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Diskussionsbeiträge

QVO VADIS, VNIVERSITAS SARAVIENSIS?

Harald H. Zimmermann, Saarbrücken

Datum der Eingabe: 1997-02-27

Um nicht gleich einen falschen Eindruck zu erwecken: Die lateinische Form des Titels taugt bei den modernen Universitäten der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts gerade noch als Aufhänger für diesen Beitrag.

Im Folgenden wird zur möglichen Gestaltung der Universität des Saarlandes eine sehr persönliche Ansicht vertreten. Als Saarländer, der zudem hier einen Großteil des Studiums absolviert hat und nach einigen Jahren in der „Fremde“ (in Bayern, um noch ein Klischee zu benutzen) gelehrt hat, ehe sich die Möglichkeit ergab, in Saarbrücken ein neues Studienfach einzurichten, sieht man diese (einzige) Universität des Landes sicherlich mit anderen Augen als manche(r) andere.

Welches Grundverständnis hat eigentlich die Öffentlichkeit heute von den Aufgaben einer Universität? Lassen Sie mich zunächst aus einer Enzyklopädie zitieren (eigene Hervorhebungen):

„Während in den Hochschulen außer den Universitäten die Wissenschaft in ihrer Anwendung auf praktisch-technische Zwecke gepflegt und gelehrt wird, ist die deutsche Universität seit der Gründung der Universität Berlin durch W. v. Humboldt (1810) vorwiegend Anstalt für theoretisch-wissenschaftliche Forschung und von praktischer Zweckbestimmung freien wissenschaftlichen Unterricht; Lehrer der akademischen Jugend ist der hervorragende Forscher und bedeutende Gelehrte. In dieser Erziehung der Studierenden zu Spezialgelehrten liegt der eigentümliche Vorzug der deutschen Universität, dem sie ihre Weltgeltung verdankt, liegen aber auch die Schwierigkeiten, die sich beim Übergang ins Berufsleben ergeben.

Das Breitenwachstum der Wissenschaft, das sich in der fortwährenden Vermehrung der Lehrstühle mit entsprechender Verengung des Forschungs- und Lehrbetriebs ausdrückt, hat eine allmähliche Verlängerung der Dauer des Studiums zur Folge; die Gesamtausbildungszeit für die meisten akademischen Berufe beträgt zur Zeit 6 – 7 Jahre. Akademische Vorbildung wird für immer mehr Berufe gefordert (…).“

Eine gute Schilderung aktueller Probleme? Nur an der leicht altertümelnden Sprache wird man vielleicht erkannt haben, dass es sich um ein Zitat aus einer früheren Zeit handelt: Es steht in „Meyers Lexikon“, 7. Auflage, 5. Band, Stichwort „Hochschule“ aus dem Jahre 1926 (!). Im Wintersemester 1925 / 1926 waren an den damaligen deutschen Hochschulen insgesamt (ohne Technische Hochschulen – THs – usf.) übrigens rd. 60.000 Studierende eingeschrieben, also gut dreimal so viele wie heute allein in Saarbrücken; der Ausländeranteil lag bei 7 % (THs: insgesamt 23.000 Studierende, 12 % Ausländeranteil), der Frauenanteil bei 11 % (THs: 1,5 %).

Blicken wir – exemplarisch – noch etwas weiter zurück: Im Jahre 1886 waren an den damaligen (20) deutschen Universitäten lt. Brockhaus‘ Conversations-Lexikon, 13. Auflage, 16. Band, 1887 (Stichwort „Universitäten“) rd. 28.000 Studenten bei 2.000 Dozenten eingeschrieben (d.h. auf 14 Studierende kam eine Lehrperson). Auch hier lohnt es sich, etwas aus diesem Artikel zu zitieren (Hervorhebungen v. V.):

„Das charakteristische Merkmal dieser Periode (gemeint ist die Zeit nach 1800, d.V.) ist die Beseitigung der überlebten mittelalterlichen Einrichtungen (z.B. latein. Sprache der Vorlesungen) und die kräftige Hilfe des Staats, welcher einmal den U. die Mittel gewährte, um die Institute, Laboratorien, Bibliotheken und Lehrmittel aller Art in der vollkommenen Weise herzustellen, wie sie der gegenwärtige Stand der Wissenschaften fordert, und andererseits den Professoren auskömmliche, oft glänzende Einnahmen gewährte, und damit die Mittel, um eine der Wissenschaft würdige Stellung in der Gesellschaft einzunehmen. Die U. Deutschlands (…) sind (…) die überaus geehrten Vertreter der Wissenschaft, und machen sich dieser Ehre würdig, indem sie auch wirklich einen hervorragenden Anteil an der Fortbildung der Wissenschaften haben, und indem sie bei dem Unterricht nicht sowohl die Mitteilung von Kenntnissen, als die Weckung und Pflege des wissenschaftlichen Sinnes, die Erziehung zu rücksichtsloser Wahrheitsliebe in Sachen der Forschung und die Anleitung zum Gebrauch wissenschaftlicher Methoden beabsichtigen. Darauf beruht der ideale Glanz, der sie umgibt, und in begeisterten Stunden alt und jung die kleinlichen Mängel, die teilweise eine unvermeidliche Nebenerscheinung ihrer Selbstverwaltung sind, vergessen und die Alma mater überschwenglich preisen läßt. Darauf beruht endlich die Kraft, mit der die U. sich in entscheidenden Epochen als die treuen Hüter der idealen Güter des Volks bewährt haben (…). Dieser Ruhm hat die U. jedoch nicht darüber getäuscht, dass manche ihrer Einrichtungen den Verhältnissen nicht entsprechen und zu starken Mißbräuchen Gelegenheit gaben. Gerade aus den Reihen der Universitätslehrer sind in dieser Periode der Blüte so zahlreiche Reformvorschläge gemacht worden, dass sie kaum noch zu übersehen sind (…). Namentlich handelt es sich um eine Regelung des Einflusses der staatlichen Behörde in gewissen zweifelhaften Punkten und eine Beseitigung der Mißbräuche, welche mit der akademischen Freiheit getrieben werden, oft bis zur Vernachlässigung der mit dem Gehalt übernommenen Pflicht. Schwierig ist ferner die Doppelstellung der U. als Lehranstalt und als Träger der Forschung. Die gegenwärtige Richtung der Wissenschaft auf die getrennte Untersuchung des Einzelnen (gemeint ist die Spezialisierung, d.V.) läßt die Professoren oft vergessen, daß die Masse der Studenten eine gewisse allgemeine Kenntnis des Fachs erwerben muß, und so fallen denn viele Studenten nach Spezialstudien, zu denen sie oft nicht genügend vorbereitet waren, in ein ganz unwissenschaftliches Auswendiglernen der Elemente. Ferner werden die Ausgaben der U. unnötigerweise erhöht, indem die U. die verschiedenen Richtungen und Methoden, welche in der Wissenschaft besonders gepflegt werden, bei sich vertreten wissen will. Werden die Mittel des Staates über das Bedürfnis hinaus erfordert, so wird notwendig ein Rückschlag eintreten in der Bereitwilligkeit des Staats, und andererseits gefährden die U. dadurch die Selbstverwaltung, die ihnen noch geblieben ist.

Eine große Gefahr liegt ferner in dem üblich werdenden System, an Privatdozenten ein Gehalt zu zahlen. (…) Bei der Zersplitterung der Wissenschaften kommen leicht auch Leute von mäßiger Begabung zu dem Ruhme oder doch zu dem Bewußtsein, in einem kleinen Gebiet gründliche Kenner zu sein (…)“

Es ist aus heutiger Sicht schon abenteuerlich, wenn 1887 (!) bei 28.000 Studierenden schon von „Masse“ gesprochen wird: 1994 / 1995 studierten an deutschen Universitäten (inkl. TUs) rd. 1.200.000 Personen, jedes Jahr sind gibt es alleine etwa 200.000 Studienanfänger. Die Hochschulen sind nun real zu einem Massenbetrieb geworden: etwas weniger als 40 % aller Abiturienten entscheiden sich heute für ein Hochschulstudium (inkl. Fachhochschulen …; vgl. den Artikel „Hochschulen“ in „Harenberg Lexikon der Gegenwart, Aktuell ’96). Die beiden Zitate geben jedoch zu einigen Fragen Anlass:

Haben die heutigen Universitäten aus dieser im wahrsten Sinne „jahrhundertealten“ Kritik nichts gelernt, sitzt man etwa strukturell und vom Selbstverständnis her immer noch im „Elfenbeinturm“, widmet sich – bei „glänzenden“ Gehältern – seinen persönlichen Forschungsinteressen, erfährt keine Leistungskontrolle, entlässt die Studierenden nach einem verwissenschaftlichten Studium unvorbereitet in eine fremde Berufswelt (wenn nicht in die Arbeitslosigkeit), verlangt aber umgekehrt vom Staat hinreichende Forschungsmittel, hervorragende Rahmenbedingungen usf.?

Es geht auch noch um grundsätzlichere Fragen: Das „Image“ (modern gesprochen), das die Universität in früheren Jahrzehnten noch hatte (auch dazu kann auf die o.a. Zitate verwiesen werden), ist weitgehend geschwunden: International gesehen hat die deutsche Wissenschaft dem Augenschein nach an Renommee (etwa gegenüber Japan und v.a. den USA) verloren, der „Professorenstand“ hat (wie übrigens die Ärzte, Verwaltungsbeamten und Lehrer) – trotz einer gewissen verbliebenen Wertschätzung – doch auch Autoritätsverluste hinnehmen müssen. Bei Protestaktionen in Deutschland (etwa von Studierenden) geht es meist nur noch um finanzielle Sicherheit (etwa im Gegensatz zum Ausland, wie die Beispiele in China und im ehemaligen Ostblock zeigen), also mehr oder weniger um „Selbstbedienung“.

Damit entsteht in der Öffentlichkeit immer wieder die Frage, ob die Universitäten in ihrer jetzigen (weitgehend überkommenen) Form noch zeitgemäß sind. Sollten sie nicht – wie etwa die Schulen und in gewisser Weise auch die Fachhochschulen – zu einem von den (aktuellen) gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen gesteuerten Instrument werden? Ist die sog. „Freiheit der Lehre und Forschung“ (d.h. losgelöst von irgendwelchen Zwecken und Zwängen) Humboldtscher Prägung dem Staatswohl noch zuträglich?

Das Dilemma, das immer wieder zu diesen Diskussionen führt, liegt in dieser Doppelfunktion: Die Universitäten müssen das eine tun (qualifiziertes Wissen zu vermitteln) und dürfen das andere nicht lassen (grundlegende Forschungen zu betreiben). Sie haben in einer Zeit, in der über ein Viertel aller Abiturienten sich für ein Universitätsstudium entscheidet, die Verpflichtung, diesen mit eine qualifizierten Ausbildung zu dienen und ihnen bei aller Spezialisierung v.a. das für den späteren Berufsabschnitt benötigte methodische und wissenschaftliche Rüstzeug mitzugeben. Da wir wissen, wie schnell sich die Anforderungen der Praxis ändern können, wäre es allerdings völlig falsch, alle Ausbildung auf die Vermittlung von Faktenwissen auszurichten. Damit ist in dem Spagat (zwischen weitgehend hochspezialisierter Forschung und Berufstätigkeits-orientierter Ausbildung) der Schwerpunkt auf einer einerseits überblicksorientierten, andererseits in der Tiefe exemplarischen Wissensvermittlung (bzw. dem entsprechenden Kompetenzerwerb seitens der Studierenden) zu legen, die in der Regel an den individuellen (durchaus von speziellen Interessen getragenen) Forschungsfragen modellhaft orientiert ist.

Das bestehende – universitätsübergreifende – Geflecht der Beziehungen in den Wissenschaften (Fachtagungen, Veröffentlichungswesen, Berufungsverfahren) macht es nahezu unmöglich (Ausnahmen mag es geben), dass an den Universitäten Dilettantentum herrscht. Natürlich ist nicht jeder Dozent Nobelpreis-verdächtig (dazu gibt es einfach zu wenig Nobelpreise angesichts der Vielzahl der Wissenschaften, und auch zu wenig wirklich epochemachende Entdeckungsmöglichkeiten), und Regionaluniversitäten – wie Saarbrücken, wenn wir ehrlich sind – haben auch häufig nicht die Mittel, um Supergelehrte (die ja alle inzwischen auch „marktorientiert“ denken) anzulocken bzw. zu halten (wenn sich das Saarland auch hier und da darin durchaus glücklich schätzen mag). Die weitgehend realisierte fachliche Ausgewogenheit „in der Spitze“ (nicht zu verwechseln mit Beliebtheitsumfragen bei Studierenden) reicht aber für die regionalen Zwecke und Bedürfnisse aus. Es ist – um einen populären Vergleich zu gebrauchen – fast wie beim Fußball. Jeder will in der Bundesliga spielen, manchmal reichen die Mittel eben nur für die Regionalliga.

Was sind aber die Aufgaben einer Regionaluniversität (im vorliegenden Falle zugleich einer Landesuniversität)? Ich denke, hier hilft eine einfache Rechnung: Zur Zeit studieren rd. 16.000 Saarländerinnen und Saarländer an bundesdeutschen Universitäten (Basis: Land des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung). Von diesen studieren wiederum über 11.000 an der Universität des Saarlandes, also „heimatorientiert“. Der hohe Anteil ist durchaus nicht ungewöhnlich, vielmehr gilt dieses Faktum bundesweit. Verantwortlich dafür sind sicherlich die Möglichkeit, während des Studiums die Lebenshaltungskosten geringer zu halten, aber auch soziale Gründe.

Wie dem auch sei: Will man die universitären Kosten (des Landes) nicht auf andere Bundesländer „abwälzen“, so ist die Größe der Universität des Saarlandes derzeit durch den o.a. Maßstab auf 16.000 + „Ausländeranteil“ (rd. 10 %), also etwa 18.000 Studierende, zu dimensionieren (z.Z. trägt das Saarland „universitär“ eine Überlast, im Fachhochschulbereich ist das Verhältnis umgekehrt). Dabei spielt es im Grundsatz keine Rolle, ob alle Saarländer außerhalb Saarbrückens studieren oder alle in Saarbrücken. Es ist also unverantwortlich (oder einfach unrealistisch), unter den gegebenen Umständen eine „kleine, feine“ Elite-Universität mit einigen tausend Studierenden zu fordern, bei der entweder die Kosten für die Ausbildung der „restlichen“ Saarländer anderen Bundesländern zugemutet werden oder aber Studierwillige mit Hochschulabschluss im Saarland in unverhältnismäßigem Maße (aus Kostengründen oder aus sozialen Zwängen heraus) an der Aufnahme eines Universitätsstudiums gehindert werden.

Greifen wir einen anderen Aspekt heraus: die Ermittlung der „Leistungen“ eines Faches. Hier erscheint es mir schwierig, eine allgemein gültige (und sachgerechte) Formel zu finden. Besteht eine solche Leistung in dem „Durchsatz“, den ein Fach bzgl. der Absolventen je Studienanfänger je Jahr erreicht? Sind es die eingeworbenen Drittmittel? Ist es die Anzahl der (englischsprachigen) Veröffentlichungen? (Neu: zählen dazu auch Veröffentlichungen im Internet?) Ist es die Anzahl der Zitationen in Fremdpublikationen? Ist es die Aktivität in universitären Gremien, sind es die Partnerschaften mit verwandten Einrichtungen in Europa? Oder alles zusammen? Sind in Zukunft nur noch Fächer relevant, bei denen keine oder weniger Arbeitslose „produziert“ werden? Sollte man eine Regel einführen, die man – analog zur Gepflogenheit bei Neubauten – mit „Kunst am Bau“ bezeichnet, etwa „3 % Zweckfreiheit, 97 % Funktionalität“? Vor allem für die sog. Kleinen Fächer (manchmal heißen sie auch Orchideenfächer, was ja nicht unbedingt negativ klingt) – sie gibt es übrigens nicht nur an der Philosophischen Fakultät – stehen immer wieder vor der Existenzfrage. Man kann nicht erwarten, dass alle Fächer an allen Universitäten unterhalten werden, für die Kleinen Fächer gelten aber andere Maßstäbe als für Massenfächer.

Es gibt zudem Rahmenbedingungen, die es einem Land bzw. einer Universität kaum erlauben, verlässlich grundlegende und zugleich kurzfristig sich auswirkende Strukturentscheidungen zu treffen. Wer weiß jedoch heute vorherzusagen, was in 10 – 15 Jahren wichtig sein wird? Auch wenn man beispielsweise den Status des Beamten oder Angestellten auf Lebenszeit (der auch heute nur einen Teil der Mitarbeiter der Universität betrifft) abschaffen würde, müsste für die Ausbildung der Studierenden eine gewisse Rechtssicherheit geschaffen werden. Neue (Ausbildungs- und Forschungs)-Schwerpunkte sind zunächst einmal einzurichten (5 – 7 Jahre), dann müssen sie eine gewisse Zeit praktisch wirksam sein (mindestens 5 Jahre), dann muss geprüft werden, wie der „Markt“ reagiert (wieder 3 – 5 Jahre), so dass man bei jeder Neuorientierung mindestens ein so hohes Risiko eingeht wie bei der Beibehaltung bestehender Schwerpunkte, die sich u.U. gegenwärtig in einer gewissen Phase der Retardierung befinden. Dies gilt natürlich nicht generell: es gibt schon einiges, was sich leichter vorhersagen lässt (etwa die Entwicklungen in Richtung auf eine „Informationsgesellschaft“, nur geht dies nicht nach der Holzhammer-Methode und überhastet, sondern ist Filigranarbeit.

Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als sei die Universität eine „heile Welt“ und werde von allen missverstanden. Meine Vorschläge setzen allerdings an anderer Stelle an: Zunächst sind umfassendere und zugleich spezifischere Daten zu erheben und bereit zu stellen, die bestehenden Aktivitäten sind auch für die Entscheidungsträger transparenter zu machen (und zwar nicht in Einmal-Aktionen, sondern kontinuierlich), die Öffentlichkeitsarbeit ist drastisch zu verbessern. Ich habe selbst – bei dem Versuch, an Fakten und Daten heranzukommen – erlebt, dass man universitäts- und landesweit hier ziemlich hilflos ist. Kaum jemand weiß beispielsweise, was aus den Absolventen geworden ist, selbst die Frequenz von Fächerkombinationen (Beispiel Magister) beim Hochschulabschluss ist nur mühselig zu erheben, es gibt keine zentrale Erfassung aller Studienabschlüsse (mal ist das Land zuständig, mal die Universität), hinzu kommt die Datenschutzproblematik … Die Schaffung einer größeren Transparenz, die zuverlässige Bereitstellung von Daten und eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit sind daher zunächst wichtig, damit jeder weiß, wovon er redet, ehe weit reichende Entscheidungen getroffen werden.

Ein typisches Beispiel für die Art der Themenbehandlung ist die Frage der Studiengebühren. In der Öffentlichkeit glaubt heute jeder mitreden zu müssen und Vorschläge machen zu können. Mit der Einführung einer Pauschalgebühr von 1.000 DM / Semester ist man aber kaum weiter: Für die Universität des Saarlandes habe ich einmal auf der Basis der Kosten der bestehenden Fakultäten (also nicht auf Fächerebene und zudem ohne den Infrastrukturanteil) grob errechnet, dass ein Studium an der Philosophischen Fakultät – je immatrikulierten Studierenden – rd. 7.000 DM / Jahr (also 3.500 DM / Semester) kostet, bei den Juristen / Wirtschaftswissenschaftlern sind es 6.000 DM (3.000 DM / Sem.), bei den Naturwissenschaftlern 12.000 DM (6.000 DM / Sem.), bei den Medizinern 20.000 DM (10.000 DM / Sem.) und bei der Technischen Fakultät 14.000 DM (7.000 DM / Semester). Eine Pauschale von 1.000 DM je Studierenden nach Ablauf der Regelstudienzeit ist also keine auf die Leistungen der Universität bezogene Gebühr, sondern bedeutet eher eine Bestrafung der Studierenden für zu langes Verweilen an der Universität (vgl. dazu den nächsten Abschnitt).

Ein anderes Beispiel ist die Frage der Dauer des Studiums. Es gibt gute Gründe dafür, die Studienbedingungen so zu gestalten, dass ein Erststudium problemlos innerhalb 8 bzw. 9 Semestern (4 – 5 Jahren – Regelstudienzeit) abgeschlossen werden kann. Wer mit 19 Jahren das Abitur macht, kann also mit 24 Jahren ein abgeschlossenes Universitätsstudium vorweisen. Dies ist – soweit mir bekannt ist – in allen bestehenden Studienordnungen und aufgrund der vorgehaltenen personellen Kapazitäten sichergestellt. Wer – aus welchen Gründen auch immer – länger studiert, muss im Übrigen die Ausbildungs- und Prüfungskapazitäten der Universität selbst nicht notwendig stärker belasten (es sei denn, er macht mehr Scheine / Seminare als notwendig). Ich kann mangels verfügbarer Fakten nicht genauer belegen, was alles die Hauptgründe für ein längeres Studium sein mögen, aber aus der Erfahrung mit den Studierenden meines Faches zumindest sagen, dass auch Krankheiten, soziale Verpflichtungen (Betreuung eines Angehörigen) und v.a. finanzielle Fragen (d.h. die Notwendigkeit oder das Interesse, nebenbei Geld zu verdienen) zu dieser sog. „Verlängerung“ führen. Es mag auch eine gewisse Angst mit eine Rolle spielen, was „danach“ wohl wird. Ob dies durch die Einführung einer Studiengebühr nach Ablauf der Regelstudienzeit sich ändern wird, bleibt zumindest abzuwarten. Die universitäre Studienberatung ist in aller Regel im Übrigen sehr aktiv, um sicherzustellen, dass ein Studium zügig abgewickelt wird. Die psychologischen Beratungsstellen versuchen mitzuhelfen, den Prüfungsstress und die Prüfungsangst (die wohl jeder bei sich schon erfahren hat) abzubauen usf. Ich denke daher nicht, dass es überwiegend inneruniversitäre Gründe sind, die zu diesen (auch von mir nicht gewünschten) langen Studienzeiten führen, sondern allgemeine (z.T. individuelle) Rahmenbedingungen die Hauptrolle spielen. Insgesamt ist dies jedoch ein sehr komplexes Thema, das in der vorliegenden Übersicht nicht ausreichend vertieft werden kann.

Nach dem Willen der Landesregierung soll sich die Universität des Saarlandes kontinuierlich in eine Technik-Universität umwandeln (Abbau bzw. Reduktion der Fächer der Philosophischen Fakultät zugunsten der Technischen Fakultät). Die langfristige Wirkung dieser Maßnahme (etwa in Richtung auf verstärkte Ansiedlung von Firmen im Saarland oder auf Spin-off-Effekte) kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur eines: Technik-Universitäten kosten „pro Studierenden“ viel Geld: Kostenseitig kommen etwa doppelt so viele Mittel (rd. 14.000 DM / Jahr / Studierende) auf die Universität zu wie bei Studierenden der Geistes- und Sozialwissenschaften, zudem herrscht bundesweit ein heißer Wettbewerb, und Universitäten wie Ulm (mit dem industriellen Background) haben es leichter als das bis über beide Ohren verschuldete Saarland, hier Maßstäbe zu setzen. Um den oben schon eingeführten Vergleich nochmals zu strapazieren: Im Zweifelsfall bilden wir gute Fußballer aus, die dann doch bei Bayern München oder Borussia Dortmund spielen, der FC Saarbrücken bleibt Regionalliga.

Man darf zudem nicht vergessen, dass derzeit etwa 39 % aller Studierenden der Universität des Saarlandes der Philosophischen Fakultät zuzurechnen sind (die heute bereits „nur“ noch einen Anteil von 32 % der Professorinnen und Professoren stellt). Die Studienfächer der Philosophischen Fakultät stoßen also auf „Gegenliebe“ bei den Studierenden. Ob die Schaffung eines größeren Angebots in der Technischen Fakultät Studierende, die ein geistes- oder sozialwissenschaftliches Fach belegen möchten, umstimmen kann, wage ich sehr zu bezweifeln. Wenn dieser Ausbau also auf Kosten der Philosophischen Fakultät erfolgen sollte, lassen sich erhebliche Belastungen v.a. in den Kernfächern der Philosophischen Fakultät voraussehen. Das Beispiel der Fächerkombinationen beim Magisterstudium zeigt zudem, dass die Studierenden ziemlich genau wissen, was sie wollen.

Ich plädiere daher dafür, im Saarland eine ausgewogene Universitätskonzeption zu realisieren, die auch und vielleicht sogar vor allem den Interessen der (saarländischen) Studierenden Rechnung trägt. Das soll nicht bedeuten (und dazu ist ja gerade eine Evaluierungskommission tätig), dass alle Fächer – so gut es geht, s.o. – nicht einmal auf ihre „Leistungen“ (bzw. ihre Rolle im Universitätsgefüge) abgeklopft werden können; dies aber sollte – wie in Demokratien eigentlich üblich – offen und in ausreichendem Umfang mit den Betroffenen ausdiskutiert werden. Ich sage es hier einmal so hart, obwohl ich einige Freunde in der „Bergmannszunft“ habe (und der Vergleich natürlich hinkt): Lieber 100.000 DM weniger (je Bergmanns-Arbeitsplatz) und 100.000 DM mehr an der Universität („vernünftig investiert“) als umgekehrt.

Vielleicht gelingt der o.a. „Spagat“ in einer gemeinsamen Anstrengung aller Beteiligten. Die „reale Masse“ der Studierenden (d.h. die nächste Generation) wird es uns hoffentlich danken.

Zur Person des Autors: Prof. Dr. Harald H. Zimmermann, Jahrgang 1941, Studium der Germanistik / Geschichte in Saarbrücken und Kiel (1. Staatsexamen), Promotion Sprachwissenschaft / Informatik 1972, Wiss. Rat und Professor in Regensburg 1974 – 1980 (Nichtnumerische Datenverarbeitung, Informationslinguistik), seit 1980 Professur für Informationswissenschaft, FB 5, Philosophische Fakultät der Universität des Saarlandes, z.Z. Prodekan des Fachbereichs. Das Fach Informationswissenschaft hat derzeit rd. 400 Studierende (über 200 im Hauptfach); aufgrund der begrenzten Kapazitäten besteht im Haupt- und Nebenfach ein Numerus clausus.


*) Der Beitrag ist zur Veröffentlichung in einem der nächsten Hefte der „Saarwirtschaft“ vorgesehen (evtl. in gekürzter Form).

 

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