Diskussionsbeiträge
Informationswissenschaftlicher Reader
Informationsrecht
Das Multimediagesetz
Internet und Recht:
Das Multimediagesetz
Dr. jur. Stefan Ernst, Freiburg i. Br.
Das sogenannte Multimediagesetz, das eigentlich Gesetz des Bundes zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz – IuKDG) heißt, wird zur Zeit vom Bundesrat beraten. Der folgende Beitrag will kurz den Inhalt des vorliegenden Entwurfs vorstellen.
Internet und Recht:
Das Multimediagesetz
Dr. jur. Stefan Ernst, Freiburg i. Br.
Das sogenannte
Multimediagesetz, das eigentlich Gesetz des Bundes zur Regelung der
Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste
(Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz – IuKDG) heißt, wird zur
Zeit vom Bundesrat beraten. Der folgende Beitrag will kurz den Inhalt des
vorliegenden Entwurfs vorstellen. Dieser kann sich freilich im
Gesetzgebungsverfahren noch ändern. Die im folgenden aufgeführten
Ausführungen sind dementsprechend nicht unbedingt als abschließend
zu betrachten. Die zitierten Normen beziehen sich auf den vom Bundestag am
13.06.1997 beschlossenen Entwurf. Dieser findet sich in der
Bundesratsdrucksache 420/97 sowie im Internet unter http://www.iid.de/rahmen/iukdg.html.
Der Text ist samt Begründung auch gegen eine geringe Gebühr beim
Bundesanzeiger Verlag, Postfach 1320, 53003 Bonn (Fax 0228/3820844)
erhältlich. Das Gesetz soll am 01.08.1997 in Kraft treten.
I. Vorbemerkung
Das Multimediagesetz besteht eigentlich aus einer
Vielzahl von neuen Gesetzen und Gesetzesänderungen. Diese regeln
allerdings keineswegs, wie der unbefangene Internet-Nutzer meinen mag,
umfassend alle das Netz betreffenden Rechtsfragen. Im Gegenteil: Dies ist weder
möglich noch erforderlich. Das Multimediagesetz beabsichtigt ausweislich
der Begründung zum Referentenentwurf lediglich zum einen die Beseitigung
von Hemmnissen für die freie Entfaltung der Marktkräfte und zum
anderen gewisse Anpassungen und Klarstellungen vorhandener Regelungen aufgrund
der Entwicklung der Technik. Viele Sachverhalte sind überhaupt nicht
regelungsbedürftig, weil die bestehenden Gesetze ohnehin für das
Internet gelten. Straf-, Vertrags- oder Urheberrecht, um nur drei Beispiele zu
nennen, sind im digitalen Netzverkehr ebenso anwendbar wie sonst auch.
Im Überblick enthält das IuKDG folgende Regelungen:
Art. 1: Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz – TDG)
Art. 2: Gesetz über den Schutz personenbezogener Daten bei Telediensten (Teledienstedatenschutzgesetz – TDDSG)
Art. 3: Gesetz zur digitalen Signatur (Signaturgesetz – SigG)
Art. 4: Änderung des Strafgesetzbuches
Art. 5: Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten
Art. 6: Änderung des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften
Art. 7: Änderung des Urheberrechtsgesetzes
Art. 8 – 10: Änderung des Preisangabengesetzes und der Preisangabenverordnung
Art. 11: Inkrafttreten
Gesetzliche Neuregelungen enthalten insbesondere die ersten drei Artikel, während die übrigen Normen lediglich bestehende Gesetze anpassen.
II. Teledienstegesetz (TDG)
Zweck des Teledienstegesetzes ist es,
einheitliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die verschiedenen
Nutzungsmöglichkeiten der elektronischen Informations- und
Kommunikationsdienste zu schaffen (§ 1 TDG). Die Anbieter von Telediensten
brauchen Rechtssicherheit und Marktoffenheit. Die wesentliche Norm hierfür
ist § 4 TDG, der alle Teledienste im Rahmen der Gesetze für zulassungs-
und anmeldefrei erklärt.
Der Begriff der Teledienste wird vom Gesetz weit gefaßt (§ 2 TDG). Hierunter fallen individualkommunikative Dienste wie Online-Dienste, E-Mail, Newsgroups und Telebanking ebenso wie Datendienste ohne Rundfunkcharakter (z. B. Wirtschafts-, Wetter-, Verkehrs-, oder Umweltdaten, nicht aber Nachrichten), Telespiele, elektronische Versandhauskataloge u. ä. Die Abgrenzung zwischen Rundfunk und Diensten mit individualkommunikativem Charakter ist deshalb erforderlich, weil der Bund aufgrund der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für Hörfunk und Fernsehen nicht regelungsbefugt ist. Hier ist in Zukunft möglicherweise noch mit Abgrenzungs- und Einordnungsstreitigkeiten zu rechnen.
Besondere Bedeutung hat die Regelung der Verantwortlichkeit der Diensteanbieter in § 5 TDG. Die Norm befreit die Diensteanbieter von jedweder Verantwortung für fremde Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang vermitteln. Damit wird vermutlich auch das Strafverfahren gegen Compuserve obsolet werden. Diese Befreiung gilt aber nicht für Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, wenn der jeweilige Anbieter hiervon Kenntnis hat und es ihm technisch möglich und zumutbar ist, die Nutzung der Inhalte zu verhindern. Für eigene Inhalte ist der Diensteanbieter wie jeder Content-Provider stets verantwortlich.
III. Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG)
Datenschutz bezieht sich,
auch wenn die Bezeichnung anderes suggerieren mag, keineswegs auf den Schutz
von Daten. Es geht vielmehr um den Schutz von Menschen, deren Daten gespeichert
werden. Diese personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über
persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder
bestimmbaren Person. Der Datenschutz ist, wie das Bundesverfassungsgericht im
Volkszählungsurteil im Jahre 1983 feststellte, im Grundgesetz als Recht
auf informationelle Selbstbestimmung verankert. Im einzelnen normiert ist er
vor allem in den Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder.
Das TDDSG bestimmt für die Anbieter von Telediensten ähnliche datenschutzrechtliche Pflichten, wie sie die Datenschutzgesetze auch sonst vorsehen. Personenbezogene Daten dürfen vom Anbieter zur Durchführung von Telediensten nur erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn es das TDDSG oder eine andere Rechtsnorm ausdrücklich erlaubt oder der Betroffene einwilligt (§ 3 TDDSG). Gleiches gilt für die anderweitige Verwendung der erhobenen Daten. Hierbei ist der Anbieter gehalten, nur für die Vertragserfüllung wirklich erforderliche Daten zu erheben (§§ 5, 6 TDDSG). Der Benutzer ist über die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung seiner Daten zu unterrichten.
Insbesondere ist die Erstellung von nicht anonymisierten Nutzungsprofilen untersagt (§ 4 Abs. 4 TDDSG). Nicht mehr benötigte Daten sind zu löschen. Das Gesetz unterscheidet zwischen Nutzungs- und Abrechnungsdaten (§ 6 TDDSG), wobei Nutzungsdaten frühestmöglich, spätestens jedoch nach Ende der Nutzung, und Abrechnungsdaten dann zu löschen sind, wenn sie für die Abrechnung nicht mehr benötigt werden. Die Übermittlung der Daten an andere ist grundsätzlich untersagt.
Der Nutzer ist berechtigt, jederzeit die zu seiner Person oder seinem Pseudonym gespeicherten Daten unentgeltlich einzusehen (§ 7 TDDSG). Diese Auskunft ist auf Verlangen des Nutzers auch elektronisch zu erteilen.
IV. Gesetz zur digitalen Signatur (SigG)
Verträge können
nach deutschem Recht auch formlos geschlossen werden. Ein per E-Mail
abgeschlossenes Rechtsgeschäft ist grundsätzlich ebenso wirksam wie
per Telefon oder Fax. Ausnahmen gelten lediglich für bestimmte
formbedürftige Verträge, bei denen wegen ihrer besondere Tragweite
(z. B. Bürgschaft) eine Form verlangt wird, um vor übereiltem Handeln
zu warnen. Allerdings war die Beweisbarkeit einer Online-Bestellung bislang
äußerst gering. Weil das Internet zunehmend für
Vertragsschlüsse genutzt werden soll, besteht das Bedürfnis nach
einem sicheren Übertragungsweg für rechtserhebliche
Willenserklärungen.
Das SigG regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Erklärung als wirksam digital unterschrieben gelten kann, weil die Zuordnung der digitalen Unterschrift zur Urkunde als ausreichend fälschungssicher gelten kann (§ 1 Abs. 1 SigG). Jeder Absender besitzt einen geheimen Signaturschlüssel, mit dem er seine Unterschrift erzeugt. Mit Hilfe des dazugehörigen veröffentlichten Schlüssels kann vom Adressaten die Echtheit der Signatur überprüft werden. Außerdem kann er feststellen, ob die signierten Daten in der Zwischenzeit verändert wurden. Die Zuordnung des Schlüssels erfolgt durch spezielle Zertifizierungsstellen, die für ihre Tätigkeit einer Genehmigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post bedürfen (§ 3 SigG). Im Gesetz werden im einzelnen die Anforderungen an Schlüssel und Zertifizierung festgelegt (§§ 3-15 SigG), die durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung noch konkretisiert werden können (§ 16 SigG). Auch diese Signaturverordnung (SigV) liegt bereits im Entwurf vor.
V. Sonstige Änderungen
Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht
werden einige Änderungen vorgenommen, so daß die Anwendbarkeit
bestimmter Normen auch auf Taten in Datennetzen deutlich wird. Diese dienen
aber nur der Klarstellung. Beispielsweise wird der Einfuhr von gedruckter
Werbung für verfassungswidrige Organisationen die Zugänglichmachung
in öffentlichen Datennetzen ausdrücklich gleichgestellt.
Entsprechendes gilt für das Gesetz über die Verbreitung
jugendgefährdender Schriften. Dort werden zudem Anbieter von
Online-Diensten zur Einrichtung eines Jugendschutzbeauftragten verpflichtet.
Die Änderung des Urheberrechtsgesetzes ist schon durch die erforderliche Umsetzung der EU-Datenbankrichtlinie bedingt. In Zukunft werden Datenbanken auf CD-ROM und Online-Datenbanken, bei denen Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine schöpferische Leistung erforderte, urheberrechtlich geschützt (§ 4 Abs. 2 UrhG). Aber auch die Hersteller von Datenbanken, die diese Schöpfungshöhe nicht erreichen, weil es sich nur um Faktendatenbanken handelt (z. B. Adreßverzeichnisse), genießen ein sog. Leistungsschutzrecht (§ 87a UrhG). Der Schutz von Datenbanken beschränkt sich allerdings auf die Ausdrucksform als Datenbank und erfaßt nicht ihren Inhalt. Einzelne Bestandteile sind also, sofern sie nicht für sich genommen Urheberschutz genießen, insofern frei, was allerdings wettbewerbsrechtliche Beschränkungen nicht ausschließt.
Geändert werden zudem Preisangabengesetz und -verordnung. Wer dem Verbraucher eine Leistung oder Ware anbietet, hat diese preismäßig (incl. Mwst.) auszuzeichnen. Dies muß im Geschäft, im Schaufenster, in Prospekten und an sonstigen Orten des Angebots (und zukünftig auch online) geschehen.
VI. Fazit
Ob es sich beim IuKDG um einen Meilenstein auf dem Weg zur
rechtlichen Ordnung der internationalen Datennetze handelt, darf getrost
bezweifelt werden. Es ist aber zumindest ein erster Schritt getan. Daß
die Verkehrsregeln auf den Datenautobahnen in Deutschland der
Zuständigkeit des Bundes unterliegen und nicht dem Zugriff einer
großen Vielzahl von Landesfürsten und Medienanstalten, ist bedeutend
für deren weitere Entwicklung. Die Einführung der digitalen Signatur
ist eine wertvolle Hilfe zur Sicherheit des Datenverkehrs.