetzen. Mit einem
geringen zeitlichen Aufwand gelingt es selbst Laien das Internet
zu Publikationszwecken zu nutzen. Bisher bot kein anderes Medium
einen niederschwelligeren Zugang zur öffentlichen Kommunikation
(Geser, 1996). Das Publizieren auf dem WWW oder ein Posting im
Usenet erfordert keinen Verleger, Redaktor, Korrektor, Drucker
und Postboten – benötigt werden weder Inserenten noch eine
bestimmte Anzahl von Abonnenten. Für den Preis eines
Jahresabonnements einer Tageszeitung lässt sich mehr
publizieren, als ein Mensch in seinem Leben je produzieren
könnte – mit globalem Vertriebssystem versteht sich. Durch diese
Tatsachen werden die bisherigen öffentlichen
Kommunikationsmonopole vor existenzielle Fragen gestellt. Sie
werden zwar nicht verschwinden, können sich aber den kommenden
Herausforderungen nicht bloss mit kleinen strukturellen
Eingriffen entziehen. Nicht zuletzt wird der ökonomische Druck
für die herkömmlichen Medienunternehmen massiv zunehmen, denn
ein Teil des Inserate- und Werbemarktes wird sich von ihnen
abwenden, da im Internet (oder seinem Folgemedium) das Publikum
über massgeschneiderte Interfaces direkt angesprochen werden
kann. (Manche Suchdienste auf dem Internet verfügen z.B. über
Programme, die es Ihnen ermöglichen, Werbeeinblendungen (sog.
„Banners“) jeweils den Eingaben der Nutzerschaft
anzupassen).</font></font></font></p>
<h3><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.2.4"></a><font face="Arial">1.2.4
Komplexitätserhöhung und Heterogenisierung</font></font></font></h3>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Im Gegensatz zu den herkömmlichen Medien
werden im Internet gesellschaftliche Positionen nicht geglättet
wiedergegeben. Es können sich im Gegenteil hart umkämpfte
Fronten bilden, wo Konsensbildung zum vornherein ausgeschlossen
wird. Manche Stimmen werden im Internet von einer breiteren
Öffentlichkeit erstmals überhaupt wahrgenommen, da ihnen vorher
der Zutritt zu den traditionellen Medien versperrt blieb.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Für viele Nutzerinnen und Nutzer stellt
das Medium geradezu eine Aufforderung zu expressivem Verhalten
dar, ist doch dadurch am ehesten gewährleistet, in positivem wie
negativem Sinne wahrgenommen und damit belohnt zu werden. Im
Internet können zwar Individuen dank ähnlich gelagerter
Interessen und Wertekonsens in zentralen Bereichen, virtuelle
Gemeinschaften formen und darin neue Formen der demokratischen
Selbstregulation ausleben; der Beitrag des Mediums zur
gesamtgesellschaftlichen Konsensfindung muss hingegen eher
pessimistisch eingeschätzt werden, denn im Cyberspace werden
Beziehungen nicht über den lokalen Bezugsrahmen und nationale
Grenzen, sondern vorwiegend über übereinstimmende, individuelle
Präferenzen definiert. </font></font></font></p>
<h3><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.2.5"></a><font face="Arial">1.2.5 Reliabilität</font></font></font></h3>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Das Internet zeichnet sich durch eine
extrem tief angesetzte Publikationsschwelle aus. Als Beobachter
gewinnt man immer wieder den den Eindruck, dass gewisse Leute,
diese Chance durchaus als befreiend empfinden und gar euphorisch
begrüssen, jedoch nicht oder erst spät realisieren, dass sie
sich mit ihren Beiträgen öffentlich exponieren und daher auch
lernen müssen mit kritischen Reaktionen oder Widerspruch
umzugehen.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Infolge des niederschwelligen Zugang
dürften vor allem gesellschaftliche Minoritäten und von
Missionierungsdrang erfüllte Individuen im Internet ein
willkommenes Publikationsmedium sehen. Es kann daher nicht
erstaunen, dass Gruppen wie Sekten, Verbreiter von
Verschwörungstheorien, politische Extremisten im Internet
überrepräsentiert sind. Doch nicht nur deshalb wird die
Glaubwürdigkeit der über das Internet verbreiten Informationen
angezweifelt: es fehlt an verlässlichen Institutionen, welche
beispielsweise Editoren-Funktionen übernehmen, die vorhandenen
Informationen sichten und auf ihre Glaubwürdigkeit hin
überprüfen. Hinzu kommt, dass vieles, was im „realen“
Leben durch das Recht geregelt wird, im Cyberspace noch ungelöst
ist: Beispielsweise ist es für das Online-Publizieren von
höchster Bedeutung, wie das Copyrights, juristische
Verantwortlichkeiten für die verbreiteten Inhalte oder die
strafrechtliche Zuständigkeit für globale Netzwerke geregelt
werden. Die unsichere rechtliche Lage, trägt ebenfalls nicht
dazu bei, das Vertrauen in das Medium zu stärken.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">In keinem anderen Medium hinterlassen die
Benutzerinnen und Benutzer zudem in derart detaillierter Weise
Spuren über ihr Verhalten – die meisten glauben sich in
scheinbarer Anonymität während ihr Tun von Providern und
Informationsanbietern lückenlos rekonstruiert werden kann. Die
grösste technologische und rechtliche Herausforderung wird darin
bestehen, das Medium für Nutzer und Anbieter in gleicher Weise
sicherer zu machen, damit auch sensitive Information über das
Netz verbreitet werden können und das Vertrauen von privaten
Nutzern und kommerziellen Anbietern gewonnen werden kann.</font></font></font></p>
<h3><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.2.6"></a><font face="Arial">1.2.6
Gesellschaftlicher Wandel</font></font></font></h3>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Im Internet werden die gesellschaftlichen
Protagonisten ihrer Vorteile beraubt. Herkömmliche
Beziehungshierarchien werden entwertet und es entstehen neue,
eher informell ausgerichtete und wenig determinierte,
nicht-hierarchische Interaktionsstrukturen.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Aus der digitalen Vernetzung resultiert
eine Vielzahl von Anwendungmöglichkeiten, die sich auf
Arbeitswelt und Alltagsleben gleichermassen auswirken werden. Mit
den veränderten, sozialen Bedingungen in diesen Bereichen werden
die Menschen mit ganz neuen Interaktionssituationen konfrontiert
werden. Wesentliche soziale Erfahrungen werden durch Interaktion
über technisierte Kommunikationskanäle gemacht werden. Wer
Sherry Turkles „Life on the Screen“ (Turkle, 1995)
gelesen hat, wird zur Kenntnis genommen haben, dass gerade auf
Jugendliche das neue Medium ausgesprochen anziehend wirkt. Was
sie in MUDs, DOOMs oder anderen Online-Spielen erleben, hat nicht
bloss beiläufigen Stellenwert, sondern ist für sie soziale
Wirklichkeit – dies wird bestens in der von Sherry Turkle
protokollierten Aussage eines MUDs-Spielers ausgedrückt:
„Real life is just another screen“. Es ist durchaus
vorstellbar, dass Online-Spiele die Vorläufer der virtuellen
Welten von morgen sind, wo wir uns nicht nur zum Vergnügen,
sondern auch für die tägliche Arbeit oder zum Einkaufen
einloggen. Vielleicht stellt sich die jüngere Generation mit
diesen Spielereien unbewusst auf ein zukünftiges, partielles
Leben im Cyberspace ein, denn von der spielerischen Interaktion
zu sogenannt ernsthafteren Kommunikationsformen ist es nur ein
kleiner Schritt.</font></font></font></p>
<h3><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="1.3"></a><font face="Arial" size="5">1.3
Zusammenfassung</font></font></font></h3>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Das bisher Gesagte lässt sich tabellarisch
folgendermassen zusammenfassen:</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"> </font></font></p>
<table border="1" bordercolor="#000000" cellpadding="4" cellspacing="1" width="987">
<tbody><tr>
<td bgcolor="#c0c0c0" height="43" width="16%"> </td>
<td bgcolor="#c0c0c0" height="43" valign="top" width="28%"><p align="center"><font face="Arial"><b>Face-to-Face</b></font></p>
<p align="center"><font face="Arial"><b>(Idealvorstellung,
Alltagskommunikation, nicht organisiert)</b></font></p>
</td>
<td bgcolor="#c0c0c0" height="43" valign="top" width="28%"><p align="center"><font face="Arial"><b>Herkömmliche
</b></font></p>
<p align="center"><font face="Arial"><b>Massenmedien</b></font></p>
</td>
<td bgcolor="#c0c0c0" height="43" valign="top" width="28%"><p align="center"><font face="Arial"><b>Neue
Medien</b></font></p>
<p align="center"><font face="Arial"><b>(Internet)</b></font></p>
</td>
</tr>
<tr>
<td bgcolor="#c0c0c0" height="43" width="16%"><font face="Arial">Determiniertheit</font></td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><ul>
<li><font face="Arial">Relativ offen bzgl. Festlegung
von Themen und Teilnehmerschaft (lokal) </font></li>
<li><font face="Arial">„unzuverlässig“,
oft zufällig </font></li>
<li><font face="Arial">Alltag: meist dialogisch,
demokratisch </font></li>
<li><font face="Arial">„flüchtig“, relativ
unverbindlich </font></li>
<li><font face="Arial">analog</font></li>
</ul>
</td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><dir>
<li><font face="Arial">Kommunikation wird räumlich
und zeitlich durch Technologie vorstrukturiert
(regional, national, z.T. international) </font></li>
<li><font face="Arial">Pünktlich (feste
Sendetermine) </font></li>
<li><font face="Arial">Hierarchisch strukturiert:
einseitig verteilte Sendechancen. </font></li>
<li><font face="Arial">„Hauch von Ewigkeit“
(z.B. Sammlung u. Ablage von Schriftstücken in
Archiven und Bibliotheken)</font></li>
<li><font face="Arial">analog</font></li>
</dir>
</td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><dir>
<li><font face="Arial">Sehr offen bzgl. Themen und
Teilnehmerschaft (global) </font></li>
<li><font face="Arial">Extrem nicht-hierarchisch </font></li>
<li><font face="Arial">Wirr, Kakophonie der Stimmen </font></li>
<li><font face="Arial">Wiederverwertbar,
veränderbar, beliebig kopierbar </font></li>
<li><font face="Arial">„massgeschneiderte“
und Massen-Kommunikation sind möglich </font></li>
<li><font face="Arial">Digital </font></li>
</dir>
</td>
</tr>
<tr>
<td bgcolor="#c0c0c0" height="43" width="16%"><font face="Arial">S-E-Bindung </font><p><font face="Arial">(Engagement)</font></p>
</td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><ul>
<li><font face="Arial">Verpflichtend (gegenseitige
Aufmerksamkeit, Berechenbarkeit des Verhaltens,
Achtung und Respekt) </font></li>
<li><font face="Arial">Direktes, unverzügliches
Feedback </font></li>
<li><font face="Arial">Gemeinschaft </font></li>
<li><font face="Arial">Flexibel, inviduell gestaltbar</font></li>
</ul>
</td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><ul>
<li><font face="Arial">Unverbindlich
(rezipientenseitiges Zapping) </font></li>
<li><font face="Arial">Beidseitiges Feedback nur
über inhaltliche Selektion möglich (formal:
Publikumsbefragungen) </font></li>
<li><font face="Arial">Gesellschaft (Zerschlagung der
„Fernsehgemeinde“ durch
Privatfernsehen) </font></li>
<li><font face="Arial">Wenig flexibel, geringe
Anpassungsfähigkeit an individuelle Bedürfnisse</font></li>
</ul>
</td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><dir>
<li><font face="Arial">Postmoderne Unverbindlichkeit
(spielerischer Umgang mit Identität und
Beziehungen) </font></li>
<li><font face="Arial">Feedback (direkt, verzögert) </font></li>
<li><font face="Arial">Flexibilität </font></li>
<li><font face="Arial">Gemeinschaft, Gesellschaft,
Internationalismus </font></li>
</dir>
</td>
</tr>
<tr>
<td bgcolor="#c0c0c0" height="43" width="16%"><font face="Arial">Funktions-differenzierung</font></td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><ul>
<li><font face="Arial">Wenig ausdifferenzierte und
spezialisierte Sende- bzw. Rezipientenrollen </font></li>
<li><font face="Arial">Geringe od. keine
Professionalisierung u. Kapitalisierung </font></li>
<li><font face="Arial">Sende-Zugänglichkeit hoch</font></li>
</ul>
</td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><dir>
<li><font face="Arial">Stark ausdifferenziertes
System: Journalisten, Verleger, Drucker </font></li>
<li><font face="Arial">Professionalisierung/
Kapitalisierung </font></li>
<li><font face="Arial">Sende-Zugänglichkeit gering,
exklusiv</font></li>
</dir>
</td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><dir>
<li><font face="Arial">Wenig ausdifferenzierte und
spezialisierte Sende- bzw. Rezipienterollen </font></li>
<li><font face="Arial">Geringe Professionalisierung
u. Kapitalisierung </font></li>
<li><font face="Arial">Sende-Zugänglichkeit hoch </font></li>
</dir>
</td>
</tr>
<tr>
<td bgcolor="#c0c0c0" height="43" width="16%"><font face="Arial">Komplexität / Heterogenisierung</font></td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><ul>
<li><font face="Arial">Meinungsvielfalt, Pluralismus </font></li>
<li><font face="Arial">Kontroverse, komplexe
Interaktionen, aber auch banale
Alltagssituationen </font></li>
<li><font face="Arial">Meinungsdivergenz und
-konvergenz</font></li>
</ul>
</td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><dir>
<li><font face="Arial">Eingeschränkte
Meinungsvielfalt, Selektion </font></li>
<li><font face="Arial">„Geglättete“
Wiedergabe von Meinungen (repräsentativ,
ausgeglichen, z.T. populistisch) </font></li>
<li><font face="Arial">Fördern gesellschaftlichen
Zusammenhalt durch Zusammenfassung von Meinungen
und Konzentration auf bestimmte Themen</font></li>
</dir>
</td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><dir>
<li><font face="Arial">„Überspitzte“
Meinungsvielfalt </font></li>
<li><font face="Arial">extreme Meinungen sind
überrepräsentiert </font></li>
<li><font face="Arial">Frontenbildung </font></li>
<li><font face="Arial">Expressive Selbstdarstellungen
</font></li>
<li><font face="Arial">Konsensfindung erschwert </font></li>
</dir>
</td>
</tr>
<tr>
<td bgcolor="#c0c0c0" height="43" width="16%"><font face="Arial">Reliabilität</font></td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><ul>
<li><font face="Arial">Wahrnehmungssicherheit durch
grosse Bandbreite (Wahrnehmungskanäle) </font></li>
<li><font face="Arial">Identifizierung des
Gegenübers </font></li>
<li><font face="Arial">Primär- und
Sekundärinformationen </font></li>
<li><font face="Arial">Selbstregulation</font></li>
</ul>
</td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><dir>
<li><font face="Arial">unterschiedlich, im Vergleich
zu F-t-F ist die Bandbreite eingeschränkt </font></li>
<li><font face="Arial">mediale
„Vertrautheit“ </font></li>
<li><font face="Arial">vorwiegend
Sekundärinformationen </font></li>
<li><font face="Arial">Relativ zuverlässig
(Selbstkontrolle, Medienrecht)</font></li>
</dir>
</td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><dir>
<li><font face="Arial">Identifizierung erschwert,
Anonymität häufig </font></li>
<li><font face="Arial">Primär- und
Sekundärinformationen </font></li>
<li><font face="Arial">Weitgehende Selbstregulation </font></li>
<li><font face="Arial">Vertrauenswürdigkeit
problematisch </font></li>
</dir>
</td>
</tr>
<tr>
<td bgcolor="#c0c0c0" height="43" width="16%"><font face="Arial">Gesellschaftlicher Wandel / Reproduktion</font></td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><ul>
<li><font face="Arial">kreativ, Produktion von Ideen </font></li>
<li><font face="Arial">langsam, bedachte Entwicklung
von Ideen </font></li>
<li><font face="Arial">Aktion</font></li>
</ul>
</td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><dir>
<li><font face="Arial">Dokumentierend, unterhaltend,
mobilisierend </font></li>
<li><font face="Arial">eher träge Verbreitung von
Ideen </font></li>
<li><font face="Arial">Mehrheitlich jedoch
konservativ (sich am Bestehenden orientierend),
werterhaltend </font></li>
<li><font face="Arial">Mehrheitsorientiert </font></li>
<li><font face="Arial">Reaktion</font></li>
</dir>
</td>
<td height="43" valign="top" width="28%"><dir>
<li><font face="Arial">Kreativ, dokumentierend,
unterhaltend, mobilisierend </font></li>
<li><font face="Arial">subversiv: erleichtert
Organisation von Gleichgesinnten, Minoritäten </font></li>
<li><font face="Arial">schnell, aggressiv,
anpassungsfähig </font></li>
<li><font face="Arial">Aktion und Reaktion </font></li>
</dir>
</td>
</tr>
</tbody></table>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"> </font></font></p>
<center><font face="Arial"><font face="Arial"><a href="#top"><img loading="lazy" src="/../../Bot_up.html" border="0" height="27" width="27"></a></font></font></center>
<h1><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="2"></a><font face="Arial">2 Die direkte Begegnung in
Goffmans Werk</font></font></font></h1>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">In seinen Untersuchungen zur menschlichen
Interaktion bezieht sich Erving Goffman vorwiegend auf
Situationen der direkten Präsenz. Der Untertitel zu
„Interaction ritual“ lautet denn auch „Essays on
Face-to-Face Behavior“; auch in „The Presentation of
Self in Everyday Life“(dt. „Wir alle spielen
Theater“) dienen ihm vorwiegend Face-to-Face-Konstellationen
zur Illustration seines Modells der Interaktion </font><a name="z1"></a><font face="Arial">[</font><a href="/index.html#f1"><font face="Arial">1</font></a><font face="Arial">] und im Vorwort zu „Das Individuum im
öffentlichen Austausch“ (Goffmann, 1982, S.9) beklagt sich
Goffman, wie häufig auch bei anderen Gelegenheiten, gleich zu
Beginn, dass „Jener Handlungsbereich, der durch
Interaktionen von Angesicht zu Angesicht erzeugt wird und durch
kommunikative Normen organisiert ist (…) bisher noch niemals zu
einem eigenständigen Untersuchungsgegenstand gemacht worden
ist.“</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Damit ist Goffmans Untersuchungsbereich
vorgezeichnet; nur selten geht er ausführlicher auf
medienvermittelte Kommunikationsformen, z.B. den telefonischen
oder brieflichen Austausch oder verschiedene Formen der
massenmedialen Kommunikation, ein.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Zwei Gründe mögen ausschlaggebend dafür
gewesen sein, dass sich Goffman eher selten mit der medialen
Kommunikation auseinandergesetzt hat: </font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial"><i>Erstens</i> sind durch die technische
Übertragung, dies gilt besonders auch für die massenmedialen
Kanäle, der Interaktivität enge Schranken gesetzt. Es geht
Goffman ja nicht um die blosse Informationsübermittlung und die
Beobachtung isolierter Rezeptionsvorgänge, sondern ihn reizt der
<i>wechselseitige, situationsbedingte und
beziehungskonstituierende Informationsaustausch</i> zwischen den
Akteuren in sozialen Situationen. </font></font></font></p>
<blockquote>
<font face="Arial"><font face="Arial"> </font></font><p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial" size="2">„Denn im Mittelpunkt der
ganzen Sphäre der Interaktion steht die wechselseitige
Verstricktheit der Teilnehmer und ihre gemeinsame Beteiligung
(und sei es auch nur in Form von Aufmerksamkeit) am
Geschehen; die dabei wichtigen kognitiven Zustände können
nicht über längere Ruhephasen hinweg aufrechterhalten
werden oder gar erzwungene Auszeiten und Unterbrechungen
überdauern. Gefühle, Stimmungen, Wissen Körperstellungen
und Muskelbewegungen sind im sozialen Handeln innnig
miteinander verknüpft und verleihen ihm unvermeidbar einen
psychobiologischen Charakter.“ (Goffmann, 1994, S. 57)</font></font></font></p>
</blockquote>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Über den Inhalt hinaus verweisen die
ausgetauschten Botschaften auf die Beziehung zwischen den
Interakationspartner. Bei der <i>Konstruktion einer gemeinsamen
sozialen Realität</i> stimmen die Menschen durch vielfältige
Handlungsweisen und Zeichengebungen ihr Verhalten aufeinander ab.
Sie deuten, projizieren, beschwichtigen, bestätigen, drohen,
revidieren gewisse Ansichten aufgrund neuer Erkenntnisse, etc.
Diese Interaktionsprozesse werden erheblich erleichtert, wenn die
Akteure in unmittelbarem Bezug zueinander stehen und ihre
Handlungen in direkter Weise koordinieren können. Im
Telephonieren oder Briefeschreiben sah Goffman daher nur eine
eingeschränkte Variante der sozialen Interaktion (Goffman, 1994,
S. 55).</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial"><i>Zweitens</i> werden durch die mediale
Übertragung gewisse Kanäle ausgeblendet, womit die technisch
übermittelte Kommunikation in gewisser Weise als unvollkommen
erscheint. Aus der unmittelbare Gegenwart der Interaktionspartner
resultiert hingegen eine „folgenschwere
Offensichtlichkeit“: </font></font></font></p>
<blockquote>
<font face="Arial"><font face="Arial"> </font></font><p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial" size="2">„Diese Offensichtlichkeit
erschöpft sich nicht nur darin, dass unser Auftreten und
unsere Verhaltensweisen Hinweise auf unseren Status und
unsere Beziehungen geben. Vielmehr können die anderen schon
unserer Blickrichtung, unserem ‚Engagement‘ und der Art
unserer ersten Handlungen entnehmen, welche Absichten und
Zwecke wir im Moment verfolgen – und dies alles völlig
unabhängig davon, ob wir uns mit ihnen abgeben oder nicht.
Dementsprechend versuchen wir fortwährend, ihnen diese
Enthüllungen zu erleichtern, sie zu verhindern oder gar
unsere Zuschauer auf eine falsche Fährte zu locken. Die
Lesbarkeit dieser Beobachtungen wird durch einen wichtigen
und entscheidenden Vorgang gleichzeitig erleichtert und
erschwert, der erst noch systematisch untersucht werden muss:
die soziale Ritualisierung, d.h. die Standardisierung des
körperlichen und sprachlichen Verhaltens, die im Prozess der
Sozialisierung erworben wird und die diesen Verhaltensweisen
– oder, wenn sie wollen Gesten – eine besondere kommunikative
Funktion im Strom unseres Verhaltens zuweist.“ (Goffman,
1994, S. 58ff)</font></font></font></p>
</blockquote>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Gerade die feinen Zeichen im Bereich der
nonverbalen Kommunikation, die bei der technischen Vermittlung
verloren gehen, werden in Goffmans Werk jedoch immer wieder zu
zentralen Einheiten seiner ethnographischen Beobachtungen. Dem
Zurechtmachen der Kleidung, dem Tritt unter dem Tisch, einem
Räuspern oder Erröten können, das geht aus seinen Darlegungen
hervor, in manchen Situationen mehr Bedeutung als dem
gesprochenen Wort beigemessen werden :</font></font></font></p>
<blockquote>
<font face="Arial"><font face="Arial"> </font></font><p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial" size="2">„Den Anwesenden sind
verschiedene Informationsquellen zugänglich, und es stehen
ihnen verschiedene Vermittler (oder
„Zeichenträger“) zur Verfügung, die die
Informationen überbringen. Kennen sie den Einzelnen nicht,
so können die Beobachter seinem Verhalten und seiner
Erscheinung Hinweise entnehmen, die es ihnen ermöglichen,
entweder frühere Erfahrungen mit ähnlichen Personen
auszuwerten oder – was entscheidender ist – nicht
überprüfte Klischeevorstellungen auf ihn zu
übertragen.“ (Goffman, 1996, S.5)</font></font></font></p>
</blockquote>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">In seinen Studien stützte sich Goffman auf
eigene Beobachtungen (z.B. bei den Bewohnern der Shetland-Inseln,
in psychiatrischen Kliniken, an gesellschaftlichen Anlässen,
usw.), er bediente sich literarischer und wissenschaftlicher
Vorlagen oder berief sich auf Beschreibungen, die ihm zugetragen
wurden. Bei Face-to-Face-Situationen auf natürlichen
Schauplätzen wie dem Restaurant, Büro oder Krankenhaus bot sich
Goffman ein Untersuchungsfeld, wo er soziale Verhaltensregeln,
verbale und nonverbale Kommunikationsvorgänge oder
rollenspezfische Verhaltensweisen in „reiner“ Form
analysieren konnte. </font></font></font></p>
<blockquote>
<font face="Arial"><font face="Arial"> </font></font><p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial" size="2">„A concentration upon
co-presence draws attention to the body, its disposition and
display – a theme that runs throughout the whole of Goffman’s
writings. Information conveyed in contexts of copresence is
necessarily ebodied and Goffman specifically contrasts this
to communications of a disembodied type, such as those
involved in a telephone conversation, or an exchange of
letters. The body is not simply used as an ‚adjunct‘ to
communication in situations of co-presence; it is the anchor
of the commmunicative skills which can be transferred to
disembodied types of messages.“ (A. Giddens, 1988,
S.257)</font></font></font></p>
</blockquote>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Nach Giddens Worten, die deutlich auf die
Bedeutung der Co-Präsenz in Goffmans Werk hingewiesen haben, mag
es vielleicht seltsam anmuten, wenn dieses nun plötzlich in
Zusammenhang mit der CMC gebracht werden soll. Im nächsten
Kapitel soll daher aufgezeigt werden, dass Goffmans Werk durchaus
eine Menge theoretischer wie auch empirischer Ansätze für die
Analyse der Interaktion im Internet bietet.</font></font></font></p>
<center><font face="Arial"><font face="Arial"><a href="#top"><img loading="lazy" src="/../../Bot_up.html" border="0" height="27" width="27"></a></font></font></center>
<h1><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="3"></a><font face="Arial">3 Neue Formen
mikrosozialer Interaktion in Computer-Netzwerken</font></font></font></h1>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Bevor näher auf zwischenmenschliche
Interaktionen in Computernetzwerken eingegangen wird, muss
festgehalten werden, dass der Mensch mit dem Computer ein Gerät
erschaffen und zur Perfektion getrieben hat, welches selbst als
Stand-alone-Gerät in extremer Weise interaktive Verhaltenweisen
evoziert, die weit über das hinausgehen, was man gemeinhin als
einen nüchternen und rein funktional geprägten
Mensch-Maschinen-Bezug bezeichnen könnte.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Längst sind Computer keine blossen
Recheninstrumente mehr, sondern mit vorläufig noch relativ
bescheidenen „interaktiven Fähigkeiten“ ausgestattete
Arbeitsinstrumente. Gerade im Bereich der künstlichen
Intelligenz wird nebst der technischen Implementierung von
kognitiven Fähigkeiten dem Aspekt der menschlichen Wahrnehmung
und Deutung grosse Aufmerksamkeit geschenkt. Von einem möglichst
„menschlichen“ Computer wird erwartet, dass er nebst
den digitalen auch die analogen Zeichen seines Gegenübers zu
lesen <i>und</i> deuten vermag und dadurch die Voraussetzungen
erfüllt, um zu „wirklicher“ Interaktion befähigt zu
sein.</font><a name="z2"></a><font face="Arial">[</font><a href="/index.html#f2"><font face="Arial">2</font></a><font face="Arial">]</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Die einschneidensten Umwälzungen erfolgten
jedoch erst durch die „Verschmelzung“ von
leistungsfähiger Hardware, benutzerfreundlicher Software
(Oberflächen) und Kommunikationstechnologien. Daraus entstanden
ist äusserst flexibles Massen- <i>und</i> Individualmedium,
welches traditionelle Kommunikationshierarchien in vielen
Bereichen unterminiert und die Bildung neuer, informeller
Kommunikationsnetze fördert.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Das neue Medium bietet nicht mehr nur reine
Vermittlungstechnologie, sondern bildet einen völlig neuartigen,
sozialen Raum, der der Komplexität der „realen“ Welt
nahekommt und die Menschen daher auf verschiedenen Wahrnehmungs-
und Handlungsebenen anspricht. Das Medium als eine
„extension of man“ – für kein anderes Medium trifft
McLuhans (McLuhan, 1997, S.112ff) Formel besser zu.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Menschliches Zusammenleben wird nicht mehr
nur durch die Medien gesteuert und gestaltet, sondern es findet
im Medium selbst statt. Es entstehen vielfältige virtuelle
Umgebungen, die zu Orten für menschliche Interaktionen und
soziale Verhaltensweisen werden. Immer häufiger werden reale
Schauplätze in den virtuellen Raum verlegt. Es gibt mittlerweile
virtuelle Gemeinden mit Banken, Postbüros oder Kaffees. Die
Mitarbeiter einer amerikanischen Werbefirma treffen sich nur noch
in virtuellen Büros und Spielfanatiker liefern sich über das
Netzwerk Duelle in Kampfflugzeugen oder Rennwagen und verbringen
auf diese Weise täglich mehrere Stunden vor dem Bildschirm. Es
bilden sich Fangemeinschaften, wo über Tips und Tricks sowie die
neusten technische Trends diskutiert wird. In einschlägigen
Newsgroups versuchen sich Spiel-, Chat- oder MUD-Süchtige
gegenseitig Hoffnung zuzusprechen. Es entstehen Online
Freundschaften, während andere sich gegenseitig auf die Nerven
gehen und schliesslich in heftigen Streit geraten. Mit anderen
Worten: im virtuellen Raum können soziale Phänomene beobachtet
werden, die bisher nur in der Realität vorstellbar waren.
Künstliche Räume haben für viele Menschen eine extreme
Anziehungskraft; für manche ist die virtuelle Präsenz
mittlerweile gar zu einer ernsthaften Alternativen zur
„realen“ Existenz geworden (vgl. Sherry Turkle, 1995).</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Durch Computervernetzung entstanden
Kulturräume, die der Soziologie eine Reihe neuer
Forschungs-Gegenstände beschert haben. Während das
Anwendungspotential des Internets von der Wirtschaft oder den
politischen Institutionen nur langsam und mit kritischen Blicken
erkannt wird, sind im Gegensatz dazu, bereits hundertausende von
Einzelpersonen, die nichts zu verlieren und wenig zu befürchten
haben, zu eigener Aktivität angespornt worden. Diese z.T.
ungewöhnlichen Formen individueller Selbstdarstellungen, seien
es private Homepages oder Auftritte in interaktiven Foren, sind
etwas vom Interessantesten, was sich derzeit auf dem Netz
beobachten lässt. Für die soziologische Annäherung an die
entsprechenden Phänomene drängt sich Goffmans
Interaktionstheorie in mancher Hinsicht geradezu auf.</font></font></font></p>
<h2><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="3.1"></a><font face="Arial">3.1 Theatermetapher</font></font></font></h2>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Wer nicht davor zurückschreckt, den
Begriff der Ko-Präsenz auf das Medium Internet auszuweiten, wird
in Goffmans Werken zur Interaktion oder der Selbstdarstellung
eine wesentliche Inspirationsquelle vorfinden. Dies gilt sowohl
für die theoretischen Konzepte wie auch für seine eher
ethnografisch ausgerichtete Methodik. Nachfolgend wird dies
anhand einer Übertragung der Theater-Metapher auf den
Interaktionsraum Internet aufgezeigt.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">In „Wir alle spielen Theater“
beschreibt Goffman soziale Situationen mit den Begrifflichkeiten
der Bühnenwelt. Das Theater gliedert sich in eine Vorderbühne,
wo die in einem Ensemble integrierten Schauspieler ihre Rollen
vortragen, und eine Hinterbühne, wo der „durch die
Darstellung hervorgerufene Eindruck bewusst und
selbstverständlich widerlegt wird“ (Goffman, 1996, S. 104).
Durch eine Wahrnehmungschranke ist der Publikumsraum von der
Hinterbühne abgegrenzt. Das Publikum soll nicht wissen, was
hinter dieser Grenze vor sicht geht, damit das Schauspiel nicht
als unglaubwürdig entlarvt wird. Das Bühnenbild hilft dabei die
Fassade des Schauspiels aufrechtzuerhalten. Ausgehend von dieser
räumlichen Konstellation analysiert Goffman die offenen und
verdeckten interaktiven Prozesse zwischen den verschiedenen
Akteuren (Haupt- und Nebenrollen, Publikum). Für den Zweck
seiner Untersuchung definiert er Interaktion: „(…) (das
heisst: unmittelbare Interaktion) grob als der wechselseitige
Einfluss von Individuen untereinander auf ihre Handlungen
während ihrer unmittelbaren physischen Anwesenheit (…). Eine
Interaktion kann definiert werden als die Summe von
Interaktionen, die auftreten, während eine gegebenen Gruppe von
Individuen ununterbrochen zusammen ist; der Begriff
‚Konfrontation‘ bedeutet das gleiche.“ (Goffman, 1996, S.18)</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Durch die Theater-Metapher präsentiert
sich die soziale Welt als ein Ort, der nur beschränkte
Sichtfelder auf die andern zulässt: Die Zuschauer sehen was auf
der Vorderbühne vor sich geht, ihnen ist jedoch der direkte
Einblick in die Hinterbühne verwehrt. Interaktion dient der
Konstruktion eines bestimmten gesellschaftlichen Images (der
Aufrechterhaltung einer Fassade); dies erfordert, dass ein Teil
der Anstrengungen darauf verwendet werden, die dem Image
abträglichen Eindrücke zu verwischen.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">„Die Theater-Metapher stellt den
Begriff der persönlichen Identität infrage, denn die Arbeit an
unserem Image, ‚Face-work‘, bedeutet ja, dass wir unsere
Handlungen mit unserem projektierten Selbst in eine nur
künstliche, eine erzwungene Deckung bringen.“ (Knoblauch,
1994, S.19) Die schauspielernden Menschen verstecken ihr wahres
Selbst hinter einer künstlichen Fassade; und nur durch ein
allfälliges Missgeschick oder durch das Verhalten in einem
unbeobachteten Moment (z.B. auf der Hinterbühne) werden sie
entlarvt.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Goffman betont die ernste Seite des
Schauspiels, bei dem die Demaskierung eines Akteurs mit einem
gesellschaftlichen Gesichtsverlust verbunden ist. Darsteller,
Ensemble und auch das Publikum haben ein gemeinsames Interesse
daran, dass solch peinliche Situation vermieden werden können.
Notfalls werden sie versuchen, diese Situation durch
entsprechende Verhaltensweisen zu entschärfen (vorgetäuschtes
Übersehen, Ablenken, etc.). In dieses Bild der Ernsthaftigkeit
einer Inszenierung passt auch die Einschätzung einer
Darstellung, an die ein Schauspieler selbst nicht glauben mag,
als Ausdruck einer zynischen Haltung gegenüber dem Publikum.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Die spielerischen Aspekte des Schau<i>spiels</i>
werden bei Goffman in „Wir alle spielen Theater“ kaum
thematisiert. Eine dramaturgische Darstellung kann aber durchaus
auch als identitätsstiftendes Spiel mit experimentellem
Charakter verstanden werden. Dabei geht es nicht darum, etwas zu
verstecken, als vielmehr gesellschaftliche Rollenmodelle unter
experimentellen Bedingungen auszutesten und alternative
Verhaltensweisen einzustudieren. Zu diesem Zweck wird
beispielsweise das Rollenspiel im Bereich der Psychologie beim
Psychodrama eingesetzt.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Gerade für das Erproben der spielerischen
Komponente einer Darstellung scheint der virtuelle Raum ein
idealer Ort zu sein (vgl. Turkle, 1995), der die Benutzer, jedoch
zugleich vor unlösbare Widersprüchlichkeiten stellt:</font></font></font></p>
<blockquote>
<font face="Arial"><font face="Arial"> </font></font><p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial" size="2">„It’s this territory
where you know your behavior is somehow obsessive and taboo
in the Protestant sense, that you should be working, that
there’s something sick and dehumanized about spendig time
doing this, but you also know that it’s sociable, and you’re
doing it together. That was the unholy attraction of
it.“ (Howard Rheingold zitiert in Wired, Vol. 5.05, p.
108)</font></font></font></p>
</blockquote>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Durch die Trennung von physischer und
psychischer Präsenz, entfallen die körperlichen
Sanktionsmöglichkeiten, wodurch der Spielraum für die
dramaturgische Darstellung erheblich erweitert wird. Hier können
die Grenzen einer Darstellung ausgereizt und das Publikum durch
provokative Auftritte herausgefordert werden. Häufig sind
allerdings solche Aufführungen auf eine mangelnde Erfahrung mit
dem neuen Medium zurückzuführen und die erbosten
Publikumsreaktionen prallen, wie entsprechende Reaktionen zeigen,
keineswegs an den Darstellern ab. Dies zeigt, dass Individuen die
mediale Situationen in „spielerischer Ernsthaftigkeit“
erleben und gefühlsmässig häufig stärker involviert sind, als
es von aussen den Anschein macht.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Der virtuelle Raum bietet eine kaum
eingeschränkte Anzahl von Bühnen und differenziert sich immer
weiter aus; ständig entstehen neue Orte, die zu
selbstdarstellerischen Zwecken genutzt werden können: Homepages,
Newsgruppen, Chat-Foren oder virtuellen Welten entsprechen in
vielerlei Hinsicht (wenn auch nicht vollständig) dem, was
Goffman als eine „gesellschaftlichen Einrichtung“
bezeichnet hat:</font></font></font></p>
<blockquote>
<font face="Arial"><font face="Arial"> </font></font><p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">„Jeder Ort, der durch feste
Wahrnehmungsschranken abgegrenzt ist und an dem eine
bestimmte Art von Tätigkeit regelmässig ausgeübt wird, ist
eine gesellschaftliche Einrichtung. Ich habe ausgeführt,
dass jede derartige Einrichtung erfolgreich unter dem Aspekt
der Eindrucksmanipulation untersucht werden kann. Innerhalb
der Grenzen einer gesellschaftlichen Einrichtung finden wir
ein Ensemble von Darstellern, die zusammenarbeiten, um vor
einem Publikum eine gegebene Situation darzustellen. Zu
diesem Modell gehören der Begriff des geschlossenen
Ensembles und des Publikums sowie die Voraussetzungen eines
Ethos, das durch Regeln des Anstands und der Höflichkeit
aufrechterhalten werden soll. Wir finden häufig eine
Trennung in einen Hintergrund, auf dem die Darstellung einer
Rolle vorbereitet wird, und einen Vordergrund, auf dem die
Aufführung stattfindet.“ (Goffman, 1996, S. 217)</font></font></font></p>
</blockquote>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Die Entstehung von Ensembles kann im
Internet dort festgestellt werden, wo sich ein bestimmter
Teilnehmerkreis regelmässig zu kommunikativen Zwecken
versammelt. Dies kann in textbasierten Systemen, wie z.B. Muds,
Newsgroups oder Chat-Foren beobachtet werden, immer häufiger
werden virtuelle Welten, wie z.B. „ActiveWorlds“,
welche zusätzliche visuelle Darstellungsmöglichkeiten, wie z.B.
Gehen, Fliegen oder das Festlegen einer Blickrichtung
ermöglichen, frequentiert.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Die Akteure solcher Foren betreten die
„Bühne“ erstmalig wohl mit selbstdarstellerischen
Absichten; mit der Zeit kann sich jedoch unter der
Teilnehmerschaft eine Athmosphäre der Vertrautheit entwickeln,
die nach aussen trotz Zwist und Unstimmigkeiten durchaus
„ensemblehaft“ wirken kann. Einen wesentlichen Anteil
daran haben wohl Handlungen, die auf eine intimere Bekanntschaft
schliessen lassen. Dazu gehören Verhaltensweisen, welche von
Goffman ausführlich für Face-to-Face-Interaktionen beschriebene
wurden, jedoch durchaus auch im Cyberspace ihre Bedeutung haben,
wie etwa rituelle Klammern (wie z.B. überschwengliche
Begrüssungszeremonien oder Ausdrücke des Bedauerns bei
Verabschiedungen), gegenseitiges Bestätigen, Komplimente sowie
kollegiale oder gar kumpelhafte Umgangsformen.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">In Chat-Systemen oder Newsgruppen
schliessen Interaktionen überwiegend an vorhergegangene
Interaktionen an, wobei die Versorgung mit neuen Themen aus der
natürlichen Umwelt erfolgt. Der Reiz für die Teilnehmerschaft
liegt also darin, mehr oder weniger gehobenere rhetorische
Wettkämpfe auszutragen und Informationen aller Art
auszutauschen. Im Gegensatz zu Face-to-Face-Intaktionssituationen
herrscht hier aber weitgehend Ungewissheit über die Grösse der
nicht-aktiven Rezipientenschaft. Es kann jedoch davon ausgegangen
werden, dass das passive und anonyme Publikum durchaus auf einen
Teil der Interagierenden Einfluss nimmt und diese zu
vorsichtigen, öffentlichen Verhaltensweisen motiviert.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">In ausgebauteren Systemen kann nicht nur
interagiert werden, sondern es können Objekte kreiert und
manipuliert werden. Beispielsweise begegnen sich in
„ActiveWorlds“ die Menschen als Avatare, graphische
Kunstfiguren, in einer künstlichen, jedoch veränderbaren
Umgebung. Selten machen sie sich auf eigene Faust auf
Entdeckungsreisen, sondern sie suchen den gegenseitigen Kontakt
und bilden kleine, zerstreute Formationen im virtuellen Raum.
Versierte Benutzerinnen und Benutzer von „ActiveWorld“
können sogar Bauten erstellen und andere zu sich einladen.
Aufgrund ihrer profunden Kenntnisse können gewisse Teilnehmer in
eine superiore Position aufsteigen und andere bei den
Aktivitäten anleiten.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Das technische System wird damit nicht nur
zur Plattform z.T. bizarrer Selbstdarstellungen, sondern bietet
zahlreiche Möglichkeiten zur Ausübung sozialer Aktivitäten
durch Manipulationen an der gemeinschaftlich konstruierten
Umwelt. Die Interaktion der Individuen bezieht sich hier nicht
mehr überwiegend auf reale Lebensfragen, sondern dreht sich um
Personen und Aktivitäten an künstlichen Objekten im virtuellen
Raum.</font></font></font></p>
<h2><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="3.2"></a><font face="Arial">3.2 Rituale</font></font></font></h2>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Manche zwischenmenschlichen Handlungen
machen auf den ersten Blick den Anschein eines mechanischen und
inhaltslosen Austauschens von Floskeln, entpuppen sich jedoch bei
näherem Hinsehen als ritualisierte Verhaltensformen, die für
die Regelung der Beziehung äusserst wichtig sind. Goffman hat
mit grosser Akribie diese Riten in zahlreichen Varianten
beschrieben und auf ihre Bedeutung hingewiesen, zugleich hat er
festgestellt, dass „in der heutigen Gesellschaft (…)
überall Rituale gegenüber Repräsentanten übernatürlicher
Entitäten ebenso im Niedergang begriffen [sind] wie extensive
zeremonielle Agenden, die lange Ketten obligatorischer Riten
implizieren. Übriggeblieben sind kurze, von einem Individuum
gegenüber einem anderen vollzogene Rituale, die Höflichkeit und
wohlmeinende Absicht auf seiten des Ausführenden und die
Existenz eines kleinen geheiligten Patrimoniums auf seiten des
Empfängers bezeugen. Kurz, was bleibt, sind interpersonelle
Rituale. Diese kleinen Pietäten sind nur eine armselige Variante
dessen, wonach Anthropologen in ihrem Reich suchen.“
(Goffman, 1982, S. 97ff)</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Dennoch sind das Begrüssungs- und
Abschiedswort, der Dank oder ein kurzes Wort der Entschuldigung
als rituelle Gesten nicht aus dem Alltag wegzudenken; diese
erfüllen auch bei der herkömmlichen medialen Kommunikation, dem
schriftlichen oder telefonischen Austausch, wichtige soziale
Funktionen. Unterlassungen oder unangemessene Anwendungsformen
(durch entsprechenden Tonfall oder Mimik sowie situative
Unangebrachtheit) können sich unter Umständen geradezu als
beziehungsgefährdend erweisen.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Auch bei Interaktionsvorgängen im Internet
haben diese „Rest-Rituale“ keineswegs an Bedeutung
verloren, sondern erfüllen als Zeichen der Präsenz und der
Empfänglichkeit für Kommunikationen eine wichtige Funktion. Sie
beeinträchtigen mit ihrer aufdringlichen Art aber zugleich, wie
das folgende, willkürliche Beispiel aus einem Chat-System zeigt,
laufende Kommunikationen zwischen den bereits länger anwesenden
Kommunikationspartnern:</font></font></font></p>
<blockquote>
<font face="Arial"><font face="Arial"> </font></font><p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial"><MAMBO> hi jai hai<br>
<jay_h> hei o-hase<br>
<smemo> habe meine ich…<br>
<RazoR> was sit mdk<br>
>>> tut2 hat den Kanal 1 betreten.<br>
<tut2> hi all<br>
<smemo> ein game!<br>
<icegirl> o hase wer bist denn du?<br>
<jk> .e<br>
<icegirl> hi tut<br>
<pipa> hi tut2<br>
>>> jk hat den Chat verlassen.<br>
<RazoR> was guer ein game<br>
<MAMBO> hi tut2<br>
<MAMBO> 2<br>
<tut2> kennt sich jemand mit netscape gut aus??<br>
<smemo> hi tut bist du der richtige tut?<br>
<RazoR> yo<br>
<icegirl> smemo vergiss es<br>
<babes> Tut2 ja wir<br>
<jay_h> warum tut2<br>
<pipa> netscape, evtl.?<br>
<MAMBO> das isch en riesse scheiss<br>
<samichlaus> deppen &langweiler<br>
<diver> blubber<br>
>>> samichlaus hat den Chat verlassen.<br>
<diver> e<br>
<diver> wo wir?<br>
>>> Maex hat den Kanal 1 betreten.<br>
>>> ROLY hat den Kanal 1 betreten.<br>
<twister> babes giebst DU mir keine antwort mehr<br>
<tut2> tja ich brauechte da mal so ein wenig infos<br>
<Maex> hi<br>
<smemo> ech nor en wetzt gsi, ice
<br>
<diver> hoi maex…<br>
<diver> hoi roly…<br>
>>> 13 hat den Kanal 1 betreten.<br>
<pipa> hi roly<br>
<Maex> wie geht`s den so<br>
<ROLY> HOI<br>
<babes> twister wie gahts dim fuss<br>
<13> hi all<br>
<jay_h> hi maex<br>
<pipa> hi meax<br>
<jay_h> hi 13<br>
<pipa> hi 13<br>
<icegirl> smemo kannst du auch deutsch???:))))<br>
<jay_h> was willste denn wissen tut2?</font></font></font></p>
</blockquote>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">undsoweiter…</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Im Chat-System wird das
„Eintreten“ einer Person durch eine kurze Meldung den
bereits Anwesenden signalisiert, damit wird verunmöglicht, dass
sich jemand quasi durch die Hintertür in eine Gesellschaft
einschleichen kann. Die meisten Neuankömmlinge signalisieren
durch ein Grusswort, dass sie für Interaktionen bereit sind. Von
manchen Teilnehmern wird diese Begrüssung erwidert, was nun als
ein Zeichen gedeutet werden kann, dass potentielle
Kommunikationspartner zur Verfügung stehen. Auch Teilnehmer die
sich länger nicht mehr zu Wort gemeldet haben, signalisieren ab
und zu ihre Präsenz durch an sich bedeutungslose Einschübe und
„Grunzlaute“. </font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Die meisten Kontaktaufnahmen bleiben,
sofern keine weiterführende Reaktionen erfolgen, bereits am
Anfangspunkt stecken – Viele Chatsysteme leiden unter chronischem
Themenmangel und heterogener Nutzerschaft. Es gibt zwar
Chat-Systeme mit thematischen Vorgaben, manchmal können
entsprechende Kanäle durch die Benutzer eingerichtet werden,
doch niemand kann garantieren, dass sich jemand dafür
interessiert oder die Themen eingehalten werden. Die Teilnehmer
verbindet somit meist nur der Wunsch, dass sie mit andern
„chatten“ wollen, worüber ist offen. Es fehlen der
Bezug über eine gemeinsame Tätigkeit, gesprächsrelevante
Informationen aus der Umwelt oder häufig oder die gemeinsame
Geschichte, damit eine Interaktion erfolgreich gestaltet werden
kann. Als Folge verlaufen die meisten Interaktionen auf der Ebene
des kleinsten gemeinsamsten Nenners: über den Bildschirm
flimmern in repetiver Form Gruss- und Abschiedsformeln,
Banalitäten und sexuelle Anspielungen. Manchen fällt das
Abschiednehmen dennoch schwer, ihrem „cu“ (=see you)
folgt eine lange Wartepause – Ausdruck des Wunsches, dass die
Trennungsabsicht mit Bedauern zur Kenntnis genommen würde.</font></font></font></p>
<h2><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="3.3"></a><font face="Arial">3.3 Statuskategorien</font></font></font></h2>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Goffman weist, wie bereits erwähnt, in
seinem Werk immer wieder darauf hin, wie wichtig die
gegenseitigen Verstricktheit, welche durch direkte Begegnung
erzeugt wird, für die soziale Interaktion ist. Offensichtlich
lassen sich im Cyberspace viel freiere Interaktionsordnungen
feststellen – auch für solche Phänomene liefert Goffmans
Interaktionstheorie plausible Erklärungen:</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Goffman nennt „vier wichtige diffuse
Statuskategorien“ (Alter Geschlecht, Klasse und ethnische
Zugehörigkeit) welche sich auf die Gesellschaft auswirken und
über die jedes Individuum verortet werden kann. Diese Attribute
bringen wir mittels unserers Körpers, so Goffman, in soziale
Situationen ein und sie ermöglichen dem Gegenüber eine
„Entzifferung“, ohne dass zusätzliche, vorhergehende
Informationen notwendig wären:</font></font></font></p>
<blockquote>
<font face="Arial"><font face="Arial"> </font></font><p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial" size="2">„Ob wir nun in einer
besonderen sozialen Situation individuell identifiziert
werden können oder nicht, schon beim Eintreten in diese
soziale Situation können wir jedenfalls fast immer
hinsichtlich aller vier Attribute kategorisch identifiziert
werden. (Falls dies nicht möglich ist, treten soziologisch
sehr aufschlussreiche Schwierigkeiten auf). Die leichte
Wahrnehmbarkeit dieser Züge in sozialen Situation ist
natürlich keineswegs nur ein Zufall; in den meisten Fällen
stellt die Sozialisation auf subtile Art und Weise sicher,
dass unsere Verortung hinsichtlich dieser Attribute besser
wahrnehmbar ist, als sie es ohne die Sozialisation wäre. Ein
schwer wahrnehmbares Attribut könnte, zumindest in der
modernen Gesellschaft, sicherlich kaum zu einem
status-bestimmenden Merkmal werden.“ (Goffman, 1994, S.
93ff)</font></font></font></p>
</blockquote>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Tatsächlich sind alle vier genannten
Statusmerkmale im virtuellen Raum, zumindest heute noch,
unbedeutend und Individuen können nicht mit Sicherheit aufgrund
dieser Attribute verortet werden. Damit eröffnen sich im
Cyberspace zahlreiche Möglichkeit zu spielerischem Umgang mit
äusseren Merkmalen und gesellschaftlichem Status. Probehalber
kann die Befindlichkeit in einer anderen Rolle ausgetestet
werden. Besonders beliebt ist die Vortäuschung des anderen
Geschlechts – wohl auf keine andere Weise kann diese
„wichtigste soziale Trennungslinie“ (Goffman, 1996,
S.119) </font><a name="z3"></a><font face="Arial">[</font><a href="/index.html#f3"><font face="Arial">3</font></a><font face="Arial">] in einer authentischeren Weise überwunden werden
und Erfahrungen des anderen Geschlechts am „eigenen
Leib“ gemacht werden.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Manchen gelingt es, über Jahre hinweg die
wahre Identität zu verbergen. Eine Demaskierung entblösst nicht
nur die Schauspieler, sondern häufig auch die Projektionen des
Publikums, woraus nicht selten eine Welle der Empörung über die
„Betrüger“ einbricht, deren künstliche Existenz nun
zerstört und das „wahre Gesicht“ angeblich zum
Vorschein gekommen ist. So können Enthüllung unter Umständen
für Betroffene, wie auch das Publikum zu einer durchaus
schmerzlichen Erfahrung werden.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Die Energie, die manche Teilnehmer für die
Suche nach Indizien für eine bestimmte Herkunft oder Gesinnung
aufwenden, erinnert oftmals geradezu an karnevalistische
Zustände. Newsgruppen sind voll mit Spekulationen über die
„wahre Existenz“ bestimmter Absender. Hinter jedem
Pseudonym lauert potentieller Verrat, und bereits geringste
Zeichen, wie z.B. der aus der E-Mail-Adresse ablesbare Provider,
dienen der Erkennung einer geistiger Verwandtschaften oder
ermöglichen zumindest eine kollektive Attribuierung. „It’s
the golden age of ’secrets'“, schrieb die das Magazin WIRED
im Januar 1997; durch die Kommunikation im Internet würden nicht
nur Gerüchte und Mutmassungen über andere Netzteilnehmer
verbreitet, sondern auch Spekulationen über die angeblichen
konspirativen Tätigkeiten von Staatspräsidenten, der
wirtschaftlichen Elite und unterschiedlichsten Organisationen
angeheizt. Das Misstrauen hat bereits, wie die Inhalte
zahlreicher Newsgruppen (alt.conspiracy etc.) belegen, zu
institutionalisierten Formen gefunden.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Tatsächlich gibt es im Internet kaum
Möglichkeiten, um festzustellen, ob beispielsweise eine
Anlage-Information von einem Finanzberater, einem Betrüger oder
einem Schuljungen stammt. Mit relativ geringem Aufwand kann sich
hier eine Einzelperson einen Auftritt leisten, der denjenigen
einer grossen Institution in den Schatten stellt. </font><a name="z4"></a><font face="Arial">[</font><a href="/index.html#f4"><font face="Arial">4</font></a><font face="Arial">]</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Im Internet fehlt nicht nur der für die
Aufbau von Vertrauen notwendige Face-to-Face-Kontakt, es fehlen
auch die repräsentativen Bauten und Statusobjekte, die wir in
unseren realen Welt vorfinden, und an denen sich personaler
Status oder instiutionelle Macht ablesen lässt.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Das Internet (oder sein Nachfolge-Medium)
wird daher erst zu einer vertrauenswürdigen Umgebung für
Interaktionen und kommerziellen Austausch werden, wenn durch
spezielle Formen der Institutionalisierung die Identität von
Personen und Organisationen zweifelsfrei ermittelt werden kann
(z.B. durch digitale Unterschrift) und Transaktionen zwischen den
Interaktionspartnern ungestört und sicher ablaufen können (z.B.
durch Verschlüsselung).</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Gemäss Goffman baut die
Interaktionsordnung nebst den genannten Statusmerkmalen darauf
auf, dass die Teilnehmer versuchen, ihre eigene Biographie
konsistent aufrechtzuerhalten. Für Goffman ist dies nicht nur
der „Baustoff“ aus dem die sozialen Beziehungen
bestehen, er sieht darin auch ein wesentliches Element „für
die innere Organisation der dabei ablaufenden
Interaktionen“. Der Cyberspace hat eine globale Dimension,
welche es den Individuen erlaubt, weitgehend aus der Anonymität
heraus zu agieren. Da sich hier weitergegebene Informationen
meist einer direkten Überprüfbarkeit entziehen, besteht für
viele ein Anreiz, mit der eigenen Identität zu spielen – die
Grenzen zwischen Biographie, Wunschbild und reinen
Phantasievorstellungen werden verwischt. Was man im Cyberspace
voneinander weiss, beruht auf Informationen, die von den
Individuen mehr oder weniger bewusst nach aussen vermittelt
werden. Obwohl manche „Online-Persönlichkeiten“
äusserst konstruiert wirken, stossen sie damit in ihrer
virtuellen Umwelt kaum auf Akzeptanzprobleme. Gelingt es, durch
konsistentes Verhalten eine eigenständige Biographie aufzubauen,
so kann dies durch Statusgewinn sogar belohnt werden.</font></font></font></p>
<p><font face="Arial"><font face="Arial"><font face="Arial">Die Zeitrechnung der individuellen
Biographie beginnt im Cyberspace nicht bei der Geburt, sondern
beim ersten Login. Wenn die gleichen Leute hier immer wieder
gleiche Orte aufsuchen, so können virtuelle Gemeinschaften mit
einer eigenen Interaktionsordnung entstehen. Es entwickeln sich
individuelle Kommunikationspräferenzen, es enstehen Freund- und
Feinschaften. Mit der Zeit kennen die Leute die
Online-Biographien der anderen, was sich wiederum belebend auf
die vorhandene Interaktion auswirkt. Virtuelle Gemeinschaften
erhalten dadurch ihre eigene Geschichte – es entsteht die
Grundlage für die Bildung von Mythen und Ritualen sowie eine
Ausdifferenzierung bestimmter Rollen. Die Entstehung und der
Wandel des kalifornischen „WELL“, einer der ersten
virtuellen Gemeinschaften, wurde durch die Zeitschrift
„Wired“ in eindrücklicher Weise dokumentiert (1997,
Vol. 5.05, „The epic saga of the WELL -The world’s most
influential online community“). In diesem umfassenden
Bericht wird aber auch aufgezeigt, dass virtuelle Gemeinschaften
den Mitgliedern zwar emotionale Verwurzelung bieten, zugleich
aber auch verletzbarer als andere Gemeinschaften sind und immer
wieder inneren und äusseren Attacken ausgesetzt sind.</font></font></font></p>
<h2><font face="Arial"><font face="Arial"><a name="3.4"></a><font face="Arial">3.4 Netiquette</font></font></font>
Häufig unterschätzen die Teilnehmer die
gegenseitige emotionale Beteiligung an Interaktionsvorgängen.
Nebst sprachlicher Gewandtheit erfordert CMC ein ausgeprägtes
Einfühlungsvermögen für die Sensibilitäten derjenigen, die
isoliert vor ihren Bildschirmen die Botschaften anderer
rezipieren. Da die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten mancher
Teilnehmer an Grenzen stossen, sind Eskalationen mit verbalen
Entgleisungen („flames“) oder E-Mail-Bombardements
(„spamming“) keine Seltenheit. Die Dominanz der
schriftlichen Sprache und das weitgehende Fehlen nonverbaler
Steuerungsmechanismen der Interaktion macht sich v.a. in
emotialen Situationen in unangenehmer Weise bemerkbar.
Face-to-Face-Interaktion wird zu einem
grossen Teil durch ungeschriebene Regeln (z.B. des Anstands und
der Höflichkeit) bestimmt, welche Individuen im Laufe des
Sozialisationsprozesses kennenlernen und im unmittelbaren
Zusammenleben beständig wiederholen.
Goffman hat u.a. aufgezeigt, dass die
Unfähigkeit, diese Regeln der sozialen Interaktion in situativer
Angemessenheit zu befolgen, von der Umwelt häufig als
pathologisches Verhalten gedeutet wird und entsprechend
gesellschaftlich sanktioniert wird.
Gerade die Festlegung grundlegender
Interaktionsregeln scheint im Cyberspace ein Dauerproblem zu
sein. Obwohl es zweifellos für die Betreiber- wie
Teilnehmerschaft von Chat-Foren, Newsgruppen oder virtuellen
Welten erwünschte und weniger erwünschte Verhaltensweisen gibt,
erhitzen sich die Gemüter darüber, ob, von wem und in welcher
Weise gewisse Regeln explizit festgelegt werden sollen und zu
welchen Sanktionsmitteln bei abweichenden Verhaltensweisen
gegriffen werden soll. Nicht selten wird die Festlegung von
Interaktionsregeln mit dem Verweis auf die Redefreiheit bekämpft
(„Free speech“). [5]
Der geringe Einfluss präskriptiver und
normativer Regelungen im Internet stellt für viele eine
besondere Attraktivität dar, wird jedoch mit wachsender
Teilnehmerschaft zum Problem, wenn Mechanismen der
Selbstorganisation nicht mehr greifen. Einzelne notorische
Querschläger können ganze Diskussionforen längerfristig
durcheinander bringen oder diese gar zerstören.
Für viele Einrichtungen im Internets gibt
es daher sogenannte „Netiquetten“, durch welche
grundlegende Interaktionsregeln schriftlich festgehalten werden.
So gibt es Netiquetten für E-Mail, Newsgroups, MUDs oder
Chat-Foren; sie betreffen die unterschiedlichsten Aktivitäten
wie z.B. das „Flaming“(persönlich gemeinte Angriffe),
„Quoten“(Wiedergabe von Originalzitaten),
„Spamming“ (massenhaftes Verbreiten von E-Mails) oder
die Verwendung sogenannter „Emoticons“. Auszüge aus
solchen Netiquetten seien nachfolgend aufgeführt:
http://www2.ncsu.edu/ncsu/cc/pub/connect/fall95/netiquette.html
Communicating with other people
On the Internet it’s easy to forget
that the person on the other end is human, too. Since
communication is not face-to-face you don’t have the benefit
of facial expressions, gestures, and intonation that normally
give additional meaning to a conversation. Without nonverbal
cues, you have to take more care in what you are saying so
that it’s not misconstrued and also be more careful in
interpreting other people’s words. Facetiousness, satire, and
subtlety are often lost or confused with anger or some other
emotion.
Several conventions are used for
showing intent or mood when writing electronic messages.
First, to indicate to others that you are not serious, you
can use one of the following:
smiley face
<grin> <smile> words in brackets
other variations on the smiley face (this is a wink)
You can add emphasis to your message by
using underscores (such as in _last_week_) or asterisks
(*finally*). These conventions can help recipients figure out
where emphasis should be placed.
Another way of showing emphasis is to
type a word in all capital letters. This convention should be
used very sparingly. TYPING IN ALL CAPITALS IS USUALLY
INTERPRETED AS SCREAMING OR SHOUTING ON THE INTERNET AND ALSO
MAKES MESSAGES HARD TO READ. Never post your entire message
in all capitals! You will, at best, get many messages
(flames) chastising you for doing so.
http://redtail.unm.edu/cp/netiquette.html
5. Think about your audience.
Stay on topic. Post your messages in
the appropriate Newsgroup. By reading a number of the
messages before sending one yourself, you will be able to get
a sense of the ongoing conventions and themes of the
Newsgroup.
6. Be careful with humor and
sarcasm.
Without the voice inflections and body
language of personal communications,it is easy for a remark
meant to be funny to be misinterpreted. You can convey the
emotions that words alone cannot express by using such online
conventions as „smileys.“ :- )
Aus missliebigen Verhaltensweisen können
Verweise auf die Netiquette erfolgen, dies führt dazu, dass
gewisse Kommunikationsabläufe einen mehr an erzieherische
Zurechtweisungen von Kindern gemahnen als an Umgangsformen unter
Erwachsenen.
Allgemein gelten im Internet jedoch, was
vielen nicht bewusst zu sein scheint, ähnliche Konventionen für
die soziale Interaktion wie im realen Leben – nur unter etwas
veränderten situativen Bedingungen. So ist es beispielsweise
unstatthaft, private E-Mail-Korrespondenzen in Newsgruppen publik
zu machen. (Wer schätzt es, wenn vertrauliche Inhalte, die bei
einem unter vier Augen geführten Gespräch, plötzlich einem
grösserem Publikum vorgelegt werden!). Auch im Internet wird, um
mit Goffmans Worten zu sprechen, das Geschehen auf den
Hinterbühnen lieber vor dem grossen Publikum ferngehalten.
4 Schlussfolgerungen
Durch das Internet werden bestehende
Interaktionsordnungen verändert. Die Schnittstelle zwischen
privatem und öffentlichem Interaktions-Raum wird fliessend. Es
sollte somit, um mit Goffmans Worten zu sprechen (1994, S. 67) im
Interesse aller liegen, „die praktischen Verkehrsnormen und
die Anordnungen aufrechtzuerhalten, die die Verwirklichung sehr
verschiedener Pläne und Absichten durch die selbstverständliche
Bezugnahme auf Verlaufstypen ermöglichen.“ Tatsächlich
sind aber Konventionen und Normen im Internet keineswegs so
ausgebaut und akzeptiert wie in anderen gesellschaftlichen
Bereichen. Entsprechend häufig wird denn auch über die
herkömmlichen Medien vor einem „Sonderstatus“ für das
Internet gewarnt. Damit drängen sich auch klärende Antworten
bezüglich der Frage auf, welche Instanzen für die Regelung der
entsprechenden Interaktionsvorgänge zuständig sind.
„Die Doktrin, dass
Basisregeln die Interaktionsordnung leiten und praktische
Umgangsformen ermöglichen, wirft die Frage nach den
Regulierungen auf, und das Thema der Regulierungen führt uns
wiederum in politische Überlegungen.
Der moderne Nationalstaat beansprucht – beinahe als eine
Legitimationsstütze – die letzte Autorität über die
Kontrolle von Gefährdungen, Risiken und Bedrohungen des
Lebens, des Körpers und des Besitzes auf seinem
Hoheitsgebiet. Wenn örtliche Mechanismen der sozialen
Kontrolle den Zusammenbruch der Interaktionsordnung nicht in
gewissen Grenzen halten können, schreitet der Staat –
theoretisch in jedem Fall, praktisch in vielen Fällen ein,
indem er adhoc-Regelungen bereitstellt; so vor allem auf
öffentlichen Schauplätzen, aber nicht nur hier. Sicherlich
sind aber selbst jene Interaktionsordnungen, die an den
öffentlichen Plätzen herrschen, keineswegs Erfindungen des
Staatsappartes. Ohne Zweifel entwickelt sich der grösste
Teil dieser Ordnung sozusagen von unten, in manchen Fällen
eher trotz der übergeordneten Autorität als wegen ihr.
Dennoch hat der Staat hier seine Legitimität und Priorität
wirksam durchgesetzt, wobei er den Gebrauch schwerer Waffen
und militärisch disziplinierter Verbände als letzte
Sanktionsmöglichkeit monopolisiert hat.
Infolgedessen können einige Standardformen des interaktiven
Lebens – Ansprachen, Konferenzen, Prozessionen, ganz zu
schweigen von raffinierteren Formen wie etwas Streikposten
oder Sitzstreiks – von Staatsbeamten als Affront gegen die
Sicherheit des Staates verstanden und aus diesen Gründen mit
Gewalt aufgelöst werden, obwohl faktisch keine merkliche
Bedrohung der öffentlichen Ordnung vorliegt.“ (Goffman,
1994, S. 67ff)
Das Internet stellt den Nationalstaat vor
erheblich Probleme, weil durch örtliches Eingreifen kein
nachhaltiger Einfluss auf bestehende Interaktionsordnungen
genommen werden kann und durch die Beschränkung der rechtlichen
Zuständigkeiten der Aktionsradius staatlicher Institutionen
erheblich eingeschränkt wird. Das Vorgehen deutscher und
österreichischer Behörden gegen Internet-Provider, die
angeblich ihren Kunden zur Verbreitung krimineller Inhalte
verhalfen, stiessen nicht nur auf die heftige Kritik der
„Netzgemeinschaft“, sondern waren letztendlich auch
nicht von Erfolg gekrönt. Nicht nur können Informationen in
ungeheurer Geschwindigkeit weiterverbreitet und umplaziert
werden, die Autoren lassen sich nur in mühsamer Kleinstarbeit
eruieren.
Wo die nationalstaatlichen
Sanktionsmechanismen versagen, bieten sich höchstens
internationale Vereinbarungen an; doch auch hier dürfen Zweifel
angebracht werden, ob sich weltweit sämtliche Länder solchen
Vereinbarungen anschliessen würden und sie zudem über die
Ressourcen verfügten, diese durchzusetzen und Vergehen zu
ahnden.
Eine Förderung selbstregulierender
Mechanismen sowie vertrauensstärkender Institutionen scheint im
Falle des Internets für den Aufbau einer beständigen
Interaktionsordnung erfolgsversprechender zu sein, als die
partielle Durchsetzung nationalen Rechtes. Es darf nicht
vergessen werden, dass die momentane, explosionsartige
Wachstumsphase und auch die schnell rotierende technologische
Innovationsspirale für ein soziales System, wie es auch das
Internet darstellt, eine ungeheure Belastung darstellen. Mit der
Zeit werden sich diese Entwicklungen verlangsamen und die
Entstehung von stabileren, öffentlichen Ordnungen, ermöglichen.
5 Fussnoten
1 Hubert A. Knoblauch
schreibt in der Einführung zu „Interaktion und
Geschlecht“ (1994), dass bei Goffman kaum von einer
Interaktions-Theorie gesprochen werden könne, vielmehr dienten
ihm „eine Reihe von Metaphern und Analogien (Theater,
Gesicht, Spiel usw.“ als begriffliches Modell, so dass
zutreffender von einer „extended metaphorical
description“ (Manning, 1992)gesprochen werden müsse.
[zurück]
2 „Wir beschäftigen
uns heutzutage ausschliesslich mit der Frage, wie man die
Benutzung eines Computers für den Menschen einfacher machen
kann. Dabei wäre es an der Zeit, darüber nachzudenken, wie man
es dem Computer leichter macht, mit Menschen umzugehen. Wie soll
er beispielsweise eine Unterhaltung mit Leuten führen, von denen
er noch nicht einmal weiss, dass sie da sind? Er kann sie nicht
sehen und weiss nicht, wie viele vor ihm stehen. Lächeln sie?
Hören sie überhaupt zu? Wir sprechen voller Sehnsucht über
Mensch-Computer-Interaktion und Dialogsysteme, während wir
gleichzeitig ganz bewusst einen der beiden Teilnehmer an diesem
Dialog völlig im dunkeln lassen. Es ist an der Zeit, dem
Computer Hören und Sehen beizubringen.“ (Negroponte, 1995,
S. 159)
[zurück]
3 „Die wichtigste
soziale Trennungslinie ist sicher die zwischen den Geschlechtern,
denn es scheint keine Gesellschaft zu geben, in der Angehörige
der beiden Geschlechter, wie eng sie auch miteinander verwandt
sein mögen, sich nicht irgendwelchen Anschein zu geben
suchen“
[zurück]
4 Doch wie kommerzielle
Organisationen, haben wohl mittlerweile auch Leute mit
betrügerischen Absichten erkannt, dass auf dem Datenhighway das
Geld nicht offen herumliegt und nur mit grossem Aufwand und
vorgängigen, vertrauensbildenden Massnahmen die Taschen der
Menschen erreicht werden können. Es fällt auf, dass in den
herkömmlichen Medien solche Phänomene häufig überspitzt
wiedergegeben werden und die im Internet vorhandenen Mechanismen
der Selbstregulation unterschätzt werden. Schliesslich wird
übersehen, dass über das Internet es auch einfacher ist, als
über den Weg der herkömmlichen Medien, Betrügereien zu
entlarven und publik zu machen.
[zurück]
5 Für den grössten
Aufruhr unter der „Netzgemeinschaft“ sorgte in den
beiden letzten Jahren der vom US-Senat verabschiedete, zurzeit
jedoch gerichtlich angefochtene „Communication Decency
Act“ durch welchen dem unanständigen Netzverhalten, v.a.
der Verbreitung von Pornographie, der Kampf angesagt werden
sollte. Die Gegner des Gesetzes sehen darin einen Verstoss gegen
das Recht auf freie Meinungsäusserung und befürchten, dass die
Motivation zur Selbstregulierung des Netzes untergraben werden
könnte.
[zurück]
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