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Presse

2000 02 01 SZ

Saarbrücker Zeitung 01.02.2000

Ein Tüv-Stempel aus Saarbrücken für die Homepage – das wär’s

Der Fachbereich Informationswissenschaft sucht auf Internetseiten nach „Rostlöchern“ – Absolventen fordern sofortigen Ausbau des Fachs

Saarbrücken. Die Augen huschen über den Bildschirm, die rechte Hand jagt die Maus hinterher. Während sich die Gesichtszüge verfinstern, murmelt der Test-Kandidat vor sich hin: „Blöde Seite, wie komme ich nur zurück zum Anfang?“

Der Internetauftritt von Firmen, Instituten und auch privaten Usern ist längst den Kinderschuhen entwachsen. Nach der weltweiten Verwirrungs-Olympiade sich wild bewegender Tools und blinkender Buttons besinnen sich Betreiber jetzt auf die Ursprünglichkeit der Anwendung: Der sauber strukturierten Vermittlung von Informationen auf dem Bildschirm.

Am Fachbereich Informationswissenschaft der Universität des Saarlandes hat man sich dieser Entwicklung angenommen. Aus wissenschaftlicher Sicht wird derzeit das „Usability Engineering“ verschiedener Angebote im Internet getestet. Das heißt, dass die Wissenschaftler mit einem neuen Verfahren die Benutzbarkeit von Homepages untersuchen. Unter der Leitung von Privatdozentin Dr. Ilse Harms vom Lehrstuhl Informationswissenschaft und ihrem Mitarbeiter Werner Schweibenz kombinieren die beiden Forscher in Sachen „Benutzerferundlichkeit“ dabei zwei Methoden, um Fallstricke und Verständnisprobleme bei Homepages aufzudecken. Zuerst überprüfen die Experten mit einer generellen Checkliste die Präsentation der Internet-Angebote und suchen nach offensichtlichen Fehlern der Seiten. Falsche Links oder schlecht platzierte Buttons sind dabei noch die kleineren Mängel. Herzstück des methodischen Test-Mixes ist aber das „Usability Testing“ , bei dem Testpersonen vorgegebene Aufgaben, beispielsweise das Suchen nach Infos auf einer Homepage, erfüllen sollen.

Während der unbedarfte Nutzer vor dem Bildschirm schier verzweifelt, dokumentieren die Forscher jede Mausbewegung und alle Versuche von Körper und Geist, die Aufgabe zu erfüllen (siehe Infokasten). Neben der Benutzbarkeits-Analyse als universitärem Forschungsfeld sieht Ilse Harms auch ganz praktische Anwendungen: Aus den hierbei aufgezeichneten Problemen werden nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten Fehler-Fahrpläne zusammengestellt, die künftig beim Erstellen von Seiten Beachtung finden sollen. Zudem ist denkbar, dass aus dem später standardisierten Test- und Prüfverfahren eine Art „Tüv“ -Stempel oder sogar eine Zertifizierung für Homepages werden könnte. Bislang, so erläutert Werner Schweibenz, gebe es in Deutschland noch keinen anerkannten „Home-Page-Tüv“ . „Wir haben diesbezüglich schon Anfragen aus der Industrie. Gerne würden Firmen schon jetzt ihre Internetauftritte an der Uni Saarbrücken untersuchen lassen.“ Damit spannt die Informationswissenschaft, die Mitglied der philosophischen Fakultät ist, den Bogen zu den Ingenieurswissenschaften. Neben der Grundlagenforschung – oft Schwerpunkt informationswissenschaftlicher Lehre – steht bei der Benutzbarkeits-Forschung im World Wide Web-Angebot die konkrete Umsetzung der wissenschaftlich fundierten Ergebnisse im Vordergrund. Die Aussichten, das Projekt vielleicht zu einem Exportschlager der Saar-Hochschule zu machen, bewertet Ilse Harms als gut: „Wir haben sehr viel und auf hohem Niveau gearbeitet und sind relativ weit vorne.“

Es wäre nicht ein Projekt der Saar-Uni, würde nicht an allen Enden und Ecken das Geld fehlen. Um den Test, der im Rahmen eines Seminars durchgeführt wurde, überhaupt zu realisieren, mussten Harms und Schweibenz erst einmal Klinken putzen. Den kleinen Untersuchungsraum „liehen“ sie sich im Medien- und Sprachenzentrum aus, auch die beiden Videokameras und den Schnittplatz steuerten die Medienwissenschaftler bei. „Wir haben uns die gesamte Ausrüstung für den Test zusammengeborgt und müssen sie jetzt zurückgeben“ , schildert Harms den Mangel an finazieller Durchhaltekraft des eigenen Lehrstuhls, der diese Idee erst auf den Weg brachte. Mit etwa 25000 Mark könnte die nötige Ausrüstung für weitere Test – und damit auch den Einstieg in förderliche Drittgeschäfte – für die Informationswissenschaftler realisiert werden. Die Zukunftsaussichten für das Projekt bewerten die Benutzbarkeitsforscher gut: „Es wird kommen, dass Software und Homepages sich mit ihrer Benutzbarkeit schmücken“ , sagt Werner Schweibenz. Wie schön wäre es, wenn der „digitale Tüv-Stempel“ dazu aus Saarbrücken käme. ¦ Vor dem Hintergrund „katastrophaler Studien- und Lehrbedingungen in der Informationswissenschaft“ , fordern Absolventen einen unverzüglichen Ausbau des Fachs an der Saar-Uni. In einem offenen Brief an Kultusminister Jürgen Schreier dokumentieren 31 Unterzeichner die zukunftsweisende Bedeutung des Studiengangs, der „in idealer Weise Theorie und Praxis der modernen Informationstechnologie verbindet und dabei hervorragende Arbeitsmarktchancen eröffnet.“

Die Unterzeichner reklamieren, dass seit Gründung des Fachs im Jahre 1980 die finanzielle Ausstattung nicht erhöht, sondern erheblich verringert worden sei. 175 Studierwillige haben sich für das laufende Semester um einen Platz beworben – gerade einmal 30 konnten berücksichtigt werden. Der Numerus Clausus liegt derzeit bei 1,7. MARKUS FRANK

 

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