Diskussionsbeiträge
Autorensystem-Test
Authorware Professional for Windows
FH Regensburg
Bewertung von Authorware Professional for Windows
Allgemeines
Authorware Professional for Windows 1.0 (APW) ist ein unter Windows 3.1 laufendes und auf Icons basierendes Autorensystem. An Hardwareausstattung ist mindestens ein AT mit 80286-Prozessor, 16 Mhz-Taktrate und 2 MB Arbeitsspeicher erforderlich. Die mitgelieferten Handbücher sind umfangreich, gut gegliedert und umfassen ca. 750 Seiten (englische Version). Relativ zu Toolbook sind nur wenig Utilities zur Seitengestaltung beigegeben. Die Oberfläche der Entwicklungsumgebung präsentiert sich in der Form eines typischen Windowsprogramms mit Menüzeile. APW unterstützt bei der Programmerstellung die Integration von Text, Grafik, Animation, Video und Audio. Im Hauptmenü stehen die üblichen Windowsanordnungsbefehle für Editfenster wie TILE oder CASCADE nicht zur Verfügung; die Anordnung muß von Hand mit Hilfe der RESIZE-Technik und durch Verschieben der Editfenster vorgenommen werden. Die ONLINE-Hilfe ist nicht als Windows-Hilfe aufgebaut, sondern gibt Auswahlunterstützung und Hilfestellung zu Funktionsaufrufen und Systemvariablen in Form einer Dialogbox.
Textverarbeitung
Der Texteditor von APW 1.0 verfügt nur über eine begrenzte Anzahl von Schriftgrößen – durchschnittlich sechs pro Schriftart. Zeichenabstand und Zeilenabstand sind nicht gesondert einstellbar. In einem Textobjekt kann nur eine Schriftfarbe verwendet werden. Im Textfeld hat die TAB-Taste keine Funktion, wenn nicht wenigstens eine Tabstop-Position gesetzt ist. In Textfeldern können beliebig viele Tabstops gesetzt werden. An Textformatierungsfunktionen verfügt APW über Fettschrift, Kursivschrift, Unterstreichen, Hochstellen und Tiefstellen. Textblöcke können zentriert dargestellt werden oder in links- bzw. rechstbündigen Flattersatz. Text kann über den Windows-Zwischenspeicher importiert werden. Wie bei Icon Author können Variablen im Text eingebettet werden. Mit der Einstellung „perpetual update“ werden Variablen in Textfeldern laufend aktualisiert. Das erspart Programmierarbeit. Es ist jedoch darauf zu achten, daß Variablen im Kombination mit „perpetual update“ eine Verlangsamung von parallel laufenden Programmteilen wie z.B. Animationen bewirken können.
Grafik, Video und Animation
Bei der Grafikimportierung werden alle gängigen Windows-Formate unterstützt. BMP, DIB, WMF, PIC, TIF und EPS können importiert werden. Unabhängig davon, ob ein pixel- oder vektororientiertes Grafikbild vorliegt, kann das Bild in seiner Größe und Proportion verändert werden. Die Importierung von Text oder Grafik ist auch über das Clipboard (Windows) möglich.
APW bietet für die Ein- und Ausblendung von Objekten 13 verschiedene Effekte an. Bei der Farbgestaltung von Objekten kann je nach Grafikkarte auf den 16/256-Farbenmodus zugegriffen werden. Vier verschiedene Zeichenmodi (opaque, transparent, invers, erase) für alle Objektarten ergänzen die Objektdarstellungsmöglichkeiten.
An Vektorgrafikelementen werden Linien, Kurven, Kreise, Rechtecke etc. wie bei einem handelsüblichen Zeichenprogramm unterstützt. Linien können mit Pfeilen versehen werden.
Die Animations-, Film-, Ton- und Videounterstützungselemente können so eingestellt werden, daß sie parallel zum Programm ablaufen. Es ist ratsam, hierbei einen leistungsfähigen 486´er zu verwenden. Bei der Bewegung eines dünnen Balkens über den Schirm unter Verwendung des Animation-Icons „rupft“ die Grafik.
Programmieren
Die wenigen Icon-Typen (11 Stück) bewirken eine bessere Übersicht über den Programmfluß als bei Icon Author. Sie sind einfarbig gehalten und grafische besser gestaltet. Zur Programmerstellung werden die Icons im Sinne eines Flow-Chart angeordnet. Die Programmflußrichtung wird durch Pfeile angezeigt.
Kommentare zu Display-Icons können bis zu 400 Zeichen lang sein. Das ermöglicht eine gute Beschreibung eines Programms. Die Plazierung von Kommentaren erfolgt neben den Icons – nicht darunter wie bei IconAuthor. Das bringt Übersicht.
Bei Präsentationen kann der Repeat-Icon mit seiner optionalen Zeiteinstellung für das Durchblättern von Seiten verwendet werden.
Festzuhalten ist, daß bei den Interaktion- und Decision-Icons der Autor wegen der komplexen Verhaltens- bzw. Einstellungsmöglichkeiten von solchen Icons zu Beginn überfordert ist.
Die Generierung von Windows-Dialogelementen beschränkt sich auf Buttons. Listenfelder oder andere Elemente werden nicht unterstützt. Die Buttons können ihre Farbe nicht ändern und können nicht mit grafischen Elementen versehen werden. Dies ist bei Toolbook möglich.
APW unterstützt ein modulares Programmkonzept. Die Erstellung von Modulbibliotheken geht ohne Probleme von der Hand. Eine angelegte Modullibrary ist komfortabel ladbar und einbindbar.
Die Darstellung von Unterprogrammen in Form von Modul-Icons ist in Authorware Professional gut gelöst. Doppeltes Anklicken eines Modul-Icons im Flow-Chart bewirkt die Öffnung eines neuen Editfensters, in dem der Flow-Chart des Unterprogramms gezeigt wird. Die Übersicht über das Programm ist dadurch besser als bei Icon Author.
Weiterhin ist positiv hervorzuheben, daß nicht belegte Calculation-Icons beim Ablauf eines Programms unter der Entwicklungsumgebung gemeldet werden. APW stoppt den Programmlauf und zeigt das Editfenster des Calculation-Icons. Anschließend kann das Programm mit PROCEED fortgesetzt werden.
Negativ zu bewerten ist, daß nicht belegte Display-, Descision- und Interaction-Icons das Programm anhalten, ohne daß eine Fehlermeldung erscheint; deswegen kommt es zu scheinbar unerklärlichen Programmstops.
Allgemein ist noch anzumerken, daß
- mehrere APW-Sessions gleichzeitig mit verschiedenen Programmdateien möglich sind.
- beim Abspeichern von Dateien mit SAVE keine ´Sanduhr´ erscheint. Es geht also nicht klar hervor, wann ein Speicherungsvorgang beendet ist.
- APW um etwa 4-5 fach größere Programmdateien als Toolbook produziert.
- die Entwicklungsumgebung den Autor bei der Auswahl von Funktionen und Systemvariablen unterstützt.
Variablen
Die Variablenhandhabung bei APW ist sehr gut. Variablennamen können später in einem ´Rutsch´ im gesamten Programm geändert werden. Mit dem Referenzer kann bestimmt werden, wo eine gesuchte Variable verwendet wird. Über ihn kann direkt an die Stellen im Programm gesprungen werden, an der die gesuchte Variable verwendet wird.
Seitengestaltung
Eine Default-Seitenschaltung wie bei Toolbook ist zweckmäßig bei Entwicklungen, hier aber prinzipbedingt nicht vorhanden. Fliegender Wechsel zwischen Editieren, Korrigieren, Ergänzen und „Laufen lassen“ des erstellten Programms wird unterstützt.
Eine Backgroundoption für Standardhintergrund (außer für Farbe) ist nicht vorhanden, kann aber durch Einsatz von Modulen behoben werden.
Beim Verschieben oder Editieren von Objekten folgt dieses der Mausbewegung nicht sofort, sondern springt verzögert über den Schirm. Exakte Positionierungen kosten hier viel Zeit.
Debugging
APW 1.0 sind gute Debuggingeigenschaften zu bescheinigen. Run und Stop von bzw. in bestimmter Programmposition ist möglich. Programmabbruch und Fortsetzung ist jederzeit durchführbar. Dazwischen können Variablenwerte verändert oder betrachtet werden, wobei eine Referenzierungsliste zur Verfügung steht. Über die Referenzenliste kann jederzeit zu den Stellen gesprungen werden, wo die gesuchte Variable verwendet wird. An diesen Stellen können dann nach Bedarf Korrekturen vorgenommen werden. Bei Programmunterbrechung, Änderung von Variablenwerten und anschließender Programmfortsetzung ist im allgemeinen Vorsicht geboten, da dies zu unerwarteten Verhaltensweisen im Programm führen kann.
Interaktion und Kommunikation
APW verfügt über umfangreiche und sehr gute Einstellungsmöglichkeiten in bezug auf Userreaktionen. Das sind zum Beispiel bei CBT-Programmen die Anzahl an Eingabeversuchen oder eine Zeitbegrenzung für Eingaben. Der Aufwand für die Programmierung einer Lückentextaufgabe mit der Forderung von mehrfachen, in ihrer Position unterschiedlichen, Texteingabefeldern ist jedoch relativ groß und nur umständlich zu realisieren – im Gegensatz zu Toolbook.
APW ist über die DLL-Schnittstelle um Funktionen erweiterungsfähig. Über DDE kann mit anderen Windowsprogrammen kommuniziert werden.
Resümee
Verbesserungswürdig an Authorware Professional for Windows ist die Textgestaltung und die Animation (smooth scrolling). Auch die Handhabung von grafische Objekten beim Editieren benötigt eine Überarbeitung. Exakte Positionierungen erfordern zu viel Zeit. APW benötigt viel Plattenspeicherplatz in bezug auf die Anzahl gespeicherter Kursseiten. Insgesamt ist die Gestaltung der Flow-Charts besser gelungen als bei Icon Author. Die Anzahl der Icons ist auf die wesentlichen beschränkt. In bezug auf Interaktionen schneidet APW 1.0 im Vergleich zu seinen Konkurrenten gut ab. Seine umfangreichen Bewertungsmöglichkeiten von Antwortergebnissen sind hervorragend im Vergleich zu den getesteten Konkurrenten. Der Einstiegspreis für Authorware Professional 1.0 liegt bei 18000 DM.