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Studium Informationswissenschaft

Virtuelles Handbuch Informationswissenschaft

11. Einige beispielhafte Fragestellungen

Zum Design von WWW-Seiten

Heinz-Dirk Luckhardt

Zur Einstimmung: Eine Checkliste mit Fehlern, die man beim Design von WWW-Seiten begehen kann
Checkliste von Jorn Barger

Homepages: begrüßt man so seine Gäste?

– Überlegungen zu einem jungen Medium, Version Nr. 3/2003, erste Version: 1995-

Das Worldwide Web (WWW) – sicher ein Meilenstein auf dem Wege zu einem wirklichen Information Superhighway – besteht aus vielen (multimedialen) Informationssystemen, die auf leistungsfähigen, über die ganze Welt verteilten Computern (WWW-Servern) gebündelt sind. Jeder Server, jedes Informationssystem sowie jedes der zahlreichen Subsysteme werden über ein Inhaltsverzeichnis betreten, die sogenannte Homepage. Die Zahl dieser Systeme und Server wächst sprunghaft an, ihre genaue Zahl kann niemand bestimmen. Und praktisch jede Homepage wird von einer anderen Person konzipiert, erstellt und gewartet, d.h. auf dem neuesten Stand gehalten. Kein Wunder also, daß kaum eine Homepage wie die andere aussieht. Aber das muß auch nicht sein; die Probleme liegen woanders:

  • typische Funktionen wie Vorwärts-/Rückwärtsblättern, Rücksprünge
    zur Homepage etc. sind immer anders dargestellt,
    ein WWW-Reisender muß sich ständig umorientieren
  • In der Regel wird zuviel Vorwissen vorausgesetzt
  • jeder individuelle Homepage-Designer hat andere Vorstellungen über das,
    was in ein Informationssystem gehört
  • Manche packen in ihr System an Informationen bzw. an Verweisen
    auf Informationen hinein, was ihnen in irgendeiner Weise interessant
    vorkommt,und oft wird dann versucht, schon von der Homepage
    auf dieses ganze Sammelsurium zu verweisen
  • Es gibt zu viele verschiedene Vorstellungen darüber, wie ein Verweis
    auf eine Information darzustellen bzw. zu formulieren ist.

Folge ist, daß der WWW-Benutzer oft

  • eine ganze Weile braucht, um sich in einem (Sub-)System zurechtzufinden
  • zeitraubend einem Verweis (Link) folgen muß, um herauszufinden,
    was sich dahinter verbirgt, und auf diese Weise zahllose Irrwege geht
  • alleingelassen ist, wenn er sich über das in einem System vorhandene Wissen
    bzw. die Möglichkeiten, sich in dem System zu bewegen, orientieren will
  • auf optische Reize so reagiert, wie es der Designer vielleicht gar nicht
    geplant hat, z.B. wenn er besonders hervorgehobene Graphiken (icons)
    anklickt, die keine andere Funktion haben als die der optischen
    „Auflockerung“ des Bildschirms
  • eher zufällig auf relevante Informationen stößt
  • lange auf die Übermittlung einer homepage warten muß,
    weil der Designer glaubte, jede Rubrik mit einem icon verzieren zu
    müssen, das jedes für sich überproportional viel Übertragungszeit
    beansprucht .

Viele dieser Probleme lassen sich mit einfachen Mitteln und unter Rückgriff auf bekannte Prinzipien der Mensch-Maschine-Kommunikation (Design der Benutzeroberflächen, Dialoggestaltung; vgl. DIN 29241: Stichwörter „Aufgabenangemessenheit, Selbstbeschreibungsfähigkeit, Fehlerrobustheit, Erwartungskonformität, Steuerbarkeit, Lernbarkeit, Individualisierbarkeit“) bzw. der Hypertextgestaltung (vgl. Hofmann/Simon (1995), Kuhlen (1991), McKnight et al. (1993), Schaub (1992)) lösen, für andere müssen neue Lösungen gesucht werden. Vorderhand sollte die Beachtung der folgenden Prinzipien auf ihre Korrektheit untersucht werden (vgl. Apple 1993, Shneiderman 1997, 1997a, Yale Style Guide):

  • dem Benutzer muß klargemacht werden, was ihn erwartet:
    ein System für die gezielte Informationssuche?
    ein assoziatives Informationssystem?
    ein Spiel-/Unterhaltungssystem?
  • das System muß wohlstrukturiert sein, also eine klar gegliederte
    Hierarchie mit aussagekräftigen Link-Bezeichnungen erhalten,
    die keine trial-and-error-Navigation erfordern, also kein „mal ausprobieren,
    was sich hinter dieser kryptischen Benennung verbirgt“
  • die Benutzer brauchen klar bezeichnete Orientierungs- und Navigationsmittel,
    d.h. sie müssen jederzeit wissen oder in Erfahrung bringen können,
    wo sie sich befinden, welche Informationen in welchen Knoten des Netzwerks
    verfügbar ist und wie sie zu den einzelnen Knoten gelangen
  • alle Einheiten eines Systems sollten gleich gestaltet sein,
    damit der Benutzer weiß, was ihn in den anderen Informationseinheiten
    erwartet, wenn er die homepage kennengelernt hat

Allgemeine Richtlinien wie diese können eine erste Orientierung bei der Systementwicklung bieten; bei der konkreten Realisierung ergeben sich jedoch verschiedene Probleme, für die keine Pauschallösungen angegeben werden können:

Wieviel Erläuterungstext?
Es muß ein guter Weg zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig an textuellen Erläuterungen gesucht werden. Ein Link-Name allein reicht meistens zur Orientierung über den Link-Inhalt nicht aus – wortreiche Erläuterungen (zumal auf der homepage) verstellen den Blick auf das Wesentliche.
Wieviele / Wie große icons?
Ohne icons sehen Informationsseiten (zu) nüchtern aus, zuviele und zu große icons beeinträchtigen die Handhabbarkeit des Systems, besonders dann, wenn von anderen Kontinenten darauf zugegriffen wird.
Was ist relevant? Was bedeutet überhaupt „relevant“?
Der Designer muß abstrahieren von seinen eigenen Interessen (außer auf seiner persönlichen homepage), alle Informationen müssen in einer direkten Beziehung zur Intention des jeweiligen Informationssystems stehen, wenn die überhaupt genau festzumachen ist. Was ist wirklich von Nutzen für den Benutzer?
Mit welchen Benutzern muß man rechnen?
Idealerweise legt man ein Informationssystem für verschiedene Benutzertypen an. Dies ist besonders wünschenswert und gleichzeitig besonders schwierig für ein System im Internet, wo mit unterschiedlicheren Benutzertypen zu rechnen ist als in jeder anderen Art von Informationssystem. Dies mochte in den frühen 90er Jahren noch nicht der Fall gewesen sein, als das WWW noch vorwiegend von akademischen und Forschungsinstitutionen genutzt wurde und kaum vom sprichwörtlichen „Otto Normalverbraucher“. Heute jedoch sollte eine homepage die Benutzer idealerweise so „vorsortieren“, daß sie für unterschiedliche Benutzer unterschiedliche Navigations-/Orientierungsmittel und Möglichkeiten der Informationssuche etc. anbietet.
Wie stark sollen die Informationen gestückelt werden?
Von dem Hypertextsystem HYPERCARD her ist das Prinzip „1 Bildschirm = 1 Informationseinheit“ bekannt. Es beruht auf der Forderung, eine Informationseinheit auf einer Bildschirmseite darzustellen, weil das „Scrollen“, also das „Blättern“ in einem Bildschirmtext eine Beeinträchtigung des Benutzers bedeute. Dies stellt eine Einschränkung dar, die nicht allen Arten von Information gerecht wird. Es läßt sich darüberhinaus im WWW nicht durchhalten, weil eine starke Stückelung der Informationen zu mehr Datenverkehr führt. Jede Informationseinheit muß ja gesondert übertragen werden. Es ist also für jede Informationseinheit zu bestimmen, wie groß sie sein soll. Dafür kann keine pauschale Regel angegeben werden.
Welche Probleme ergeben sich aus dem Medium selbst für Entwickler/Benutzer?
Aus der Konstruktion „HTML als Norm für die Entwickler / HTML-Browser als Instrument für die Benutzer“ resultieren für das Medium spezifische Fragen. Auf der Entwickler-/Autorenseite gibt es inzwischen benutzergerechte Editoren mit WYSIWYG-Funktion („what you see is what you get“). Auf der anderen Seite muß sichergestellt werden, daß unterschiedliche Einstellungen der HTML-Browser (Fenstergröße, Schrifttypen /-größe etc.) nicht die Intentionen des Entwicklers ad absurdum führen. Der Entwickler/Autor hat ja keinen Einfluß darauf, wie der Browser auf dem Zielrechner eingestellt ist.

Die Entwicklung des WWW steht erst am Anfang (zum aktuellen Stand vgl. die WWW-Seite des WWW-Konsortiums http://www.w3.org/ ) . Mit der Hypertext Mark-Up Language (HTML, derzeit in der 4. Version) steht ein Medium bzw. Werkzeug zur Verfügung, das – anders als der SGML-Standard für die Textverarbeitung – gleich von Anfang an die Entwicklung bestimmt und gefördert, ja erst möglich gemacht hat. Die weitere Entwicklung läßt sich kaum vorhersagen. Man ist geneigt zu sagen: Alles ist möglich. Aus der heutigen Sicht läßt sich aber vermuten, daß vor allem die folgenden bekannten Aspekte der Entwicklung von Informationssystemen auch für das WWW in Zukunft eine besondere Rolle spielen werden:

Multilingualität
Das WWW ist der ideale Typus eines kosmopolitischen Kommunikationsinstruments, d.h. es kann dazu werden, wenn das Problem der Mehrsprachigkeit gelöst wird. Einerseits wird oft das Englische als die lingua franca benutzt, andererseits sollte niemand, v. a. nicht der Systemdesigner gezwungen werden, auf seine Muttersprache zu verzichten. Es müssen praktische Instrumente geschaffen werden, die das parallele Halten von Informationen in mehreren Sprachen unterstützen, oder alternative Methoden wie z.B. die maschinelle (Informativ-)Übersetzung eingesetzt werden. Die grossen maschinellen Übersetzungssysteme werden bereits im WWW als Übersetzungshilfen angeboten, z.B. SYSTRAN ( http://www.systransoft.com/ ) .
Automatische Indexierung / Information Retrieval
Mit WAIS (wide area information system) wurde schon früh ein Ansatz für das Information Retrieval im WWW geschaffen, der noch viel Raum für Entwicklungen offenliess. Inzwischen gibt es zahlreiche Werkzeuge, die sich in diesem Bereich einsetzen lassen, vgl. die Übersicht von John December ( http://www.december.com/net/tools/index.html .
Benutzermodelle
Ideal wäre es, wenn sich ein Informationssystem jedem seiner Benutzer anpassen würde. Auf dem Wege dahin sind verschiedene Stufen der Annäherung denkbar, wobei – ausgehend von einem groben Modell, das vielleicht nur Erstbenutzer und häufige Benutzer unterscheidet – immer feinere Benutzermodelle entwickelt werden können. Erste Bemühungen grösserer Web-Anbieter laufen unter den Schlagworten „Personalisierung“ und „Individualisierung“. Beides bedeutet, dass Web-Angebote auf die persönlichen Interessen eines Benutzers zugeschnitten werden, entweder automatisch (Angebot „verwandter WWW-Seiten“) oder durch explizite Abfrage von Interessen. Dahinter stehen natürlich handefeste kommerzielle Absichten, aber wenn diese Verfahren auf eine bessere Information der Nutzer hinauslaufen, ist wohl nichts dagegen zu sagen. Beispiele hierfür sind die Suchmaschine „Mein Yahoo“ (http://de.my.yahoo.com/?myHome), die virtuelle Nachrichtenagentur „Paperball“ ( http://paperball.de/ ) und die virtuelle Buchhandlung „Amazon“ ( http://www.amazon.com ).

Literatur

Apple Computers (1993)
Drag and drop. Human interface guidelines. September 14, 1993. Cupertino, CA: Apple Computer Inc.
Apple Human Interface Guidelines
DIN EN 29241 (1993)
Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten. Berlin: Deutsches Institut für Normung e.V. Teil 10: Grundsätze der Dialoggestaltung.
Hasebrock, J. (1995)
Multimedia-Psychologie. Heidelberg et al.: Spektrum
Jan Eric Hellbusch (2001)
Kontraste und andere Hürden – über barrierefreies Webdesign. http://aktuell.de.selfhtml.org/artikel/design/barrierefrei/ , 10.6.2009
M. Herczeg (2002)
Ergonomiehandbuch zur Gestaltung virtueller Lerneinheiten: http://www.imis.mu-luebeck.de/de/forschung/publikationen.html#2002, 11.10.02
Hofmann, M.; L: Simon (1995)
Problemlösung Hypertext. Grundlagen – Entwicklung – Anwendung. Wien: Hanser-Verlag
Issing, L.J.; P. Klimsa (Hrsg., 2002)
Information und Lernen mit Multimedia und Internet. Weinheim: Beltz PVU.
Kobsa, A.; W. Wahlster (Hrsg., 1989)
User Modelling in Dialog Systems. Berlin et al.: Springer-Verlag
Kuhlen, R. (1991)
Hypertext. Ein nicht-lineares Medium zwischen Text und Wissensbank. Berlin et al.: Springer-Verlag
McKnight, C.; A. Dillon; J. Richardson (Hrsg., 1993)
Hypertext. A Psychological Perspective. New York et al.: Ellis Horwood
Schaub, M. (1992)
Code_x. Multimediales Design. Köln: DuMont
Schulz, A. (1998)
Interfacedesign. Die visuelle Gestaltung interaktiver Computeranwendungen. St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag
Shneiderman, B. (1997a)
Designing the User Interface. Reading Mass.: Addison-Wesley
Shneiderman, B. (1997b)
Designing Information-Abundant Websites: Issues and Recommendations. Human-Computer Interaction Laboratory, Department of Computer Science & Institute for Systems Research, University of Maryland http://www.cs.umd.edu/hcil/members/bshneiderman/ijhcs/ijhcs.html
Yale Web Style Guide
Lynch, P.J.; S. Horton (2002): Web Style Guide, ehemals: The Yale Web Style Guide.
(http://www.webstyleguide.com/, 10.1.2003)
 

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