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Identität und Geschichte der Informationswissenschaft

Diskussionen über informationswissenschaftliche Themen

Die Digitale Kluft

Projekt im Proseminar „Webpublishing“ WS 2002/03

Dozent: Dr. Heinz-Dirk Luckhardt

erstellt von: Aliénor Didier

Inhalt:
1. Was ist die Digitale Kluft?
2. Die Digitale Kluft in Zahlen
3. Wie ist die Digitale Kluft zu bekämpfen(Theorie)?
Der Kampf gegen die Digitale Kluft in der Praxis
4. Digitale Kluft und Wissenskluft
5. Die Digitale Kluft – lediglich ein Scheinproblem?
6. Quellen/Links

1. Was ist die Digitale Kluft?

Der Begriff Digitale Kluft, englisch: „Digital Divide“, entstand um 1996 in den USA. Er wird zur Bezeichnung einer Reihe von Problemen verwendet, die sich aus der Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere des Internets, ergeben haben.

Digitale Kluft als nationales Problem umfaßt:
  • den ungleichgewichteten Zugang zum Informationsmedium Internet aufgrund sozialer Faktoren
  • die daraus resultierende Benachteiligung auf dem Gebiet der digitalen Informationsbeschaffung („Wissenskluft“)

1.1 Was versteht man unter Wissenskluft?

Die Wissenskluft-Hyothese wurde erstmals 1970 von einem Forscherteam der Minnesota University formuliert. Sie stellten damit die gängige Annahme in Frage, dass die Massenmedien zur besseren Informiertheit aller beitragen. Die Wissenskluft-Forschung zeigte nämlich, dass von der Medieninformation zu einem Thema nicht alle gleichermassen profitieren.

Weil die gebildeteren Mediennutzer über eine bessere Medienkompetenz und mehr Vorwissen verfügen, sind sie eher in der Lage Medien effizienter und informationsorientierter zu nutzen. Dadurch verstärkt sich tendenziell die Kluft zwischen den Informationsreichen und den Informationsarmen.

Digitale Kluft als internationales Problem bezeichnet:
  • die unterschiedliche Vernetzungsdichte von IuK-Technologien, die zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zum Anstieg der schon bestehenden sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten führt

Die Digitale Kluft in Zahlen von 2000/01

  • In London gibt es mehr Internet Accounts als auf dem ganzen afrikanischen Kontinent
  • 94 % aller Links zu sicheren Servern sind in englischer Sprache verfaßt
  • 16 % der Weltbevölkerung kontrollieren 90 % aller Internet hosts
  • In Bangladesh kostet ein PC das achtfache eines Jahreslohns
  • die Anzahl der Internetnutzer beträgt in Afrika 3,11 Millionen gegenüber 167,12 Millionen in den USA und Kanada
  • die Anzahl der PCs je 1000 Einwohner beträgt, in Ländern mit einem Bruttosozialprodukt von > 755 US $ pro EW, lediglich 3,2 gegenüber 311,2 PCs je 1000 Einwohner in Ländern mit einem Bruttosozialprodukt > 9266 US $ pro EW

3. Wie ist die Digitale Kluft zu bekämpfen?

Theoretische Ansätze

In seiner Master-Thesis stellt Carsten Friedland eine Reihe möglicher Strategien im Kampf gegen die digitale Kluft auf. Sie umfassen Initiativen zur Förderung des physischen Zugangs zu Informations- und Kommunikationstechnologien sowie des Verständnisses der Technologien und des nötigen Fachwissens.

Als wichtigste Akteure im Kampf gegen die Digitale Kluft nennt er u.a.: Hard – und Software Hersteller, den Telekommunikationssektor, den Verbraucherschutz und internationale Organisationen (wie ITU, W3C).

Auch die Industrie und nationale Regierungen, so Friedland, können die digitale Kluft wesentlich beeinflussen. Hierbei seien folgende Bereiche der nationalen Politik wichtig: die nationale Infrastruktur, ein IKT-bezogenes Bildungsangebot, die Zoll und Handelspolitik und der Bereich des Datenschutzes und der Datensicherheit

Der Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien müsse durch eine Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte erleichtert und das Angebot an Open Source Software, sowie an preisgünstiger Hardware (z.B. Simputer und Volkscomputer) erweitert werden. Zudem sollten mehr Internetzugangsmöglichkeiten, bspw. durch Telezentren, geschaffen werden.

Informations- und Kommunikationstechniken müssen, nach Meinung des Autors, eine stärkere Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit spielen, wenn sich die digitale Kluft nicht vergrößern soll.

Hilfsorganisationen hätten bereits große Erfahrung im Technologietransfer gesammelt, die es zu nutzen gelte. Um einen erfolgreichen Erfahrungsaustausch zwischen den Hilfsorganisationen zu gewährleisten und Duplizierungen zu verhindern, habe die Koordinierung der verschiedenen IKT-Aktivitäten oberste Priorität.

Vor allem müssten Entwicklungsländer bei der Erstellung nationaler IKT – Strategien unterstützt und beraten werden. Darüber hinaus sollte man Ihnen verstärkt Einflussnahme auf die Politik der international tätigen IKT-Organisationen gewähren.

Die Nachhaltigkeit von IKT-Projekten ist, laut Friedland, nur durch die Förderung lokalen Fachwissens zu erreichen, da dieses in der Lage sei, die wirtschaftliche Entwicklung ankurbeln, wie es das Beispiel der indischen Software Industrie illustriere. Der nächste Schritt sei dann die Entwicklung eines lokalen IKT-Sektors dessen Ziel mitunter auch die Erstellung von lokalen Internet-Inhalten sein sollte. Gute Chancen auf Nachhaltigkeit hätten IKT-Projekte auch durch dauerhafte Allianzen zwischen Hilfsorganisationen und der lokalen Industrie.

Der Kampf gegen die Digitale Kluft in der Praxis

Wie versucht man in der Politik die Digitale Kluft zwischen Europa und Afrika zu überwinden und damit der dritten Welt den Anschluß an die erste zu gewährleisten?

Im Juli des Jahres 2001 wurde ein Neun-Punkte-Aktions-Plan von den G-8 in Genua beschlossen um die digitale Kluft zwischen Entwicklungs- und Industrieländern zu verringern. Informations- und Kommunikationstechnologien, so hieß es, besäßen ein gewaltiges Potential, das Wachstum der Entwicklungsländer zu beschleunigen und ihren Lebensstandard zu erhöhen. Der erarbeitete Plan sah deshalb unter anderem vor, in den betroffenen Ländern den Internet-Zugang auszuweiten und die Kosten dafür zu senken.

Es hat sich jedoch gezeigt, daß es nicht ausreicht, ein afrikanisches Dorf einfach mit dem Internet zu verbinden. Die Menschen müssen auch in der Lage sein, die Möglichkeiten zu nutzen, die ihnen das Internet bietet.

Auf wissenschaftlicher Seite hat man bereits Wege gefunden, die zur Beseitigung des Digitalisierungsrückstandes verwendete Technologie den Bedürfnissen der Menschen in den Entwicklungsländern anzupassen.

Einen Lösungsansatz möchte ich hier vorstellen. Er kommt aus der „Dritten Welt“ selbst, aus Indien. Es ist der „Simple Inexpensive Mobile Computer“, kurz Simputer genannt. Der Simputer gilt als der vielversprechendste Versuch, die Digitale Kluft zwischen Europa und der Dritten Welt zu überbrücken. Ein billiger Computer, der speziell für die Milliarden Analphabeten entwickelt wurde, die noch nie mit dem World Wide Web in Berührung gekommen sind. Der Simputer ist das Ergebnis von mehreren Jahren Forschungsarbeit des Simputer Trusts, einer Non-profit Organisation, die von vier Professoren des Indian Institute of Science und drei Software-Ingenieure von „Encore“ geführt wird.

Digitale Kluft und Wissenskluft

Neuere sozialempirische Untersuchungen belegen, dass die Digitale Kluft – hier im Sinne eines Anschlusses an die digitale Informationsgesellschaft – trotz des immer breiteren Internet-Zugangs nicht abnimmt, sondern wächst. Grund dafür ist, daß nicht nur das Ob, sondern auch das Wie der Internet-Anwendung über deren Nutzen entscheidet.

Unter dem Aspekt, daß vor allem die Bevölkerungsschichten mit hohem Bildungsstand das Internet aktiv zur Informationsbeschaffung nutzen, während weniger gut ausgebildete Nutzer eher dazu tendieren das Netz zu Unterhaltungszwecken zu verwenden, könnte die rein infrastrukturelle Durchsetzung des Rechts auf Internetzugang die Wissenskluft gerade verstärken.

Auf dieses Problem geht Prof. Dr. Heinz Bonfadelli von der Universität Zürich in seinem Artikel ein.

Beim Internet bestünden, im Unterschied zur Fernsehinformation, schon in technischer und finanzieller Hinsicht weitaus höhere Zugangsbarrieren. Die Nutzung des Internets setze zudem ein höheres Mass an Aktivität und Kompetenz auf Seiten des Nutzers voraus, während das Medium Fernsehen wenig kognitiven Aufwand vom Zuschauer verlange. Nach wie vor bestünden auch beträchtliche Zugangsklüfte, was die Faktoren Alter, Geschlecht, Bildung und Einkommen anbelangt: der typische Internetnutzer sei jung, männlich, gebildet und finanziell gut situiert.

Daneben machten sich Bildungsunterschiede auch auf der Ebene der Internet-Nutzung bemerkbar. Laut Bonfadelli gebrauchen Internetnutzer mit hohem Bildungsstand das Internet service-orientiert (E-Shopping, E-Banking, Buchung von Reisen etc.), zur Kommunikation (e-mail) und vor allem zur Informationsbeschaffung. Bei den weniger Gebildeten genießt hingegen die Unterhaltung (in Form von Spielen und Chats) den größten Stellenwert.

5. Die Digitale Kluft – lediglich ein Scheinproblem?

Diesen Standpunkt vertritt der amerikanische Autor Clifford Stoll: „Ein Großteil der privaten Computer und Web-Zugänge wird für Unterhaltung genutzt und die Informationen, die im Internet transportiert werden, helfen armen Menschen nicht dabei, ihre Situation zu verbessern. Oder haben Sie schon mal einen Bettler gesehen, der sagt: Bitte geben Sie mir mehr Informationen ?“

In seinem neuen Buch „LogOut“ geht er sogar so weit, eine Abkehr vom Internet zu fordern. Dem Internet als Wissensquelle werde viel zu viel Bedeutung beigemessen. Stoll moniert Initiativen wie wie „Schulen ans Netz“, die mittlerweile auch in Deutschland existieren, und wirft die Frage auf, warum in den Industrieländern schon Vorschulkinder mit Internet und Computer konfrontiert werden. Anstatt daß Kinder von engagierten Lehrern unterrichtet würden oder schlechte Lehrkräfte durch bessere ersetzt würden, setze man Schüler vor Computer. „Wir sollten Kindern beibringen, wie sie komplexe Zusammenhänge begreifen können, anstatt sie via Internet mit einer Masse zusammenhangloser Daten zu überschütten“.

6.Quellen

Clifford Stoll: Das Internet ist überflüssig – Warum Kinder keine Internet-Zugänge und PCs im Klassenzimmer brauchen und die Digitale Kluft ein Ammenmärchen ist. URL: http://www.teachersnews.net/newsletter/010304_14.htm (Stand: 19.12.2002)

G-8 wollen digitale Kluft verringern (Artikel vom 23.07.2001). URL: http://http://www.sdi-research.at/news/msg0137.htm (Stand: 19.12.2002)

Es gibt eine Chance, die „Digitale Kluft“ zwischen Europa und Afrika zu überwinden und damit der Dritten Welt den Anschluss an die „Erste Welt“ zu ermöglichen (Artikel vom 07.01.2002). URL: http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/grenzspiele/sendung/38864/ (Stand: 19.12.2002)

Prof. Dr. Heinz Bonfadelli: Von der Wissenskluft zur digitalen Kluft zwischen Informationsreichen und Informationsarmen. URL: http://www.medientage-muenchen.de/archiv/pdf/bonfadelli.pdf (Stand: 19.12.2002)

Carsten Friedland: Digitale Wissensvermittlung in Entwicklungsländern (Master Thesis 2001). URL: http://www.fbi-medialab.fh-karlsruhe.de/pdf-lect/digdivide.pdf (Stand: 19.12.2002)

 

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